Abschied vom Süden

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Pfarrer Kurt Faulhaber war 16 Jahre lang der Pfarrer von Heidelberg-Rohrbach.

Am Ende erhoben sich alle. Mit lang anhaltendem Applaus verbeugten sich die mehr als 700 Menschen in der Pfarrkirche St. Johannes zu Heidelberg-Rohrbach vor Kurt Faulhaber, der 16 Jahre lang als katholischer Pfarrer im Heidelberger Süden gewirkt hatte. Jetzt geht der 72-Jährige in Ruhestand.

Nicht mit leichtem Herzen, denn einen Nachfolger, der sich um die rund 12000 Katholiken in Rohrbach, Kirchheim und auf dem Boxberg kümmert, wird es nicht mehr geben. Das Pfarrhaus verwaist, die Seelsorge übernimmt ein Team der Stadtkirche Heidelberg.

Umso wichtiger war es für Kurt Faulhaber, bei seinem Abschiedsgottesdienst noch die Gemeindeteams einzuführen, die sich künftig ehrenamtlich um das katholische Leben vor Ort kümmern. „Gott gibt uns alles, was wir brauchen“, ermutigte Faulhaber die Gläubigen. „Was er nicht gibt, brauchen wir nicht.“

„Die Sorge um eine junge, lebendige Gemeinde war Kurt Faulhaber stets das Wichtigste“

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Volles Haus: Mehr als 700 Gläubige in St. Johannes zu Rohrbach

Es war ein sprühender, vor Lebendigkeit schier überbordender Gottesdienst, mit dem der Heidelberger Süden seinen letzten Pfarrer verabschiedete. Mehr als siebzig Ministranten schritten den vier Zelebranten voran. Die „Drei-Apostel-Band“ heizte mit modernen Liedern die Stimmung an, der Kirchenchor der drei Gemeinden steuerte wunderschön die traditionellen Weisen bei. Kinder wuselten überall. Sie hatten kleine Choreographien zu den Liedern und Gebeten einstudiert.

Von der ökumenischen Verbundenheit kündete die Anwesenheit von zwei evangelisch-unierten und einem evangelisch-lutherischen Pfarrer. „Die Sorge für eine junge, lebendige Gemeinde war Kurt Faulhaber stets das Wichtigste“, konstatierte denn auch Pfarrer Johannes Brandt, der als stellvertretender Leiter der Heidelberger Stadtkirche der Eucharistiefeier vorstand. „Das hat man in diesem Gottesdienst deutlich gemerkt.“

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Johannes Brandt, stellvertretender Leiter der Heidelberger Stadtkirche, stand der Eucharistiefeier vor

Im Kriegswinter 1943 wurde Kurt Faulhaber in Lauda, einem Weinstädtchen bei Tauberbischofsheim, geboren. Er war das mittlere von drei Geschwistern und sollte eigentlich die väterliche Metzgerei übernehmen. Doch als der Junge vier Jahre alt war, starb der Vater. Die Mutter, obwohl nun ganz auf sich gestellt, schickte sie ihren Sohn nicht in die Metzgerlehre sondern aufs Gymnasium. „Wenn die Mutter uns Kinder morgens geweckt hat, hatte sie schon viele Stunden im Weinberg hinter sich“, erinnert sich Pfarrer Faulhaber.

Das Freiburger Priesterseminar enttäuschte den ambitionieren Studenten

Als Gymnasiast lernte Kurt Faulhaber die Jugendgruppe der Schönstatt-Bewegung kennen. Sie wurde von einem engagierten Primaner namens Robert Zollitsch geleitet. Bis heute stehen der Alt-Erzbischof und der Heidelberger Pfarrer in Verbindung. Das Freiburger Priesterseminar jedoch enttäuschte Kurt Faulhaber: Keine Spur von der lebendigen, aufbrechenden Kirche, die der junge Mann suchte. Faulhaber floh. Nach München.

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Ganz bei der Sache: Während des Kyrie entzündeten die Kinder Kerzen vor der Ikone

Es war das Jahr 1967. Die Studenten rebellierten gegen die Autoritäten, München war eine Hochburg der Bewegung. Auch Kurt Faulhaber, der Theologiestudent, war drauf und dran mit der Kirche zu brechen, als er Pater Josef Kentenich traf.

Der Gründer der Schönstatt-Bewegung, muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein. Drei Jahre quälten Hitlers Schergen den Pallottiner in Dachau; zehn Jahre verbannte ihn die eigene Kirche nach Amerika. Dennoch zweifelte Josef Kentenich nie an seiner Vision von der Kirche der Zukunft. „Ich habe nur ein paar Sätze gesagt, da hatte Pater Kentenich meine Fragen und Zweifel schon verstanden“, staunt Kurt Faulhaber noch heute. Kentenich, der lang Exilierte, machte dem jungen Mann Mut. 1971 wurde Kurt Faulhaber in Freiburg zum Priester geweiht.

Zwei Priester, wie sie unterschiedlicher kaum hätten sein können

14 Jahre lang ein Team: Pfarrer Karl Müller (l.) und Pfarrer Kurt Faulhaber

1999 dann der Wechsel in den Heidelberger Süden. Zusammen mit seinem Studienkollegen Karl Müller wollte Faulhaber hier den Traum von der gemeinsamen Führung einer Gemeinde verwirklichen. „In solidum“ nennt das die katholische Kirche. Die Sache funktionierte, obwohl sich hier zwei Priester zusammengefunden hatten, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Kurt Faulhaber führte sanft, geduldig, humorvoll, aber immer zielgerichtet. Karl Müller vertrat seine Position mit Energie und Überzeugungskraft. Doch wenn alles seinen Gang ging, brauchte er neue Herausforderungen. 2004 kam Kirchheim zur Seelsorgeeinheit hinzu. 2007 der Boxberg.

