Im Ignatius-Saal der Mannheimer Jesuitenkirche hängt noch immer der rote Rucksack mit der Aufschrift „Einen neuen Aufbruch wagen“. 2012, vor genau einem Jahr, war er das Symbol des 98. Katholikentages. Seitdem geschahen erstaunliche Dinge.
Papst Benedikt XVI. trat zurück. Sein Nachfolger Papst Franziskus kam „vom Ende der Welt“. Und Erzbischof Zollitsch rief eine „Diözesanversammlung“ zusammen. Die erste in der Geschichte des Erzbistums Freiburg.
290 Laien und Priester, Haupt- und Ehrenamtliche, Frauen und Männer berieten in Freiburg über die Zukunft ihrer Kirche: „Christus und den Menschen nah“. Aus der Metropolregion Rhein-Neckar waren neben den Dekanen und etlichen Priestern auch mehr als zwanzig engagierte Laien geladen, darunter der Rektor der Universität Heidelberg. Sie alle sind treue Kirchgänger, sie alle forderten aber auch Veränderungen. Möglichst rasch.
Wie vor fünfzig Jahren beim Zweiten Vatikanischen Konzil
Schon der äußere Rahmen bewies, wie ernst Erzbischof Robert Zollitsch die Diözesanversammlung nahm. Weder ein Kongresszentrum noch eine Aula kamen als Tagungsort in Frage. Es musste eine Kirche sein. Wie vor fünfzig Jahren beim Zweiten Vatikanischen Konzil.
Die Wahl fiel auf St. Martin in der Freiburger Altstadt. 52 Kirchenbänke, jede hundert Kilo schwer, wurden abmontiert und in einer riesigen Halle zwischengelagert. Statt auf starren Bänke tagte die katholische Vollversammlung auf flexiblen Stühlen, demokratisch im Halbkreis angeordnet. Jeder sah jeden. Eine Sitzordnung auf Augenhöhe.
„Die Räte müssen stärker beteiligt werden“
Dialog statt Hierarchie – genau das wünscht sich Diözesanrat Hansheinrich Beha aus Mannheim im Vorfeld der Diözesanversammlung für die katholische Kirche der Zukunft. Der pensionierte Berufsschulrektor wollte sich in Freiburg dafür stark machen, dass die Pfarrgemeinderäte mehr entscheiden dürfen als bisher. „Leiter der Seelsorgeeinheit bleibt der Priester“, überlegte Hansheinrich Beha. „Aber die Räte müssen stärker am Entscheidungsprozess beteiligt werden.“
Wie das konkret funktionieren könnte, darüber dachte in Freiburg eine von 22 Kleingruppen nach, in die sich die 290 Delegierten tagsüber sortierten. Ihre Ideen präsentierten die Gruppen am Abend beim Plenum in St. Martin als Stellwände, so dass jeder seinen Kommentar zum Vorschlag daneben schreiben konnte. Verbindliche Beschlüsse konnte die Diözesanversammlung nicht fassen. Sie gab lediglich Empfehlungen.
„Frauen tragen die Kirche. Geweihte Männer leiten sie.“
Auch zu heißen Eisen. Dem Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen beispielweise. „Ich finde es gut, dass dieses kontroverse Thema auf der Tagesordnung stehen“, freute sich Roswitha Schöttler, die Dekanatsratsvorsitzende im Dekanat Wiesloch. „Das zeigt echte Gesprächsbereitschaft.“ Die Rauenbergerin wollte bei der Diözesanversammlung endlich „ein Häkchen“ unter das Langzeitthema „wiederverheiratet Geschiedene“ machen. „Da muss jetzt etwas passieren“, forderte Schöttler. „Wir brauchen ein glaubwürdiges Signal.“
Das gelte auch für die Rolle der Frau in der katholischen Kirche, assistierte Gabriele Blank, die Vorsitzende des Mannheimer Dekanatsrats. „Frauen tragen die Kirche und geweihte Männer leiten sie. Hier könnte sich gut etwas ändern.“ Wie Recht sie hat, zeigte ein Blick auf die Teilnehmerliste der Diözesanversammlung. Bei den Laien sind die Frauen deutlich in der Überzahl. „Im caritativen Bereich fast die ganze Arbeit von den Frauen gemacht“, ergänzte Hansheinrich Beha. Der Diözesanrat aus Mannheim würde Frauen am Altar übrigens ebenso begrüßen wie verheiratete Priester. Hauptsache, das Leben in den Pfarreien pulsierte wieder.
„Vielleicht feiern wir Eucharistie irgendwann einfach ohne Priester.“
So denke inzwischen die Mehrheit der deutschen Katholiken, schätzte Klemens Gramlich, Pfarrgemeinderat in der Seelsorgeeinheit Walldorf-St. Leon-Rot. „Die neue Sinus-Studie belegt, dass vor allem das traditionelle Kirchenvolk langsam die Geduld verliert.“ Statt „weiterhin nur zu hoffen und zu beten“ wollte SAP-Abteilungsleiter Gramlich in Freiburg eine „neue liturgische Bewegung“ anstoßen.
Wie können Katholiken Gottesdienste ohne Priester feiern? „In Walldorf treffen wir uns beispielsweise regelmäßig zum musikalischen Abendgebet“, erzählte Klemens Gramlich im Vorfeld der Versammlung. Die Diözesanversammlung wollte der Informatiker nutzen, um Netzwerke unter den Ehrenamtlichen zu bilden und ihnen endlich klar zu machen, wie souverän sie eigentlich in der Kirche agieren könnten. „Wer weiß“, formulierte Gramlich, „vielleicht feiern die Gemeinden irgendwann Eucharistie einfach ohne Priester.“