Himmlische Helfer

Der heilige Antonius findet sogar Sachen wieder

Die Dame stand etwas verlegen im Seitenschiff der Heidelberger Jesuitenkirche und linste hinüber zum heiligen Antonius. Eigentlich, sagte die Dame, glaube sie nicht an Gott. Aber kürzlich habe sie einen kostbaren Ring verloren. Sie habe gesucht und gesucht – vergebens. „Schließlich war ich so verzweifelt, dass ich den Heiligen Antonius um Hilfe bat. Man behauptet doch, er findet alle Dinge wieder.“

Die Sache hat prompt geklappt, der Ring ist wieder aufgetaucht. Nur ihre Fassung hatte die Dame noch nicht wiedergefunden. „Soll ich jetzt wirklich glauben, dass es Heilige gibt, die in der Lage sind uns Menschen zu helfen?“ Eine spannende Frage. Gerade am Hochfest Allerheiligen.

Das Leben ist anspruchsvoll. Dauernd geht etwas schief, jeden Tag tauchen neue Probleme auf, ständig sucht man Lösungen. Da wäre es schon schön, wenn man ein paar Ansprechpartner im Himmel hätte, die das Chaos lichten. Arul Lourdu lächelt. Haben wir doch, sagt der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Leimen-Nussloch-Sandhausen. Sogar in unendlich großer Zahl.

Man darf ruhig auch seine verstorbene Oma um Unterstützung bitten

„Heilig sind ja nicht nur die Verstorbenen, die offiziell heilig gesprochen wurden“, erklärt Pfarrer Lourdu. „Heilig sind alle Menschen, die bei Gott sind.“ Man dürfe daher ruhig auch seine verstorbene Oma um Unterstützung bitten. „Die Heiligen sind jederzeit bereit, beim Herrn für uns einzutreten.“

Wie Antonius von Padua. Gäbe es eine Hitliste der beliebtesten Heiligen, der Franziskanermönch läge unangefochten an der Spitze. 1195 in Portugal geboren, verblüffte Antonius die Menschen früh mit seiner rhetorischen Begabung. Er konnte mitreißend predigen und erlernte Fremdsprachen im Handumdrehen. Die Legende erzählt, dass Antonius habe sogar mit Fischen geplaudert hat. Seine Fähigkeit, Verlorenes zurückzubringen, offenbarte sich, als ihm ein anderer Mönch das Gebetsbuch klaute. Der Dieb kam nicht weit. Schon nach wenigen Schritten litt der Flüchtende unter so starken Krämpfen, dass er den Psalter schnell zurückbrachte. Seitdem gilt der Heilige Antonius als weltbester Sachensucher. Er soll sogar freie Parkplätze finden, wenn man ihn lieb bittet.

„Früher habe ich jeden Morgen die Lebensgeschichte des Tagesheiligen gelesen“, erinnert sich Pfarrer Lourdu aus Leimen. Das habe ihm Kraft gegeben für die vielen Aufgaben, die auf ihn warteten. „Wenn man sich vorstellt, wie viel Leid, Schmerzen und Ungerechtigkeit die Heiligen ausgehalten haben, dann bewältigt man die eigenen Probleme leichter.“

Benötigt man Geduld und Vertrauen, ist Bruder Klaus ein idealer Ansprechpartner

Pfarrer Arul Lourdu
aus Leimen

Heute wendet sich Arul Lourdu lieber sehr gezielt an bestimmte Heiligen. „Wenn ich meinen Terminplan durchgehe, überlege ich mir, wofür ich an diesem Tag besonders viel Kraft brauche“, erzählt der 50-Jährige. Dann bittet er den dafür zuständigen Heiligen um Unterstützung. Steht eine wissenschaftliche Arbeit an, so wendet sich Lourdu an Thomas von Aquin. Geht es darum, Menschen in Dunkelheit und Leid beizustehen, hilft Mutter Teresa sehr gut. Benötigt der Pfarrer viel Geduld und Vertrauen, ist Bruder Klaus ein idealer Ansprechpartner. Und der heilige Petrus passt eigentlich bei jedem Problem, findet der Leimener Pfarrer. Petrus ist Lourdus Lieblingsheiliger. „Weil er so robust ist.“