Im Winter 2012 erkrankte Karl Müller an Krebs. Ein Jahr lang kämpfte er unter schlimmen Schmerzen gegen die Krankheit an. Vergebens. Am 30. Januar 2014 ist Pfarrer Karl Müller gestorben. Pfarrer Kurt Faulhaber begleitete den Freund bis in die Todesstunde hinein. Seinen Schmerz verarbeitete Faulhaber auf der Suche nach dem richtigen Grabstein. Ein weiteres Jahr sollte es dauern, bis der Pfarrer – „von Gott geführt“ – im Odenwald den perfekten Stein entdeckte. Jetzt konnte er loslassen. Karl Müller und den Süden.

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Mit etwas Phantasie kann man im Grabstein von Pfarrer Müller eine Schriftrolle erkennen.

„Pastoral am Puls“ nennt sich eine Initiative, zu der sich Seelsorger der Schönstatt-Bewegung aus ganz Deutschland zusammengeschlossen haben. Für Pfarrer Faulhaber ist diese Initiative seit Jahren ein Herzensanliegen. Im Frühjahr 2015 kam überraschend die Anfrage, ob er sich vorstellen könne, den Großteil seiner Kraft dieser Initiative zu widmen. Es sei dringend nötig. „Ich habe das als Auftrag Gottes empfunden“, schrieb Faulhaber in der Rundmail, die mitteilte, dass er den Erzbischof um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten habe.

„Gott zeigt uns ganz konkret den Weg. Wie das Navi im Auto.“

Im September 2015 wird Pfarrer Faulhaber dauerhaft eine Wohnung im Gästehaus der Abtei Neuburg in Heidelberg-Ziegelhausen beziehen. Doch wie oft er dort tatsächlich anzutreffen ist, bleibt abzuwarten. „Pastoral am Puls“ führt ihn kreuz und quer durch die ganze Republik. Und immer wieder nach Freiburg. Schon jetzt denkt Faulhaber über ein zusätzliches Zimmer in einem Freiburger Priesterhaus nach.

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Einen Pilgerstab und einen Rucksack erhielt der Pfarrer zum Abschied.

Den Katholiken im Heidelberger Süden hinterließ Kurt Faulhaber in seiner Abschiedspredigt ein theologisches Vermächtnis. Es kündet von der unendlichen Geduld und Liebe Gottes – verpackt in ein ungewöhnliches Bild. „Gott zeigt uns ganz konkret den Weg. Wie das Navi im Auto“, sagte Pfarrer Faulhaber. Und ebenso wenig wie das Navi zwingt auch Gott den Menschen, seiner Wegbeschreibung zu folgen.

Man darf falsch abbiegen, in die entgegengesetzte Richtung fahren oder gar nicht mehr hinhören. Sobald der Mensch das Navi aber wieder wahrnimmt, ist Gottes Stimme da. Ohne Vorwurf beschreibt sie mit unendlicher Geduld erneut den Weg zum Heil, exakt von dem Punkt aus, an dem sich der Mensch gerade befindet. „So ist die Stimme Jesu“, endete Kurt Faulhaber. „Er ist der große, nahe, wissende, endlos geduldige Navigator unseres Lebens.“

Zu den Fürbitten trat ein kleines Mädchen ans Mikrofon. Es war ein Bisschen aufgeregt, wegen der vielen Menschen und verhaspelte sich öfter mal. Aber die Kleine wusste, was sie sagen wollte. „Ich danke dem lieben Gott für die Vögel, für die Blumen, für die Autos, für meine Freunde und für den Pfarrer Faulhaber. Wir werden ihn vermissen.“

3 Gedanken zu „Abschied vom Süden

  1. Pfr.Faulhaber geht.

    Für viele eine Enttäuschung.
    Wenig Freude auf das neue,was nun kommt.
    Jetzt haben wir keinen „eigenen“ Pfr. mehr.
    Und doch haben wir noch „ein ass“ im ärmel:

    „G O T T V E R T R A U E N“
    Dem Leben trauen,weil Gott es mit uns lebt.

    Beten wir auch regelmäßig für unser neues Gemeindeteam und für alle die es brauchen.

    Andreas ULLMER

  2. Dieser ausgezeichnete Artikel hätte in der Tageszeitung erscheinen sollen, wo ihn jeder lesen kann. Der Artikel in der RNZ war eher mäßig von
    Wort und Bild. Ich hätte Frau Deutschs Blog nicht gelesen, wenn mich Pfarrer Ullmer nicht aufmerksam gemacht hätte.
    Da ich selbst neu auf dem Emmertsgrund bin, war die Vita des Pfarrer Faulhabers ganz neu für mich. Seine Predigt am 26.Juli hat mir jedoch nicht so gut gefallen wie Frau Deutsch. Ich empfand sie als eine Absage an jegliche Öffentlichkeitsarbeit. Ich denke nicht, dass wir zu zufrieden sein sollten im Gottvertrauen, sondern unsrerseits alles tun, was der Kirche helfen könnte, an Strahlkraft zu gewinnen. – Eben solch gute Artikel schreiben – vielleicht mit breiterem Verteilungsrahmen!

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