Was in Ewigkeit bleibt

Wie sich Bischöfin Heike Springhart die Auferstehung vorstellt.

Ostern ist für die Christenheit das wichtigste Fest des Jahres. Weil ohne die Auferstehung von den Toten der Glaube keinen Sinn macht. Doch wie hat man sich die Auferstehung und das Ewige Leben konkret vorzustellen? Fragen an die neue Landesbischöfin von Baden: Professorin Dr. Heike Springhart.

Frau Landesbischöfin, wohin gehen wir, wenn wir gestorben sind?

Wir wechseln von einer Hand Gottes in die andere. So wie wir im Leben in Gott geborgen waren, so werden wir auch im Tod von ihm gehalten sein. Aus den Händen Gottes kann man nicht herausfallen, davon bin ich fest überzeugt. Aber natürlich erleben wir Gottes Gegenwart nach unserem Tod völlig anders als jetzt. Paulus sagt, dass wir in einem neuen Leib auferstehen werden. Ich frage mich oft, was das konkret heißt. Wie soll man sich diesen neuen Leib vorstellen? Bin ich dann wirklich noch ich? Und wie kann man mich in diesem neuen Leib eigentlich erkennen?

Haben Sie auf diese Fragen schon eine Antwort gefunden? Oder zumindest den Ansatz einer Antwort?

Schreiter-Parament in der Heidelberger Kapelle

Ich glaube, unser Name spielt eine wichtige Rolle. Vielleicht stellt er sogar die Kontinuität zwischen unserem jetzigen und unserem künftigen Leben dar. Es ist nämlich nicht bedeutungslos, wie wir heißen. Werdende Eltern denken immer lange über den Namen für ihr Kind nach. Sie spüren, welche Tragweite diese Entscheidung hat. Denn unser Name bleibt untrennbar mit unserer Person verbunden. Sogar in der Ewigkeit.

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich beim Namen gerufen“, heißt es beim Propheten Jessaja. Für mich ist es eine sehr schöne Vorstellung, dass Gott jeden Menschen mit Namen kennt. Dass all unsere Name in Gottes Gedächtnis eingeschrieben sind. Daher zählt es in meinen Augen zu den größten Verbrechen, wenn man Menschen ihres Namens beraubt. Sie auf bloße Nummern reduziert. Wie das beispielsweise in Auschwitz geschehen ist.

Bleibt denn auch etwas von unseren Lebensgeschichte in der Ewigkeit erhalten?

Natürlich. Aber es ist viel schwieriger, uns das konkret vorzustellen. Wer ist es denn, der aufersteht? Das junge Mädchen? Die Studentin? Die alte Frau, die dement war und endlich sterben durfte? Wahrscheinlich sind wir in der Ewigkeit alles gleichzeitig. Aber wie soll man das denken? Es bereitet uns ja oft schon Schwierigkeiten, eine Kontinuität zwischen unserem Erwachsenen-Ich und unserem ehemaligen Kindergarten-Ich herzustellen. Keiner von uns kann sich mehr vollkommen in das Kind hineinversetzen, dass er einmal war.

Aber tatsächlich ist es ein wichtiger Gedanke, dass die gesamte Lebensgeschichte eines Menschen in Ewigkeit erhalten bleibt. Mit alle den Verletzungen, die sie in sich trägt. Ich habe als Theologin ja schon viel über Verwundbarkeit nachgedacht. Ich glaube, das ist es, was das menschliches Leben im Letzten ausmacht ist: Dass es verwundbar ist. Dass wir alle Narben in uns tragen.

Müssen wir nach unserem Tod Rechenschaft dafür ablegen, was wir in unserem Leben getan haben? Gibt es das Jüngste Gericht?

Das Jüngste Gericht ist in der heutigen Zeit ein wenig in Verruf geraten. Weil es immer nur als Drohung verstanden wurde. Dabei steckt viel Weisheit in dem Gedanken des Gerichts. In erster Linie geht es doch darum, dass Gott sich für unser Leben interessiert. Es spielt für ihn eine Rolle, wie wir gelebt haben. Nicht um uns zu verurteilen, sondern um uns aufzurichten. Das Jüngste Gericht will zurecht biegen, was in unserem Leben schief gelaufen ist.

