Äußerlich vornehm und intellektuell, aber innerlich schier berstend vor Stolz erhob man in der Heidelberger Peterskirche die Sektgläser. Es galt, ein Gesamtkunstwerk zu feiern. Sieben Jahre nachdem die Theologieprofessoren Theo Sundermeier und Helmut Schwier erstmals von Schreiter-Fenstern geträumt hatten, konnte der Zyklus in der Universitätskirche jetzt vollendet werden.
„Wort“ und „Sakrament“ heißen die letzten der neun Fenster, die die Peterskirche zu einem Besuchermagnet machen. Manche beobachten stundenlang die Spiele des Lichts, das sich immer wieder anders in Schreiters Fenstern bricht. Zur Mittagszeit funkeln in den Südfenstern tausend weiße Diamanten.
Die sensationelle Rückkehr des Johannes Schreiter nach zwanzig Jahren
Als die Peterskirche 2005 nach zweijähriger Innensanierung durch die Evangelische Stiftung Pflege Schönau wieder eröffnet wurde, wollten die Heidelberger ihren Augen nicht trauen. Hoch und weit, hell und modern war das altehrwürdige Gotteshaus geworden. Eine schöne Kirche, fanden die Universitätsprediger Sundermeier und Schwier. Aber ihr fehlte die künstlerische Veredelung.
„Zaghaft haben wir begonnen, darüber nachzudenken, wie es möglich wäre, Johannes Schreiter nach Heidelberg zurückzuholen“, erinnert sich Helmut Schwier. Eine wahrlich gewagte Idee, wenn man bedenkt, dass Heidelberg zwanzig Jahre zuvor Schreiters Fensterzyklus für die Heiliggeistkirche abgelehnt und dafür den Spott der gesamten Republik geerntet hatte.
Doch tempora mutantur. Im Februar 2005 verlieh die Theologische Fakultät der Ruperto Carola dem Glaskünstler Johannes Schreiter die Ehrendoktorwürde. Im Oktober 2005 fanden die Gottesdienstbesucher in der Peterskirche auf ihren Stühle die Flyer mit drei Schreiter-Entwürfen für die bislang durchsichtigen Fenster im Langhaus. Die Resonanz war überwältigend. „Innerhalb weniger Wochen sind so viele Spenden eingegangen, dass wir sogar noch ein viertes Fenster bestellen konnten“, erzählt Helmut Schwier. Der Zyklus war geboren. Als Grundfarben wählte Glaskünstler Schreiter warmes Ocker, leuchtendes Rot und strahlendes Orange.
Im finalen Doppelpunkt bricht Schreiter alle Traditionen
„Begegnung“, „Vertreibung“ und „Auferstehung“ thematisierten die ersten drei Schreiter-Fenster in der Universitätskapelle. „Frieden“ nannte Johannes Schreiter sein viertes Werk in der nördlichen Seitenkapelle. An Pfingsten 2010 begrüßte der ehemalige EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber das „Heilig-Geist“-Fenster. Mäzen Manfred Lautenschläger bezahlte ein paar Monate später das „Himmlische Jerusalem“. Genau vor einem Jahr hieß man das Tauffenster, eine Symphonie in kristallklarem Blau, willkommen. Ein Gönner, der nicht genannt werden will, finanzierte jetzt Schreiters Schlussakkord: „Wort“ und „Sakrament“.
In diesem finalen Doppelpunkt bricht Schreiter überraschend mit seinen Traditionen. „Den beiden Fenstern liegt Weiß zu Grunde, eine Farbe, die Schreiter bislang sehr sparsam benutzte“, staunte Hochschulpfarrer Hans-Georg Ulrichs in seiner Predigt. Weiß ist die Farbe, die alle anderen Farben enthält. Sie steht für die Präsenz Gottes. Ulrichs: „Wo Wort und Sakrament sich ereignen, da ist Gott selbst am Werk.“ Allerdings wirkt er meist anders, als die Menschen es erwarten.
Gott wirkt meist anders, als die Menschen es erwarten
Johannes Schreiter macht das mit kleinen blutroten Tropfen deutlich, die an verblüffenden Stellen in seinen Fenstern auftauchen. „Gott ist nicht zu begrenzen auf Kirchenmauern“, interpretierte Hans-Georg Ulrichs. „Es gibt Schwungvolles im Dunklen, aber auch Gebrochenes im Hellen.“
Kunsthistoriker und Theologen arbeiten derzeit auf Hochtouren an einem Buch über den Schreiter-Zyklus in der Peterskirche. Es soll im Frühjahr 2013 auf den Markt kommen. Noch im Herbst 2012 erscheint ein kleiner Führer über die Fenster der Peterskirche. Bleibt noch das Fazit des Künstlers selbst. „Gut gelungen“, entfuhr es dem 82-Jährigen, als er die Peterskirche betrat. Dann setzte Johannes Schreiter hinzu: „Aber der Versuch, in diese letztgültigen Geheimnisse einzudringen, war ein Kampf.“