Wehe Herzen in Wieblingen: Die Katholiken des Heidelberger Stadtteils am Neckar müssen von zwei Kirchen zugleich Abschied nehmen. „Die Alte Kirche wird auf Dauer nicht zu halten sein“, schreibt Pfarrer Johannes Brandt im Pfarrbrief der Seelsorgeeinheit Christophorus. „Sie wird einer anderen Verwendung, möglicherweise der Profanisierung zugeführt.“
Die „neue“ St. Bartholomäus-Kirche aus den 1950er Jahren bleibt den Gläubigen zwar erhalten – allerdings in völlig anderer Gestalt. Der Kirchenraum soll verkleinert werden, damit man den Gemeindesaal und einige Büroräume in die Kirche integrieren kann. Sakristei und Gemeindehaus machen Platz für einen Pavillon-Anbau mit großem Saal. Im Dezember 2012, sagt Pfarrer Brandt, liegen die konkreten Pläne vor.
Viel Platz ist da, aber fast alle Räume sind in desolatem Zustand
Am Anfang stand eine Machbarkeitsstudie. Wie ist es um den Gebäudebestand der katholischen Pfarrgemeinde in Heidelberg-Wieblingen bestellt, wollte der Pfarrgemeinderat der Seelsorgeeinheit Christophorus (Eppelheim, Pfaffengrund, Wieblingen) wissen. Die Antwort war niederschmetternd: Die knapp 2200 Katholiken verfügen zwar über viel mehr Gebäudefläche, als es den Richtwerten der Erzdiözese entspricht. Aber fast alle Räumlichkeiten befinden sich in einem desolaten Zustand. Schlechte Energiebilanz, erheblicher Investitionsbedarf, wenig Entwicklungsmöglichkeiten. „Handelt die Gemeinde jetzt nicht“, resümiert Johannes Brandt, „könnte das auf Dauer sogar einen ersatzlosen Kirchenabriss nach sich ziehen.“
Zumal momentan der optimale der Zeitpunkt ist, die katholischen Liegenschaften in Wieblingen auf Vordermann zu bringen. Am 1. Januar 2013 nämlich wird die Verrechnungsstelle Heidelberg-Weinheim, das kaufmännische Herz der katholischen Kirche in Heidelberg, vergrößert zur „Verrechungsstelle Heidelberg-Weinheim“. Die katholischen Kaufleute haben ihren Sitz seit vielen Jahren im Wieblinger Pfarrhaus und wollen dort auch bleiben. Sofern genügend Büroraum für die neuen Kollegen geschaffen werden kann.
Auch das Dekanatsbüro soll bald nach Wieblingen umziehen
Die Sanierung der Pfarrkirche St. Bartholomäus, die direkt neben dem Pfarrhaus steht, käme ihnen wie gerufen. Verbände man beispielsweise Pfarrhaus und Kirche miteinander, so erhielte man rund um den Kirchplatz ein geschlossenes Ensemble mit vielen neuen Büros.
„Es zeichnet sich ab, dass auch das Dekantsbüro nach Wieblingen ziehen wird“, ergänzt Pfarrer Brandt. Das Dekanat Heidelberg-Weinheim ist heimatlos, seit der Dekanatsrat einen Umzug ins neue Haus der Begegnung bei der Heidelberger Jesuitenkirche abgelehnt hat. Die Räte fanden die Miete in der Heidelberger Altstadt zu teuer. In Wieblingen kostet der Büroraum nur etwa die Hälfte. „Die Zusammenarbeit mit diesen diözesanen Einrichtungen stärkt den kirchlichen Standort St. Bartholomäus“, findet Johannes Brandt.
Wird die Alte Kirche zum Kolumbarium?
Der Denkmalschutz dürfte mit all diesen Plänen kein Problem haben. St. Bartholomäus stammt aus dem Jahr 1956 und „ähnelt einer ganzen Gruppe in den fünfziger Jahren erbauten Kirchen“, urteilt Hans Gercke. Der ehemalige Vorsitzende des Heidelberger Kunstvereins hat jetzt im Ruhestand ein kenntnisreiches Buch über die „Kirchen in Heidelberg“ geschrieben. „Alle diese Bauten aus den fünfziger Jahren haben einen separat stehendem Campanile und einheitliche Saalräume mit schlanken Betonstützen“, schreibt Gercke. „Stahlskelettkonstruktionen gab den Bauten Leichtigkeit und Eleganz.“ Will heißen: Die Wieblinger Kirche ist zwar auf ihre Art recht hübsch. Eine besondere Note fehlt jedoch. Schützenswert könnten höchstens die Lichtfelder aus farbigem Glas von Emil Wachter sein.
Völlig anders stellt sich die Situation für die alte Wieblinger Kirche in der Mannheimer Straße dar. Das Barockkirchlein mit der geschweiften Fassade aus dem Jahr 1746 ist unbedingt schützenswert und aus dem Ortsbild von Wieblingen nicht wegzudenken. Ästheten schmerzt es bis heute, dass man 1970 die einschiffige Saalkirche zwecks Straßenverbreiterung einfach um eine Achse verkürzt hat.
Wofür die alte Kirche genutzt werden kann, sobald Erzbischof Zollitsch sie profaniert hat, ist derzeit völlig offen. Pfarrer Johannes Brandt spielt vage mit der Idee eines Kolumbariums, einer Grabkammer für Urnen. Tatsächlich liegen Kolumbarien im Trend. Überall in Deutschland werden Kirchen, die nicht mehr als Gottesdiensträume gebraucht werden, in Urnengrabstätten umgewandelt. Die Nachfrage ist groß. Im Rhein-Neckar-Raum gibt es noch kein solches Kolumbarium.