Der Neue

Ein Hesse an der Spitze: Professor Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh

Er ist viel rumgekommen in den letzten Monaten. Von Wertheim bis Lörrach, von Adelsheim-Boxberg bis Konstanz hat Jochen Cornelius-Bundschuh systematisch alle 26 Kirchenbezirke der evangelischen Landeskirche von Baden abgeklappert. Um sich vorzustellen und um zu erfahren, welche Nöte seine künftigen Schützlinge umtreiben. Die Ausflüge haben den neuen Landesbischof nachdenklich gemacht: „Es ist alles unheimlich unterschiedlich.“ 

In Mannheim kämpft man gegen Armut und Verwahrlosung. Auf dem Land haben die Dörfer oft nicht einmal mehr ein Zentrum. Viele Welten. Wie allen gerecht werden? „Meine eigentliche Aufgabe wird sein“, überlegt Cornelius-Bundschuh, „den jeweils anderen dazu zu bewegen, dass er akzeptiert, dass Vielfalt heißt, Unterschiedliches zu machen.“ Am 1. Juni 2014 wurde Professor Jochen Cornelius-Bundschuh in der Karlsruher Stadtkirche in das Amt des Landesbischofs von Baden eingeführt.

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„Nicht der Bischof bestimmt die Richtlinien sondern die Synode“: Die Segnung

Ein Jahr ist es jetzt her, seit die Landessynode den Leiter der Abteilung „Theologische Ausbildung“ beim Oberkirchenrat zum Nachfolger von Ulrich Fischer bestimmt hat. Jochen Cornelius-Bundschuh hatte also Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er künftig die Geschicke der badischen Protestanten leitet. Einspruch. In der evangelischen Kirche, sagt Cornelius-Bundschuh, gehe es nicht zu wie in der Politik. Nicht der Bischof bestimme die Richtlinien sondern die Synode. „Das ist evangelisch. Damit kann ich. Dazu stehe ich.“ Der Bischof, definiert Jochen Cornelius-Bundschuh, sei verantwortlich für ein gutes Gesprächs- und Arbeitsklima in der Landeskirche.

„Die Heidelberger Jahre waren eine schöne Zeit“

Eine Aufgabe, wie maßgeschneidert für den 56-Jährigen gebürtigen Hessen. Jochen Cornelius-Bundschuh gilt als elegant, besonnen, feinfühlig und stets liebenswürdig. Er kann sich Namen und Lebensgeschichten gut merken und hat die Fakten auch nach Monaten parat. Heftige Worte sind von ihm bislang nicht überliefert. Dem hochgewachsenen Theologie-Professor genügt ein scharfer Blick, um seine Missbilligung auszudrücken.

Die Synodalpräsidentin übergibt das Bischofskreuz

In Fulda ist Jochen Cornelius aufgewachsen. Er habe „mit Freude“ Theologie studiert, sagte er bei seiner Vorstellung vor der Wahl. Das Studium führte Cornelius nach Tübingen, Schottland und Göttingen, wo er auch promoviert hat. So jedenfalls lautet die offizielle Version. In Wirklichkeit hat Jochen Cornelius-Bundschuh seine Doktorarbeit über die „Gottesdienstreformen in einer sich verändernden Welt“ Ende der Achtzigerjahre in Heidelberg geschrieben, wo seine spätere Frau Ulrike Bundschuh Theologie studierte. Das Pärchen wohnte in Kirchheim. „Die Heidelberger Jahre waren eine schöne Zeit“, blickt Jochen Cornelius-Bundschuh zurück.

Sechs klassische Gemeindejahre erlebten die Bundschuhs im hessischen Fuldabrück. 2001 wechselte die Familie nach Hofgeismar, wo Jochen Cornelius-Bundschuh das Predigerseminar der Kurhessischen Kirche leitete. Es galt, Führungsqualitäten zu beweisen. Das schlossartige Anwesen war völlig heruntergekommen und musste von Grund auf saniert werden. Zugleich sollte statt eines subventionierten Hauses in ein wirtschaftlich stabiles Seminarzentrum entstehen. Beides ist Cornelius-Bundschuh offensichtlich gelungen. Als er nach acht Jahren Hofgeismar verließ, hatte er nicht nur 200 Vikare ausgebildet, sondern auch ein modernes Aus- und Weiterbildungszentrum geschaffen

Die drei Kinder sind ausschließlich in Pfarrhäusern aufgewachsen

Seit 33 Jahren ein Paar: Ulrike Bundschuh und Jochen Cornelius-Bundschuh

Die drei Kinder des Ehepaars Cornelius-Bundschuh sind inzwischen alle erwachsen und ausschließlich in Pfarrhäusern aufgewachsen. Was ihnen gut getan hat, findet der neue Landesbischof. „Die Tür eines Pfarrhauses steht immer offen. Trauer, Armut und Arbeitslosigkeit werden für die Kinder früh konkret.“ Der ältere Sohn studiert Disaster-Management, die Tochter Jura. Der Jüngste macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr in Jerusalem. „Er überlegt, ob er danach vielleicht Theologie studiert“, freut sich der Vater.