Tatsächlich steht uns der Heilige Petrus in seiner Unperfektheit sehr nahe. Mehrmals hat Petrus als bester Freund Jesu grandios versagt. Er hat sich aber tapfer immer wieder aus seiner Scham herausgerappelt und weitergemacht. „Am ergreifendsten finde ich die Szene, wie Petrus außer sich vor Freude in den See springt, als er dem Auferstandenen begegnet“, sagt Arul Lourdu. „Einen größeren Liebesbeweis kann ist mir nicht vorstellen.“ Heute bewacht Petrus die Pforte zum Himmel und die himmlischen Schleusen. Wenn es darum geht, Gott um gutes Wetter für eine Unternehmung zu bitten, gibt es keinen besseren Mittler als den Heiligen Petrus.

Der heilige Petrus
in der Heidelberger Jesuitenkirche

Doch Vorsicht. „Heilige werden niemals angebetet“, betont Arul Lourdu. „Und wir machen vor ihnen auch keine Kniebeuge.“ Gebet und Kniefall gebührten allein Gott.

„Keinem von den Heiligen waren mehr Talente mit auf den Lebensweg gegeben als uns“

Ungefähr 6700 Heilige und 7400 Märtyrer verzeichnet das „Martyrologium Romanum“, der römische Heiligenkalender. Und jedes Jahr kommen neue hinzu. Der erste Heilige in der Geschichte des Christentums war Stephanus, der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens gesteinigt wurde. Vielleicht deshalb hilft er heute zuverlässig gegen Kopfschmerzen.

Der heilige Florian versuchte im dritten Jahrhundert vierzig gefangene Christen vor den Römern zu retten. Man warf ihn mit einem Mühlstein um den Hals in den Fluss. Seither kennt Florian die Kraft des Wassers und nutzt dieses Wissen als Patron der Feuerwehr. Der heilige Nepomuk wurde in Prag von der Brücke gestürzt, weil er das Beichtgeheimnis nicht brechen wollte. Er beschützt seither die Brücken der Welt.

Der heilige Nepomuk
am Neuenheimer Neckarufer

„Betrachtet man nüchtern die Geschichten der Heiligen, dann sieht man, dass keinem von ihnen mehr Talente mit auf den Lebensweg gegeben waren, als jedem von uns“, sagt Pfarrer Ulrich Stoffers. Der 44-Jährige ist Leiter der katholische Seelsorgeeinheit Elztal-Limbach-Fahrenbach im Odenwald. „Aber die Heiligen haben viel mehr aus ihrem Leben gemacht! Sie haben im entscheidenden Moment das Richtige getan.“

Nicht nur rufbereite Helfer im Himmel, sondern auch sehr konkrete Vorbilder fürs irdische Leben

Weshalb Pfarrer Stoffers Heilige nicht nur für rufbereite Helfer im Himmel hält, sondern auch für sehr konkrete Vorbilder fürs irdische Leben. „Ich sehe Menschen, die vor ähnlichen Entscheidungen standen wie ich. Und ich sehe, wie sie gehandelt haben.“ Den Heilige Antonius beispielsweise bewundert Stoffers nicht dafür, dass er Ringe wiederfindet. Er bewundert ihn dafür, „dass er den Mut hatte, als Wanderprediger zur Gewaltlosigkeit aufzurufen in einer Zeit, in der man den Glauben mit Feuer und Schwert verkündete.“

Pfarrer Ulrich Stoffers
aus Limbach

Absolute Hochachtung hat Pfarrer Stoffers vor den christlichen Märtyrern. Sowohl vor denen, die im Mittelalter für ihren Glauben in den Tod gegangen sind, wie auch vor denen, die Widerstand geleistet haben gegen das Nazi-Regime. „Die Märtyrer hatten den Mut, sich ganz Hände Gottes fallen zu lassen. In der festen Hoffnung, dass sie von ihm getragen werden.“ Der Limbacher Pfarrer glaubt, dass dieses fraglose Gottvertrauen eine Ursehnsucht ist, die tief in jedem Menschen steckt. „Die Heiligen zeigen uns, wie aus dieser Sehnsucht heraus Wirkung erzielen kann mit seinem Leben.“

„Der Name, den wir tragen prägt und mehr, als uns bewusst ist.“

Den heilige Martin kennt jedes Kind. Wegen der Laternen. Und weil er als römischer Soldat seinen Mantel so freimütig mit dem Bettler geteilt hat. Wie Martins Leben nach der Gottesbegegnung am Straßenrand weiter verlief, wissen wenige. Martin quittierte sofort den Militärdienst, um als Bettelmönch in Frankreis zu missionieren. Er gründete ein Kloster, in dem er mit mehr als 80 Brüdern absolut asketisch lebte. Selbst als er – gegen seinen Willen – zum Bischof von Tours geweiht worden war, verzichtete Martin strikt auf jegliches Eigentum. Stattdessen kümmerte er sich um Notleidende und galt als begnadeter Heiler.

