In der Arche macht man alles gemeinsam

v.l. Thomas Lehmkühler, Birgit Heilmann-Kastner, Arthur Steidle, Alfred Jordine

Die Liste der Arche-Fans liest sich spektakulär: Heinrich Bedford-Strohm, der neue EKD-Vorsitzende, feierte im Ökumenischen Kirchenzentrum von Neckargemünd jahrelang den Gottesdienst. Seine Frau Deborah war Älteste in der Arche. Frank Otfried July, der Landesbischof von Württemberg, gehörte als Student zur Arche-Gemeinde. Und die Osternachts-Predigten des früheren EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber sind legendär.

„Die Arche“, sagt Huber, „ist die überzeugendste Gestalt einer christlichen Gemeinde, die mir je begegnet ist.“ Jetzt wird das Ökumenische Kirchenzentrum 40 Jahre alt. Man feiert das ganze Jahr 2015 über. Eingeläutet wurde das Jubiläum mit einem großen ökumenischen Festgottesdienst. Die Festpredigt hielt der badische Oberkirchenrat Dr. Matthias Kreplin.

Noch einmal wehte der wilde Wind der Siebziger durch die Kirche

Die Gründerväter: Erwin Seifried, (2.v.l.) und Rudolf Atsma (2.v.r.)

Der berührendste Moment kam, als die beiden Gründerpfarrer an den Altar traten. Erwin Seifried, der Katholik, und Rudolf Atsma, der Protestant, beide längst im Ruhestand, hatten noch keine drei Sätze gesprochen, da wehte wieder der wilde Wind der Siebziger durch den Kirchenraum. Was spricht dagegen, zusammen Eucharistie und Abendmahl zu feiern? Tun wir es einfach. Warum sollen die evangelische Pfarrerfamilie und der katholische Priester das Pfarrhaus nicht gemeinsam bewohnen? Machen wir es so. Wie praktisch wäre eine große Kirche mit drei Altären und flexiblen Wänden. Bauen wir sie. Die Neckargemünder Arche.

Wir schreiben das Jahr 1974. Die Haare sind lang, die Studenten ziehen in Wohngemeinschaften und in Würzburg tagt die katholische Synode. Sie soll die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils in Deutschland umzusetzen. „Es war eine Zeit des Aufbruchs“, erinnert sich der Neckargemünder Pastoralreferent Alfred Jordine. „Ökumene war ein Riesenthema.“

Gottesdienste Wand an Wand und stets zur gleichen Uhrzeit

Flexibilität ist Trumph: In der Arche kann man die Innenwände verschieben

1Im Wiesenbacher Tal entstand in dieser Zeit gerade ein neues Neckargemünder Wohngebiet für junge Familien. Am Rande der Siedlung errichtet die SRH ein Rehabilitationszentrum für körperbehinderte Kinder und Jugendliche, die heutige Stephen-Hawking-Schule. Rudolf Atsma und Erwin Seifried erkannten die Chance, etwas völlig Neuartiges zu schaffen: Ein ökumenisches Kirchenzentrum, in dem Behinderte vollwertig integriert sind.

Am 15. Dezember 1974 wurde der erste Gottesdienst in der „kleinen“ Arche gefeiert. 1982 konnte die heutige Arche bezogen werden. Alles fließt in dem achteckigen Backstein-Gebäude. Statt fester Wände gibt es nur Schiebetüren. Sonntag, 10.45 Uhr. Gottesdienst in der Arche. Im rechten Kirchenraum feiert die katholische St. Franziskus-Gemeinde; links die protestantische Stephanusgemeinde. Wand an Wand, stets zur gleichen Uhrzeit. Nach den ersten Gebeten ziehen sich die Kinder beider Gemeinden – meist sind es mehr als vierzig – ins Untergeschoss zurück. Kindergottesdienst. Natürlich ökumenisch. Nach dem Segen werden die Wände auseinandergeschoben und alle essen gemeinsam zu Mittag.

Getauft wird grundsätzlich im ökumenischen Gottesdienst

Der Gottesdienstraum der evangelischen Stephanus-Gemeinde

„Für konfessionsverbindende Ehen ist die Arche ein Traum“, findet Angelika Schmidt-Biesalski. Die Fernsehjournalistin ist evangelisch, ihr Mann Katholik. Jeden Sonntag geht das Paar gemeinsam zum Gottesdienst. Oft entscheiden sie erst im Foyer, ob sie die rechte, katholische oder die linke, evangelische Tür wählen. An jedem ersten Sonntag im Monat führen beide Türen in denselben Raum. Ökumenischer Gottesdienst in der Arche. Alle trennenden Wände sind beiseite geschoben, die ersehnte eine Kirche Realität geworden. In ihrem Mittelpunkt steht das Taufbecken. „In der Arche finden alle Taufen im ökumenischen Gottesdienst statt“, erzählt Angelika Schmidt-Biesalski. „Wir Protestanten freuen uns natürlich, dass dadurch auch evangelische Kinder mit Chrisam-Öl gesalbt werden.“

