Das zweite Leben des Bruder Peter

Endlich am Ziel:
Bruder Peter Jasper

Eigentlich hätte es sich Peter Jasper bequem machen können. Als pensionierter Personalchef eines Autozulieferers bezog er eine ordentliche Rente. Er war gesund, seit vierzig Jahren verheiratet, hatte zwei wohlgeratene Kinder und vier Enkel. Ein gutes Leben. Doch Peter Jasper fand keine Ruhe. Er spürte eine Sehnsucht in sich. „Den Ruf Gottes“. Jasper ging ins Kloster.

Beten, Schweigen, fünf Uhr fünfzehn Frühchor, Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit. Es war ein langer, schwieriger Weg, bis Peter Jaspers Ehe annulliert und sein Noviziat beendet war. Jetzt endlich mit 71 Jahren konnte Bruder Peter seine Mönchsgelübde ablegen. Die erste ewige Profess in der Abtei Neuburg in Heidelberg seit 26 Jahren.

„Nimm mich auf, o Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben“

Der Ritus, mit dem ein Benediktiner auf Lebenszeit ins Kloster aufgenommen wird, ist uralt, schlicht und sehr ergreifend. Der „Profitend“ verliest eine handschriftliche Urkunde, in der er verspricht, nach der Regel des heiligen Benedikt zu leben, in seinem Kloster zu verharren und allezeit offen zu sein für den Anruf Gottes.

Die Klosterkirche von Stift Neuburg: Hell, licht, heilig

Dann legt der neue Mönch das Dokument als Opfergabe auf den Altar und singt drei Mal das lateinische Hingabegebet „Suscipe me, Domine“: „Nimm mich auf, o Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben.“

Schließlich streckt sich der Ordensmann vor dem Altar nieder, der Abt spricht den Segen und überreicht ihm die „große Kukulle“. Das ist ein schwarzer bodenlanger Überwurf mit extrem weiten Ärmeln, den die Benediktiner seit mehr als 1500 Jahren zum Gottesdienst tragen.

Eigentlich wollte Bruder Peter schon vor fünfzig Jahren eintreten

Die Zeiten im Kloster haben sich inzwischen geändert. „Bruder Peter ist nicht als junger Mann zu uns gestoßen, sondern als Pensionär“, sagte Abt Franziskus Heereman in seiner Ansprache. Normalerweise wäre ein Eintritt ins Kloster in diesem Alter wohl nicht mehr möglich gewesen, doch Jaspers Berufungsgeschichte beeindruckte den Neuburger Konvent. „Wichtig war, dass er diesen Ruf nicht erst im Alter vernommen hat, sondern dass er bereits in jungen Jahren an ihn ergangen ist“, betonte Abt Franziskus. Eigentlich wollte Peter Jasper nämlich schon vor fünfzig Jahren in einen Orden eintreten. Es kam anders.

Ein Sehnsuchtsort:
Abtei Neuburg im Frühling

Osnabrück kurz vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die katholische Kirche vibrierte vor Energie und Peter Jasper, Jahrgang 1941, brannte darauf, Dominikanermönch zu werden. „Die Berufung zum Priester habe ich nie verspürt“, erinnert sich der 71-Jährige. „Aber das monastische Leben hat ich mich immer angezogen.“ Selbst seinen Beruf wählte Jasper mit Blick auf einen Konvent. Er lernte Buchbinder, „weil man das im Kloster immer brauchen kann.“

Dann verliebte sich Peter Jasper. Vorbei war es mit dem Kloster. Stattdessen musste jetzt schnell Geld für die Familie her. Jasper ging erst zur Bundeswehr, später wechselte er als Personalleiter in die Industrie. Sohn und Tochter kamen zur Welt. Aus dem Beinahe-Mönch war ein „eher lauer Christ“ (Bruder Peter) geworden.

Plötzlich spürte er tief in sich die alte Sehnsucht nach dem Ordensleben

Mit der Erstkommunion der Tochter kam die langsame Wiederannäherung an die Kirche. Peter Jasper engagierte sich in der Pfarrgemeinde und sang im Kirchenchor. Und plötzlich spürte er tief in sich wieder die alte Sehnsucht nach dem Ordensleben. Aber dieser Zug war ja endgültig abgefahren. Oder?

Der Eintritt von Bruder Peter war die erste Profess in der Abtei Neuburg seit 26 Jahren

Der „Ruf Gottes“ jedenfalls verstummte nicht, sondern wurde immer klarer, sagt Bruder Peter. „Mit 65 wusste ich, dass ich nicht mehr froh werde, wenn ich ihm nicht folge.“ Der Pensionär sprach mit seiner Frau. Sie verstand. Die Suche konnte beginnen.

