Das „Kuratorium Deutsche Bestattungskultur“ saß jüngst in Düsseldorf und machte sich Sorgen. Eine von ihm in Auftrag gegebene Umfrage des TNS-Emnid-Instituts belegt nämlich, dass immer mehr Deutsche auf eine Grabstätte verzichten und ihren Leichnam verbrennen lassen.
Die Asche wird anonym beigesetzt oder im Wind verstreut. Der Grund für die Abkehr vom Grab, so die Umfrage, ist nicht etwa das fehlende Geld, sondern der schwindende Glaube an Auferstehung und ewiges Leben. Ein Drittel der Befragten erwartet nach dem Tod „nichts“. Gut die Hälfte rechnet mit einer Seelenwanderung oder einer Wiedergeburt. Und nur noch zehn Prozent der Deutschen hoffen, mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen zu werden. Ist Ostern ein Auslaufmodell? Reden wir über Auferstehung.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass Jesus leiblich auferstanden ist“
Das Büro von Hans-Georg Ulrichs, dem evangelischen Hochschulpfarrer von Heidelberg, blickt über einen idyllischen Garten hinweg zur Peterskirche. Ein entspannter Ort, doch gerade knetet Ulrichs seine Finger. Die Frage, wie man sich die Auferstehung von den Toten konkret vorzustellen habe, wird ihm offensichtlich nicht oft gestellt. „Ich bin fest davon überzeugt“, sagt Pfarrer Ulrichs, „dass Jesus leiblich auferstanden ist.“ Die biblischen Zeugnisse ließen keinen anderen Schluss zu. „Und ich wüsste nicht, warum ich an ihnen zweifeln sollte.“
Zeugin Nummer eins: Maria Magdalena. Am Ostermorgen „als eben die Sonne aufging“ entdeckt sie mit ihren Freundinnen das leere Grab und macht sich auf die Suche nach dem Leichnam Jesu. Sie trifft einen Mann, hält ihn für den Gärtner und spricht ihn an. Er sagt „Maria“ und sie erkennt, dass Jesus vor ihr steht.
„Die Auferstehung verwandelte Jesus nicht in einen anderen Menschen„
„Dass Maria Magdalena den Auferstandenen an seiner Stimme erkennt, zeigt, dass es eine Kontinuität der Person über den Tod hinaus gibt“, findet Hochschulpfarrer Ulrichs. Die Auferstehung hat Jesus von Nazareth nicht in einen anderen Menschen verwandelt. „Der Auferstandene spricht mit bekannter Stimme und vollzieht die vertrauten Handlungen.“
Diese Kontinuität der Person sei von enormer Bedeutung, betont der evangelische Hochschulpfarrer, weil sich die christliche Auferstehungshoffnung dadurch grundlegend vom esoterischen Glauben an Seelenwanderungen oder eine Wiedergeburt unterscheidet. „Wenn ich mit dem Tod die Erfahrungen verliere, die ich im Leben gemacht habe“, argumentiert Hans-Georg Ulrichs, „werde ich ja zu einem völlig anderen Wesen. Das ist nicht biblisch.“
Aber warum erkennt Maria Magdalena Jesus dann nicht gleich, sondern hält ihn erst für einen Gärtner? Auch den Zeugen Nummer zwei, den Emmaus-Jüngern, ergeht es nicht anders. Mehr als zwei Stunden wandern sie einträchtig mit Jesus auf ihr Heimatdorf zu. Kein Zeichen des Erkennens. Noch nicht einmal ein zweiter Blick. Erst als Jesus beim Abendessen das Brot in der gewohnten Weise bricht, machen die Jünger große Augen.
„Die Leiblichkeit ist geheimnisvoll umwoben“
„Die Leiblichkeit nach der Auferstehung scheint geheimnisvoll umwoben zu sein“, überlegt Gunnar Garleff, der evangelische Pastor von Heidelberg-Handschuhsheim. Jesus tritt den Jüngern sicher nicht als Geist gegenüber, er unterliegt aber auch nicht mehr den Beschränkungen eines Menschen.
Abt Franziskus Heereman von der Benediktinerabtei Neuburg überlegt: „Paradoxerweise tritt der Auferstandene durch verschlossene Türen in den Raum, wo die Jünger versammelt sind. Dann lässt er sich aber an seinen Wunden berühren. Er erscheint gleichzeitig an zwei Orten, isst aber auch mit den Jüngern zum Beweis seiner wirklichen Gegenwart.“
„Auferstehungsleib“ nennt der Apostel Paulus diesen neudimensionalen Zustand, klugerweise ohne näher auf dessen Beschaffenheit einzugehen. Auch in der Bewertung des Zusammentreffens der Jünger mit dem auferstandenen Jesus hält sich der Apostel weise zurück. „Im ersten Korintherbrief hat Paulus für diese Begegnungen die vorsichtige Formulierung gefunden: ,Er gab sich zu schauen“, bemerkt Abt Franzikus. „So die Übersetzung von Fridolin Stier, die den griechischen Urtext präziser wiedergibt als das ‚erschien’ der Einheitsübersetzung.“
„Der Gekreuzigte kehrt jedoch nicht einfach in seine alte Geschichte zurück“
Das konkrete Wie der Auferstehung jedoch bleibt Mysterium. „Das Neue Testament lässt uns im Unklaren darüber, was sich am dritten Tag nach Jesu Tod, historisch betrachtet, ereignet hat“, formuliert Abt Franziskus. „Es sagt uns nicht, was eine Webcam von der Grabeshöhle aufgezeichnet hätte, sondern es begnügt sich mit dem Bericht vom leeren Grab.“