„Aber es schmerzt, dass wir auch nach vierzig Jahren noch nicht gemeinsam Eucharistie feiern dürfen“, findet die katholische Gemeindereferentin Birgit Heilmann-Kastner. Dabei schien dieser große Traum anfangs schon zum Greifen nahe zu sein. Ohne viel zu fragen, luden sich die Konfessionen einfach abwechselnd zum Mahl ein. Einmal feierten alle Eucharistie, in der nächsten Woche traft man sich zum Abendmahl. „Es war das Modell der Gastfreundschaft, und wir hatten immer ein reines Gewissen“, heißt es in dem Büchlein „Gott hat viele Wohnungen. Eine ist die Arche.“

Der Traum: Beim Gottesdienst zum 40. Geburtstag gab es in der Arche nur offene Türen

Mehr als zehn Jahre tat man in Neckargemünd, was nach römisch-katholischem Recht nicht getan werden darf. Dann besuchte der katholische Ökumenereferent aus Paderborn die Arche – und fragte beim Ordinariat in Freiburg nach. Die Antwort: Den Katholiken wurde untersagt, weiterhin der Einladung zum Abendmahl zu folgen. Bittere Tränen.

In einer bewegenden Versammlung beschloss man, künftig im Ökumenischen Gottesdienst nur noch Eucharistie zu feiern. „Aber auch dabei durfte es nicht bleiben“, berichtet Angelika Schmidt-Biesalski. Das Ordinariat erlaubte nicht, dass Evangelische weiterhin die Kommunion empfingen. „Wir hatten das Gefühl, an diesem Thema zerbricht die Arche.“

Das fortgeschrittenste Ökumenische Zentrum Deutschlands

Der Handarbeitsclub will die Arche in Schals einstricken.

Doch die Arche zerbrach nicht. Sie machte nur noch konsequenter alles andere gemeinsam. Beten, singen, kochen, trommeln, tanzen, Posaune blasen, Theater spielen. Der Arche-Chor ist weit über Neckargemünd hinaus bekannt. Beim Festgottesdienst sang der Chor unter Leitung von Thomas Schmittenbecher wunderschön sehnsuchtvolle Adventsweisen. Es gibt ein gemeinsames Pfarramt, ein gemeinsames Gesangbuch, einen gemeinsamen Messner – er stammt aus Togo – ein gemeinsames Pastoralteam und sogar einen gemeinsamen „Öku-Rat“, eine Mischung aus Pfarrgemeinderat und Ältestenkreis.

Die Arche gilt als das fortgeschrittenste Ökumenische Zentrum Deutschlands, sagte Verena Hammann-Kloss, Vorstandsmitglied im Dekanatsrat des Katholischen Dekanats Kraichgau, am Randes des Festgottesdienstes. „Die Arche schafft durch ihre Offenheit auch ein Zuhause für Menschen, die Berührungsängste mit Kirche und unserer Religion haben“, betonte Neckargemünds Bürgermeister Horst Althoff seinem Grußwort. „Hier findet Begegnung statt.“

„Brot für Dich“ – „Amen“

Hat in der Arche geheiratet: Oberkirchenrat Kreplin

Und Oberkirchenrat Matthias Kreplin empfahl in seiner Predigt, Hoffnung aus den Worten Jesajas zu schöpfen. „Die Wüste wird blühen“, hatte der Prophet den Israeliten im Exil versprochen. „Aller Einsatz für die Einheit der Christenheit wird sich einmal lohnen“, versprach Kreplin jetzt der Archegemeinde. Der Karlsruher Oberkirchenrat hat übrigens auch eine sehr persönliche Beziehung zur Arche, wie Thomas Lehmkühler, der evangelische Archepfarrer verriet. „Matthias Kreplin hat vor Jahren hier geheiratet.“

Das trennende Problem mit Eucharistie und Abendmahl hat in der Arche auch – notdürftig – gelöst. „Wir feiern Agape“, sagt Thomas Lehmkühler, der evangelische Pfarrer. Körbe mit kleingeschnittenen Brotwürfeln werden gesegnet und von konfessionsverbindenden Paaren durch die Reihen gereicht. „Brot für Dich“ – „Amen“.

Ein Gedanke zu „In der Arche macht man alles gemeinsam

  1. Hallo,

    bei „Rudolf Astma“ musste ich schmunzeln, heißt der Mann doch eher Atsma. 😉

    Über diese Seite bin ich auf der Suche nach Erwin Seifried gestolpert, den ich als Religionslehrer in guter Erinnerung habe und bei dem ich ’76 meine Erstkommunion hatte (und später meine Firmung). Falls Sie Kontakt zu ihm haben, würde ich mich freuen, wenn Sie ihn herzlich von mir grüßen.

    Viele Grüße,
    Martin

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