Peter Jasper zog von Kloster zu Kloster, mietete er sich als Dauergast ein, brachte zaghaft sein Anliegen vor. Umsonst. Dann kam Heidelberg. „In der Abtei Neuburg war alles anders“, erinnert sich Bruder Peter. Abt Franziskus nahm den Rentner schon nach kurzer Zeit als „Klausuroblaten“ auf. Drei Jahre später folgte das Noviziat. 14 Mönchen leben derzeit noch in der Abtei Neuburg. Bruder Peter kümmert sich seit Jahren um das Gästehaus. Zu seinen Kindern und Enkeln hält der Benediktinermönch engen Kontakt, obwohl man sich selten sieht. Bruder Peter fährt einmal im Jahr in den Ferien zu seinen Kindern. Sohn, Tochter und die Enkel schauen immer mal wieder im Stift Neuburg vorbei. Einen Opa im Kloster hat schließlich nicht jeder.

 

3 Gedanken zu „Das zweite Leben des Bruder Peter

  1. Als ich den Artikel las habe ich mich gefragt, mit welchem Ziel er erschienen ist. Die anderen („normalen“) Ordensleute des Stifts „outen“ sich doch auch nicht so in der Presse. Wer hat ein Interesse an den veröffentlichen biografischen Daten / Fakten des Peter Jasper. Ok, spektakulär – nach 40 Jahre Ehe (oder wie sollte man das jetzt formal richtig benennen?) verlässet ein alter Mann seine Familie und tritt ins Kloster ein! Und die Mutter Kirche bestätigt: Diese Ehe war gar keine! Bei den gebotenen Informationen bleibt (sicher nicht nur bei den kirchlich geprägten LeserInnen) Unverständnis, Befremden oder einfach Verärgerung über eine Katholische Kirche, die (scheinbar) die Unauflöslichkeit der Ehe dann selbst nach so vielen Jahren relativiert. Zumindest wäre m.E. ein Informationsblock zum Thema Eheanulierung angebracht gewesen.
    Hier wird über die Beziehung des Mannes zu seinen Kindern geschrieben! Manche Frau wird fragen, was ist mit dieser Frau? „Sie verstand“?! ist das einzige, was die LeserInnen erfährt. Ja, wen oder was könnte sie denn verstanden haben? Das die zurückliegenden 40 Jahre keine kirchliche Ehe waren, und die Kirche dies offiziell bestätigt. Ist sie in den gemeinsamen Ferien der „Familie“ selbstverständlich mit dabei, oder läßt ihr Schmerz eine Begegnung mit jenem Mann, mit dem sie 40 Jahre zusammenlebte nicht mehr zu?
    Nicht, dass mich dies etwas anginge oder ich persönlich dies wirklich wissen will – aber nochmal: mit welchem Ziel werden diese persönliche Details der Öffentlichkeit angeboten und so viel Raum für Spekulation oder Unverständnis gelassen. Die Signalwirkung, die von dem Artikel an jene Leserinnen und Leser ausgeht, die ihre kirchlich-katholisch geschlossene Ehe auch dann noch zu bewahren versuchen, wenn „der Ruf“ nach Freisein etwa für eine andere Beziehung oder ein anderes Leben laut und deutlich ertönt, diese Signal ist m.E. nicht zu unterschätzen.
    Thomas Grün

  2. Lieber Bruder Peter,

    ich kenne den Peter Jasper als unseren früheren Personalchef, mit dem ich über viele Jahre u.a. den Mittagstisch in unserer Kantine zusammen mit anderen Kollegen an unserem Standort in Kornwestheim teilte.
    Diese Berufung, die ihm zuteil wurde, zu erkennen und der Entscheidung zu folgen, bewundere ich in höchstem Maße.
    Das halte ich für eine absolute Besonderheit und verneige mich vor diesem Mut und dieser Kostbarkeit.
    In herzlicher Verbundenheit
    Andreas Walz

  3. Barmherzigkeit – Gedanken in der Vorweihnachtszeit 2018 von Andreas Walz:
    Meine Antwort auf die Frage, warum die Vita des Peter Jasper dargestellt wurde;
    diese gehört zu einem Menschen wie seine Seele. Und Schicksale auf dem Lebensweg dürfen ruhig erwähnt werden. Die Aufnahme in den Orden ist in meinen Augen praktizierte Barmherzigkeit, wie man sie besser nicht beschreiben könnte.

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