Badens Bischöfin Heike Springhart und ihr Vorgänger Jochen Cornelius-Bundschuh.

Selbst wenn jemand schwere Schuld auf sich geladen hat?

Ich bin davon überzeugt, dass alles, was Menschen einander zufügen, von Gott gerade gerückt werden kann. Dieser Moment, in dem ich mit meiner Schuld konfrontiert werde, in dem ich noch einmal anschauen muss, was ich falsch gemacht habe, der kann allerdings sehr weh tun. Ob daraus auch ein Strafe resultiert, vermag ich nicht zu sagen. Für mich ist Gott die reine Barmherzigkeit.

Es gibt keine Strafen beim Jüngsten Gericht?

„Auferstehung“ von Johannes Schreiter in der Heidelberger Peterskirche.

Jetzt sind wir wirklich im hochspekulativen Bereich. Diese Frage kann ich gut offen lassen. Vielleicht ist es ja schon Strafe genug, wenn ein Mensch nicht mehr daran vorbeisehen kann, dass er an einem anderen Menschen schuldig geworden ist.

Dann ist Scham die Strafe?

Ich glaube nicht, dass Gott je einen Menschen beschämen würde. Das zeigt sich doch schon auf den ersten Seiten des Alten Testaments in der Geschichte vom Paradies. Adam und Eva haben gerade vom Baum der Erkenntnis gegessen und wissen jetzt, dass sie nackt sind. Plötzlich sehen sie Gott, der in der Abendkühle im Paradies spazieren geht. Welch ein wunderbares Bild! Gott erkennt sofort, was die Menschen getan haben und verweist sie des Paradieses. Aber vorher näht er ihnen noch „Schurzen“, wie Luther übersetzt, damit sie sich ihrer Nacktheit nicht länger zu schämen brauchen. Auf das Jüngste Gericht übertragen bedeutet das: Gott sieht alles, was wir falsch gemacht haben. Nüchtern, klar, realistisch. Und er reagiert. Aber am Ende überwiegt immer seine Barmherzigkeit.

Wie haben wir uns das Ewige Leben konkret vorzustellen?

Das Leben, das nach der Auferstehung kommt, ist für mich ein Leben in Fülle, im Shalom, im umfassenden Frieden. Ob wir uns dort allerdings noch Geschichten erzählen können, weiß ich nicht. Das geht ja nur, wenn es noch einen zeitlichen Ablauf gibt. Schaut man sich die Paradies-Darstellungen in der Kunstgeschichte an, dann ist da oft die Vorstellung von einem großen Festmahl. Alle sitzen an einer langen Tafel und feiern zusammen. Das wirft natürlich die Frage auf: Treffe ich die Menschen, die ich im Leben gekannt habe wieder? Und wenn ja, woran erkenne ich sie. Da sind wir wieder beim Namen! Eine gewisse Herausforderung besteht darin, dass wir nicht nur die Menschen wiedertreffen, auf die wir uns freuen. Sondern auch alle anderen.

Der erste Segen als Badische Landesbischöfin. Die Einführung war am 22. April 2022.

Haben sich diese schwierigen Beziehungen dann verändert?

Ja. Auf jeden Fall. Wir erleben ja schon hier im irdischen Leben, dass es gelungene Versöhnungs-Prozesse gibt, in denen Menschen, die einmal entzweit waren, wieder zusammengekommen sind. Vergebung geschieht. Jeden Tag. Andererseits gibt es natürlich auch furchtbare Fälle, in denen eine Versöhnung nicht möglich ist. Aus Gründen, vor denen ich allen Respekt habe.

Im ewigen Leben ist das anders. Hier gelingt Versöhnung immer. Weil sich der Täter durch die Begegnung mit Gott verändert. Ich glaube, wenn jemand seine Schuld annimmt und wirklich bereut, dann bedeutet das etwas für die Opfer. Dann verliert das Unrecht seine zerstörerische Macht.

Bleiben denn die Spuren unseres gelebtes Lebens, die Fehler, die Verwundungen in Ewigkeit existent?

Kanzelfigur in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg.

