Neuanfang in der Osternacht

Erwachsenentaufen haben ihre Geschichten: v.l. Tina Kaiser, Pfarrer Arul Lourdu mit Karl Kaiser, Renuka Waidyasekara

Die katholische Liturgie in der Osternacht ist die mystischste, aber auch die längste des Jahres. Erst kommt die Lichtfeier, dann folgen etliche Lesungen, die Anrufung aller Heiligen, die Weihe des Taufwassers und schließlich Predigt und Eucharistie. Zwei Stunden sind da schnell vorbei, wenn nicht noch etwas Besonderes geschieht. Wie heute Abend in der Pfarrkirche St. Peter zu Gauangelloch. Im Schein der Osterkerze tauft Pfarrer Arul Lourdu die 29-jährige Tina Kaiser und ihren einjährigen Sohn Karl. 

Eine Erwachsenentaufe. Noch ist das in unseren Kirchen ein seltenes Ereignis, doch die Zahlen steigen beständig an. Allein in der Seelsorgeeinheit Leimen-Nussloch-Gauangelloch bereiten sich derzeit vier Erwachsene auf ihre Taufe vor. Neuanfänge an Ostern.

Es ist ein fröhliches Multikulti-Grüppchen, das sich seit Anfang des Jahres regelmäßig im Nusslocher Pfarrhaus trifft, um über den christlichen Glauben zu sprechen. Renuka, eine 38-jährige Schneiderin und Modedesignerin wurde in Sri Lanka geboren und hinduistisch erzogen. Ihre 21-Jährige Tischnachbarin mit den langen blonden Haaren ist aus Wiesbaden in die Kurpfalz übergesiedelt. Tina Kaiser wuchs in der ehemaligen DDR auf. Und der dunkelhäutige junge Mann neben ihr stammt aus Pakistan und war ursprünglich Moslem. Vier Biographien wie unterschiedlicher nicht sein könnten.

An irgendeinem Punkt seines Lebens traf jeder einen gläubigen Christen

Die Kirchen der Seelsorgeeinheit:
St. Peter in Gauangelloch, ….

Trotzdem haben sie etwas gemeinsam: An irgendeinem Punkt seines Lebens traf jeder der Vier einen gläubigen Christen, dessen Zeugnis sie so beeindruckte, dass er beschloss, sich taufen zu lassen. Dem jungen Mann aus Pakistan, der in einer Autowerkstatt arbeitet, erzählte ein Kollege in der Mittagspause immer wieder von Jesus Christus und lud ihn ein, in die Kirche zu kommen. Der Pakistani war begeistert von der herzlichen Aufnahme durch die Gemeinde. „Wenn Menschen so freundlich sind, dann muss auch ihre Religion freundlich sein.“

Barmherzigkeit und Nächstenliebe sind für diesen Taufbewerber von zentraler Bedeutung, bestätigt Pfarrer Arul Lourdu. Der Leimener Seelsorger stammt selbst aus Indien, hat aber schon vor Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. „In Indien sind der Hinduismus und der Islam stark verbreitet“, berichtet Lourdu. „Ich bin allen drei Religionen vertraut, ich kenne ihre Gemeinsamkeiten und ihre Besonderheiten.“

Schon in Sri Lanka hatte sie oft in der Bibel gelesen, an eine Taufe jedoch nie gedacht

Renuka Waidyasekara aus Sri Lanka beispielsweise, die mit dem hinduistischen Glauben aufgewachsen ist, fasziniere besonders die enge persönliche Beziehung zu Gott, die Christus ermögliche, erzählt Arul Lourdu. „Im Hinduismus ist der Mensch ein Geschöpf, während wir uns als geliebte Kinder Gottes verstehen.“ Schon in Sri Lanka hat sie oft in der Bibel gelesen, berichtet Renuka, allerdings ohne an die Taufe auch nur zu denken.

Herz Jesu in Leimen

Das änderte sich erst, als sie in einem hinduistischen Kloster ihren heutigen Freund, einen Deutschen mit italienischen Wurzeln kennenlernte. Er war eigentlich nach Sri Lanka gekommen, um sich dem Hinduismus zuzuwenden und entdeckte durch Renukas Fragen plötzlich das Christentum neu. Seit acht Jahren leben sie nun zusammen in Deutschland und sind dabei ihr eigenes Modelabel aufzubauen. In der Osternacht wird Renuka Waidyasekara in Pfarrkirche St. Bartholomäus zu Sandhausen getauft.

Der Tod des Bruders hat das Bedürfnis nach Glauben vertieft

Eine typisch deutsch-deutsche Geschichte schildert Tina Kaiser. Die 29-Jährige wurde in der DDR geboren und ist im geeinten Deutschland aufgewachsen. Ungetauft. Allerdings hat sie aus Interesse stets den Religionsunterricht und einen Bibelkreis besucht. „Für mich waren Glaubensfragen schon immer aufregend und spannend. Sie geben eine Orientierung im Leben.“

Fünf Monate bereitete Pfarrer Lourdu die Taufbewerber vor

Vor sieben Jahren dann der Schicksalsschlag: Nach langer Krankheit starb Tinas Bruder. „Da hat sich mein Bedürfnis nach dem Glauben noch einmal vertieft“, sagt Tina Kaiser. „Ich fragte mich beständig: Warum? Wo ist er hin?“ Tina Kaiser zog gen Westen, lernte ihren späteren Mann kennen, der aus einer sehr katholischen Familie stammt, und heiratete ihn mit Sondergenehmigung des Bischofs sogar kirchlich. Söhnchen Karl wird am Ostersonntag ein Jahr alt.

Die Urkirche taufte ausschließlich in der Osternacht

Etwa 3000 Erwachsenentaufen verzeichnet die Deutsche Bischofskonferenz pro Jahr. Drei bis fünf Monate bereiten sich die Taufbewerber auf ihren großen Tag vor. „Katechumenat“ nennt die katholische Kirche diese „Zeit des Hineinwachsens in den Glauben“. Man trifft sich regelmäßig mit dem Priester, um sich über die Bibel, die Liturgie, die Sakramente, vor allem aber über das persönliche Gebet auszutauschen.

Die Osternacht ist der traditionelle Tauftermin für Erwachsene. In der Urkirche wurde ausschließlich in dieser Nacht getauft. Zu Beginn der Fastenzeit trafen sich alle Erwachsenen, die 2014 im Erzbistum getauft werden, in Freiburg, um von Weihbischof Michael Gerber persönlich die Zulassung zur Taufe zu erbitten. Zuvor wurden die Taufanwärter feierlich in den Sonntagsgottesdiensten ihren Gemeinden vorgestellt.

Tina Kaiser und Renuka Waidyasekara werden übrigens heute Abend nicht nur getauft. Sie empfangen auch noch das Sakrament der Firmung und erhalten zu ersten Mal die Kommunion. Freut sich Pfarrer Arul Lourdu: „Damit sind sie ab sofort vollwertige Mitglieder der katholischen Kirche.“

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