Es wäre ja schrecklich, sagt Thomas Rutte, Heidelbergs katholischer Hochschulpfarrer, wenn ein Mensch, der in das ewige Leben Gottes eingegangen ist, dadurch nicht verwandelt würde. Ebenso wie es schrecklich wäre, fährt Rutte fort, wenn das, was unser irdisches Leben ausgemacht hat, einfach weggewischt würde. „Der gekreuzigte Christus kehrt mit seiner Auferstehung nicht einfach wieder in seine alte irdische Geschichte zurück. Es handelt sich hier nicht um eine mythologische Erzählung“, erklärt Rutte. „Christus tritt in die Ewigkeit Gottes ein, aber mit allem, was als Mensch konstitutiv zu ihm gehört, also auch mit seinem Leib.“
Verklärung nennt das die theologische Tradition. „Ich persönlich finde Hegels Terminus ‚aufgehoben’ am passendsten“, überlegt Thomas Rutte. „Etwas Aufgehobenes ist nicht ausgelöscht, findet sich aber auf einer höheren Ebene wieder.“ Will sagen: Die Verletzungen, die das Leben geschlagen hat, sind zwar noch da, sie gehören zur Geschichte des Menschen, aber sie haben keine einschränkende Macht mehr. Hochschulpfarrer Rutte: „Ist der Mensch ganz und restlos in das Leben Gottes eingegangen, schmerzen seine Wunden nicht mehr. Alles ist versöhnt.“
„Im Himmel gibt es keine Mängelwesen“
Wie man sich diese Versöhnung vorzustellen habe, darüber sind die großen Theologen Karl Barth und Heinrich Vogel vor Jahrzehnten in einen Streit geraten. „Vogel hatte eine schwer behinderte Tochter, die im Rollstuhl saß“, erzählt Hans-Georg Ulrichs, der evangelische Hochschulpfarrer. Die Familie litt sehr unter dieser Krankheit des Kindes, bewahrte aber Gottvertrauen. „Später, wenn ich mit meiner Tochter im Himmelreich sein werde, springt sie herum“, sagte Vogel eines Tages zu Karl Barth.
Der daraufhin fuchsteufelswild wurde. Ob Vogel Gott denn nicht zutraue, das Mädchen nach seinen Vorstellungen geschaffen zu haben. „Idealbilder, mit denen wir uns zu unseren Ungunsten vergleichen, existieren nur auf der Erde“, schlussfolgert Hans-Georg Ulrichs. „Im Himmel gibt es keine Mängelwesen.“
Womit wir beim Thema Leid wären. Ostern müsse immer im Zusammenhang mit dem Karfreitag gesehen werden, fordert der Handschuhsheimer Pfarrer Gunnar Garleff in guter evangelischer Tradition. „Der Karfreitag stellt das radikalste aller Geschehen dar: Gottes Sohn wird gekreuzigt, er scheitert und nimmt das ganze Leiden der Menschen auf sich. Das ist der Gegenpol zum Triumphalismus des Glaubens, der mit Ostern verbunden ist.“
Die Spaßgesellschaft hat verlernt, Leid auszuhalten
Erst aus dieser Spannung heraus kann echte Osterfreude erwachsen, sagt Garleff. Vor allem für diejenigen, die schwer leiden. „Karfreitag und Ostern sagen uns, dass kein Leid und kein Leben sinnlos ist“, definiert Pfarrer Garleff. „Es gibt nach jedem Ende wieder einen neuen Anfang.“
Eine Botschaft, die unserer Spaßgesellschaft schwer zu vermitteln ist. Weil wir verlernen, Leid auszuhalten. Weshalb auch der Karfreitag als stiller Feiertag verschwinden soll. Der Karsamstag, der „Tag an dem der Herr tot im Grab liegt“ (Garleff), mutiert schon lange zum dritten Osterfeiertag.
„Wir fliehen vor der Frage, wie gehe ich mit den Tiefen des Lebens um, wie kann ich Konflikte, Leid und Scheitern in mein Leben integrieren“, beobachtet Gunnar Garleff. „Stille halten wir kaum noch aus.“ Deshalb ist die Botschaft des Kreuzes wichtiger denn je, findet der junge Handschuhsheimer Pfarrer: „Gott entflieht dem Leid nicht. Er hält es aus.“
Reden wir über Auferstehung. „Would you know my name/If I saw you in heaven?“, fragt Eric Clapton in seinem Abschiedssong für seinen verstorbenen Sohn. Wie stehen die Chancen, dass er ihn im Himmel wiedersieht. Gut, meint der katholische Hochschulpfarrer Thomas Rutte. „Der Auferstandene ist niemand anderes als der leibhaftige Jesus von Nazareth. Seine irdischen Beziehungen brechen nicht ab, sondern haben, wiederum auf verwandelte und versöhnte Weise, im göttlichen Leben Platz. Er bleibt ewig mit seinen Jüngern in realer Gemeinschaft, sowohl in der Zeit als auch der Ewigkeit – also nicht nur eine Erinnerungsverbindung.“
Sein evangelischer Kollege Hans-Georg Ulrichs, der ehemalige badische Fußballpfarrer, stimmt ihm darin vollkommen zu. „Ich rechne fest damit, dass ich auch im Himmel mit meiner Frau zusammen sein werde.“ Nachsatz: „Es wäre natürlich schön, wenn es dort auch ein Fußballfeld gäbe.“
Guten Abend, liebes Team,
dass diesen Austausch möglich machte. Welche wunderbare Zusammenstellung von verschiedenen Personen, die sich zu diesem Thema einfanden.
Ein, wie auch aus dem Interview ersichtlich, schwieriges Thema. Ich bin etwas schockiert, dass es schon 2014? stattgefunden hat und es direkt aus der heutigen Zeit entnommen scheint.
Haben Sie noch mehr Beiträge dazu?
Einen ganz herzlichen Dank,
D. Hartmann.