Das siebte Schreiter-Fenster

Ja, da ist ein Grab.
Im Tauffenster.

Was für ein Blau. Frisch wie ein Bergbach, rein wie der Himmel nach einem sommerlichen Regenschauer. „Die Taufe“. Mit diesem letzten großen Fenster setzte der Glaskünstler Johannes Schreiter einen furiosen Schlusspunkt hinter seinen Zyklus, der aus der evangelischen Peterskirche ein Gesamtkunstwerk macht.

Das Tauffenster kam in letzter Sekunde. Nur einen Tag nach dem Einbau feierten weit mehr als 500 Besucher in der Peterskirche mit einem Festgottesdienst das 625. Jubiläum der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg.

Glasklar und leuchtend umspült das lebendige Wasser der Taufe das Grab

Ja, es ist ein Grab. Sperrig, furchteinflößend, alles verschlingend legt es sich dem Betrachter des Tauffensters quer in den Weg. Eine graue Gestalt ist schon fast verschmolzen mit dem Dunkel. Bleiruten züngeln wie Schlangen um die Grube. „Die Ruten stehen für abgebrochene Lebenswege“, erklärt Professor Helmut Schwier, der Universitätsprediger. Düstere Aussichten.

Die Peterskirche ist die älsteste Kirche
der Heidelberger Altstadt

Doch dann kommt das Blau. Glasklar und leuchtend umspült das lebendige Wasser der Taufe das Grab. Es verwandelt die graue Gestalt in göttliches Weiß und trägt sie in einem starken Strahl hinauf zum Himmel. Die Seele taucht ein in die Gegenwart Gott. So mächtig ist die Taufe.

Blau ist eine Lieblingsfarbe von Johannes Schreiter. In seinem Peterskirchen-Zyklus jedoch hat der 81-Jährige diese Farbe bislang ausgespart. „Die Fenster sind ein Traum in Gelb und Gold“, schwärmt Helmut Schwier. „Golddurchwirktes Siena“ nennt Professor Theo Sundermeier, der intime Schreiter-Kenner, den Farbton, der eine magische Atmosphäre ins Schiff der Universitätskirche zaubert. Sechs Fenster in Siena. Sechs Mal Toskana. Heidelberg, eine Stadt des Südens. Und beim siebten Fenster das Blau, die Farbe des Wassers und des Himmels.

Kaum je fällt ein Sonnenstrahl durch dieses Fenster

Das Tauffenster ist ein Nordfenster. Kaum je wird ein Sonnenstrahl hindurchfallen. „Nordfenster müssen aus sich selbst leuchten und und ihre Schönheit nach außen weitergeben, wenn im Inneren der Kirche die Lampen brennen“, definiert Theo Sundermeier. Schreiters „Taufe“ erfüllt beide Forderungen.

Schreiter ist der bekannteste zeitgenössische Glaskünstler

Rund 60000 Euro hat das neue Fenster von Johannes Schreiter – er ist seit 2005 Ehrendoktor der Ruperto-Carola – gekostet. Finanziert wurde „Die Taufe“ zu zwei Dritteln durch Spenden, die die evangelische Studierendengemeinde im Jubiläumsjahr gesammelt hat. Was Professor Schwier, den Ordinarius für Praktische Theologie, sehr stolz macht. „Die Taufe ist es ja, die alle Mitglieder einer Gemeinde eint.“ Das dritte Drittel bezahlten die kirchliche Versicherung „Ecclesia“ und die EKD-nahe Stiftung „Kirchliches Bauen“.

Zurück zum Grab. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man darin eine winzige tiefrote Flammenzunge. Ein verschwindend kleiner Bruchteil der Liebe Gottes. „So wenig genügt“, sagt Helmut Schwier, „um uns in Ewigkeit glücklich zu machen.“

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