Wenn der bayerische Landesbischof nach Heidelberg kommt, wird es schnell familiär. Tante und Onkel sitzen in der ersten Bank, der Bruder in der vorletzten, dazwischen der Sohn, viele Bekannte und Freunde. Man duzt sich, man mag sich. Und bleibt trotzdem bei der Sache.
Über die „Zukunft der Kirche“ sollte Heinrich Bedford-Strohm in der Christuskirche referieren. Es war der letzte Vortrag der erfolgreichen Reihe, die seit November 2012 läuft. Das Thema schien Bedford-Strohm auf den Leib geschneidert. Mit Verve, Eloquenz und Esprit warb er für eine neue „Lust am Christsein“ und eine „authentische öffentliche Kirche“. Man hört allenthalben, Heinrich Bedford-Strohm sei ein aussichtsreicher Kandidat für den EDK-Ratsvorsitz, der 2015 neu besetzt wird. Da könnte etwas dran sein.
Zwei der drei Söhne des Landesbischofs kamen in Heidelberg zur Welt
Siebzehn Jahre hat Heinrich Bedford-Strohm in Heidelberg gelebt. Zwei seiner drei Söhne kamen hier zur Welt. Professor Theodor Strohm, der Nestor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts, ist der Onkel des bayerischen Bischofs. Professor Christoph Strohm, der Ordinarius für Kirchengeschichte, sein Bruder. Bei Theo Sundermeier und Wolfgang Huber hat Bedford-Strohm studiert und promoviert. Bis heute steht er beiden „sehr nahe“.
Für Beate Weber organisierte SPD-Mitglied Bedford-Strohm 1990 den erfolgreichen OB-Wahlkampf. Auch die ehemalige Oberbürgermeisterin zählt zum engsten Freundeskreis des Bischofs und wird zu allen Familienfesten eingeladen. „Ich fühle mich in Heidelberg so zuhause, dass ich wahrscheinlich nachher mein Fahrrad suchen werde und mich wundere, wenn ich es nicht finde“, sagte der Referent lächelnd bei der Begrüßung.
Der Bischof ist ein Chrismatiker. Es macht Spaß ihm zuzuhören.
Professor für Systematische Theologie an der Uni Bamberg war Heinrich Bedford-Strohm, als er im Frühjahr 2011 in einem Wahlkrimi zum bayerischer Landesbischof gewählt wurde. Seit November 2011 residiert der heute 53-Jährige in seiner Dienstvilla in München mit Blick in den Englischen Garten. Den Doppelnamen verdankt Bedford-Strohm seiner Ehefrau Deborah, einer amerikanischen Psychotherapeutin.
Die Zukunft der Kirche also. Das Thema wird momentan viel diskutiert. Meist mit einem getriebenen bis panischen Unterton. In der Stimme von Heinrich Bedford-Strohm schwang nichts dergleichen mit. Der Bischof ist ein Charismatiker. Es macht Spaß, ihm zuzuhören und sich von seiner Begeisterung mitreißen zu lassen. Auch wenn man innerlich ahnt, das nicht alles so einfach ist, wie es bei Bedford-Strohm klingt.
„Kirchenvertreter genießen heute in der Öffentlichkeit eine erstaunliche Wertschätzung“
Schon der Einstiegssatz war Programm. „Dass die Kirche an Bedeutung verliert“, hob Heinrich Bedford-Strohm an, „ist eine Aussage, die zwar immer wieder gemacht wird, aber nicht stimmt.“ Im Gegenteil: „Nicht zuletzt als Folge der Finanzkrise ist das Interesse an ethischen Fragen gestiegen“, betonte der Bischof. „Die Kirchen werden als Institutionen identifiziert, in denen die Reflexion über solche Themen einen festen Ort hat.“
Gleich ob über Ökologie, Sozialethik oder globale Gerechtigkeit diskutiert wird, „Kirchenvertreter genießen heute in der Öffentlichkeit eine erstaunliche Wertschätzung.“ Ein Pfund mit dem die Kirche unbedingt wuchern muss, empfahl Bedford-Strohm, der seine Doktorarbeit vor zwanzig Jahren mit dem Titel „Vorrang für die Armen“ überschrieben hat.
Heute plädiert der bayerische Bischof für eine „öffentliche“ Kirche. „Was wir brauchen ist eine Erneuerung unserer Weltpräsenz“, formulierte Heinrich Bedford-Strohm. Die Kirche müsse die Gesellschaft immer wieder an Gottes Gebote erinnern. „Wer fromm ist, muss auch politisch sein.“ Und glaubwürdig. „Authentisch“ heißt des Landesbischofs Lieblingswort. Bedford-Strohm meint damit viel mehr als Aufrichtigkeit. „Authentizität“ ist für ihn eine Kombination aus tief im Inneren der Person verwurzeltem Glauben und Leidenschaft für die Botschaft des Evangeliums. Gefühl kombiniert mit Inhalt. „Die Kirche muss ausstrahlen, wovon sie spricht.“
„Ich werde niemals meine moralischen Maßstäbe senken, nur weil ich selbst ihnen nicht genüge“
Was nicht heißen soll, dass die evangelische Kirche keine Fehler mehr macht. Das schafft nur Gott. „Aber“, betonte Bedford-Strohm, „ich werde niemals meine moralischen Maßstäbe senken, nur weil ich selbst ihnen nicht genüge.“
Ein Beispiel für die Diskrepanz zwischen Evangelium und real existierender Kirche sei deren Unfähigkeit, die „Milieuhaftigkeit“ zu überwinden, formulierte der bayerische Landesbischof. Er hätte auch einfach von bürgerlichem Dünkel sprechen können. „Die Armen dürfen nicht nur Objekte der Betreuung sein“, monierte Heinrich Bedford-Strohm. „Wenn wir als Kirche es nicht schaffen, sie gleichberechtigt zu behandeln, wer dann?“
„Wir sollten zeigen, dass es eine Lust ist, Christ zu sein“
Zum Thema Glaubensschwund. Man könne die Zahlen von heute nicht mit denen vor fünfzig Jahren vergleichen, meinte der Bischof. „Damals musste man mit sozialen Sanktionen rechnen, wenn man aus der Kirche austrat, heute kann jeder frei entscheiden.“ Dass trotzdem noch 50 Millionen Menschen Kirchensteuer zahlen, „ist aus meiner Sicht die eigentliche Sensation.“
Große Sorge macht sich Bedford-Strohm über den Traditionsabbruch, der vor allem im Osten zunehmend aber auch in den Großstädten im Westen Deutschlands zu beobachten ist. „Viele Kinder werden erwachsen ohne zu wissen, wer Abraham war oder was an Pfingsten geschehen ist.“
Doch Vorsicht: Keinesfalls dürfe sich das Christentum als eine Weltanschauung unter vielen auf dem Markt anbieten, mahnte der Bischof. Stattdessen gelte es, „leidenschaftlich einzutreten für die Wahrheit des Evangeliums.“ Die Kirche sei doch ein wunderbarer Türöffner für ein erfülltes Leben in der modernen Welt. “Wir sollten zeigen, dass es eine Lust ist, ein Christ zu sein.“