Ich denke schon. Das zeigt ja die biblische Geschichte vom „zweifelnden“ Thomas. Erzählt wird, wie die trauernden Jünger zusammen in einem Zimmer sitzen und plötzlich tritt der Auferstandene herein. Nur Thomas kann nicht glauben, dass es tatsächlich Jesus ist, der vor ihm steht. Dann fordert Christus ihn auf, die Finger in seine Wundmale zu legen. Sie sind durch den Tod und die Auferstehung nicht verschwunden. Jesus trägt seine Wunden also in Ewigkeit mit sich. So real, dass Thomas sogar seinen Finger hineinlegen kann.

Für meine Theologie ist das ein sehr zentraler Gedanke. Die Spuren unseres irdischen Lebens verschwinden in der Ewigkeit nicht. Aber sie relativieren sich. Das gilt sowohl für die negativen wie für die positiven Erfahrungen. Auch all der Glanz und Gloria, den wir auf Erden angesammelt haben, hat im Himmel nur noch marginale Bedeutung.

Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Warum mögen heutigen Menschen trotzdem nicht mehr an das Ewige Leben glauben?

Ist das wirklich so? Ich erlebe, dass die Frage, ob der Tod tatsächlich das Ende ist, die meisten Menschen beschäftigt. Egal ob jemand einer Religion angehört oder sich als Säkularmensch versteht, jeder stellt sich irgendwann die Frage, ob nach dem Tod nicht doch noch etwas kommt.

Der größte Stachel unserer heutigen Gesellschaft ist die Vorstellung, dass nur dieses kleine Erdenleben bleibt, um alles zu erreichen, wovon wir träumen. Wir müssen unentwegt vollenden, erledigen, perfektionieren. Und dafür fit bleiben, Vorsorge treiben, größtmögliche Sicherheiten schaffen. Es gibt schon Stimmen, die sprechen von „der Tyrannei des gelingenden Lebens“.

Mit Synodenpräsident Axel Wermke.

Wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, die die christliche Fahne nicht explizit hochhalten, dann merke ich sehr oft, wie groß die Neugier auf Gott und auf den Glauben an die Auferstehung ist. Das ist eigentlich kein Wunder, denn die christliche Überzeugung, dass wir in unserer Individualität in Ewigkeit erkennbar bleibe, ist ja sehr modern.

Und außerdem ist es schön, wenn einen jemand an die Hand nimmt?

Ich bin schon sehr davon überzeugt, dass Gott für jeden Menschen eine Spur legt, der man folgen sollte. Und ich finde es tatsächlich schön und tröstlich, jemanden über mir zu haben, dem ich all das anvertrauen kann, was mein Leben ausmacht. Das Gute, für das ich dankbar bin. Aber auch das Schwierige, mit dem ich Gott in Ohren liege. In der klaren Hoffnung: Mach was draus. Aber was letztendlich geschieht, ist allein die Entscheidung Gottes. Mir bleibt nur die Demut.

Lebenslauf

Name: Prof. Dr. Heike Springhart
Geboren: 21. Februar 1975 in Basel
Ausbildung:
-1994 Abitur in Schönau im Schwarzwald
Studium der Evangelischen Theologie in Bethel, Leipzig, Basel und Heidelberg
– 2002 Examen der Evangelischen Landeskirche in Baden.
– Lehrvikariat in Waldwimmersbach und Lobenfeld
2007 Promotion in Heidelberg
– 2008 bis 2010 Pfarrerin in Waldwimmersbach, Lobenfeld, Schönbrunn und am „Geistlichen Zentrum Klosterkirche Lobenfeld“
– 2008 bis 2013 Assistentin an der Theologischen Fakultät Heidelberg (Lehrstuhl Professor Michael Welker), Mitglied des Predigerkonvents der Peterskirche
– 2010 Leitung des Theologischen Studienhauses in Heidelberg (Petersstift)
2016 Habilitation: „Der verwundbare Mensch“.
– 2017 Lehrauftrag an der Universität Zürich
2018-2022 Pfarrerin der Johannesgemeinde Pforzheim
– 2021 Professorin an der Universität Heidelberg
Dezember 2021 Wahl zur Landesbischöfin von Baden
Besonderheiten: Gewinnerin des ersten Badischen Frauen-Preacher-Slams. Regelmäßige Sprecherin der „Sonntagsgedanken“ im SWR
Status: Erste Bischöfin in der Geschichte der Landeskirche von Baden (eingeführt am 10. April 2022)

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