Sankt Martin
in Ladenburg

„Martin ja bis heute ein beliebter Vorname“, überlegt Ulrich Stoffers. Ihn freut es sehr, dass auch im Jahr 2019 die viele Kinder nach Heiligen benannt werden. Weil dadurch deren Geschichte im Bewusstsein der Menschen bleiben. „Ich finde es wichtig und hilfreich, dass sich die Menschen intensiv mit dem Leben ihrer Namenspatrone beschäftigen.“ Am besten wäre es, wenn man sich richtiggehend mit ihnen anfreundet. Gibt es etwas im Leben „meines“ Heiligen, das mich besonders anspricht? Finde ich Parallelen zwischen uns? Unterschiede? Und was könnte ich von „meinem“ Heiligen übernehmen? „Der Name, den wir tragen“, sagt Pfarrer Stoffers, „prägt uns viel mehr, als uns bewusst ist.“

Mit jedem Schritt stiegen die Wellen höher, und das Gewicht des Kindes nahm zu

Aber was, wenn man nach einem Heiligen benannt ist, über den niemand etwas Genaues weiß? „Dann hat man die Gelegenheit, kreativ zu werden“, findet Ulrich Stoffers. Der heilige Elmar beispielsweise war ein Missionar in Belgien im 6. oder 7. Jahrhundert. Fertig. Mehr ist nicht bekannt. „Für mich klingt das danach, als ob Elmar ein eher zurückhaltender Mensch war, der sich lieber im Hintergrund hielt und sicher gut zuhören konnte“, interpretiert Stoffers aus dem Stehgreif. Ihm persönlich seien solche „unspezifischen“ Heilige deutlich angenehmer als sehr populäre. „Die werden schnell auf die Klischees reduziert.“

Der heilige Christophorus
auf der Brücke nach Ziegelhausen

Der heilige Christophorus soll im zweiten Jahrhundert gelebt haben und so groß gewesen sein wie drei ausgewachsene Männer. Er nutze seine Kraft, um Menschen durch einen reißenden Fluss auf die andere Seite zu tragen. Eines Tages bat ihn ein kleiner Junge um Hilfe. Christophorus setzte das Kind mühelos auf seine Schulter und stieg ins Wasser. Aber mit jedem Schritt stiegen die Wellen höher, und das Gewicht des kleinen Jungen nahm zu. Nur mit allerletzter Kraft erreichte Christophorus die andere Uferseite. Da sagte das Jesukind: „Du hast mehr getragen als die Welt, du hast den Schöpfer der Welt getragen.“

Und wie genau spricht man Heilige an? „Richte Gott bitte aus …

Eine schöne Geschichte. Von der wahrscheinlich kein Wort wahr ist. „Die Figur des Christophorus ist aus mindestens drei Heiligenlegenden zusammengebaut worden“, weiß Ulrich Stoffers aus Limbach im Odenwald.

Sankt Valentin an
„seiner“ Kirche in Limbach

1962 wollte das Zweite Vatikanische Konzil Christophorus deshalb aus dem Heiligenkalender streichen. Was zu tumultartigen Szenen führte. Die Gläubigen wollten ihren populären Christusträger so unbedingt behalten, dass sich die Kardinäle ihrem Willen beugten. Christophorus beschützt bis heute die Autofahrer, die auf den Straßen des Landes unterwegs sind.

Bleibt zuletzt noch die Frage nach der himmlischen Etikette. Wie genau spricht man die Heiligen denn nun an? „Die korrekte Formulierung würde lauten: Lieber Heiliger, richte Gott bitte aus, was mir am Herzen liegt“, lächelt Ullrich Stoffers. „Aber wer traut sich schon, das zu einem Heiligen zu sagen?“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.