Nach Nordbaden wechselte die Familie Bundschuh aus familiären Gründen. Karlsruhe ist die Heimatstadt von Ulrike Bundschuh. Ihr Vater, ein ehemaliger Bundesrichter, lebt allein, und sie wollte sich um ihn kümmern. Dass sie fünf Jahre später als First Lady an der Seite des Bischofs die Badische Landeskirche repräsentieren würde, hätte Ulrike Bundschuh nicht im Traum gedacht. Doch die Wahl ihres Mannes hat nicht nur erfreuliche Seiten für Pfarrerin Bundschuh. Um jeder Idee einer Vermischung von Beruflichem und Privatem zuvor zu kommen, hat sie ihre Stelle in Karlsruhe-Durlach aufgegeben. Ulrike Bundschuh unterrichtet jetzt Religion an zwei Berufsschulen.

Die größte Baustelle: Der Gebäudebestand

Ein Bischof mit Ambitionen: Kirche als Korrektiv der Gesellschaft

Zwölf Jahre wird Jochen Cornelius-Bundschuh die evangelische Landeskirche von Baden führen. So Gott will. Er übernimmt ein stabiles Gebilde. Die Finanzen wurden in der Ära Fischer nachhaltig geordnet, die Personaldecke ist gut. „Es gibt hier im Südwesten noch viele Arbeitsplätze“, sagt Cornelius-Bundschuh. Das sei für die Pfarrerinnen und Pfarrer wichtig, weil ihre Partner leicht einen neuen Job finden. Die größte Baustelle der Badischen Landeskirche ist die Reduzierung des Gebäudebestands. „Das ist nicht unbedingt mein Lieblingsthema“, gibt Jochen Cornelius-Bundschuh zu. „Aber eine Volkskirche braucht klare, zukunftsfähige Strukturen. Ich habe in Hofgeismar erlebt, dass wir liebgewordene Bestände aufgeben mussten, damit Neues, Zukunftsfähiges entstehen kann.“

Verdichtung heißt die Devise. Verkauf der Gemeindehäuser, Integration der Gemeinderäume in die Kirchen. „Als wir in den Siebziger Jahren so viel gebaut haben, hat niemand die Bauunterhaltung einberechnet“, erklärt der künftige Landesbischof. „Das müssen wir jetzt korrigieren.“ Die Kirchen sollen, so es irgend geht bleiben und umgebaut werden. Über etwaigen hohen Kosten macht sich Jochen Cornelius-Bundschuh keine Sorgen. „Wir können das heute aus einer wirklich guten finanziellen Situation heraus machen. Warten wir zwanzig Jahre, können wir das nicht mehr.“

Vorbild für die Kirchenräume der Zukunft?
Die Diakoniekirche in Mannheim

Auch die meisten Pfarrhäuser würde Jochen Cornelius-Bundschuh gern behalten. Vielleicht weil er in Durlach am eigenen Leib verspürt hat, wie unangenehm und teuer es ist, wenn eine Pfarrersfamilie zur Miete wohnt. „Wenn wir die Pfarrhäuser aufgeben, werden wir in den Großstädten nur noch Singles auf den Kanzeln haben und die Familien gehen alle aufs Land“, warnt der neue Landesbischof. Zudem seien die Pfarrhäuser wichtige Anlaufpunkte für Rat- und Hilfesuchende.

Vor jedem Verkauf müsse man sich überlegen, wie die Pfarrerin oder der Pfarrer verlässlich erreichbar ist. „Vielleicht kann man das Büro des Pfarrers in der Kirche unterbringen, so dass immer jemand für Gespräche zur Verfügung steht.“ Die Diakoniekirche in Mannheim, findet Cornelius-Bundschuh, sei hierfür ein gutes Vorbild. Der Architekt hat dort gläserne Büros geschickt in einen typischen Behaghel-Kirchenraum von 1910 eingefügt. Cornelius-Bundschuh: „Auf meiner ganzen Visitation habe ich keine Kirche erlebt, in der tagsüber so viele Leute waren.“

Der neue Landesbischof will die Gesellschaft verändern

Landesbischof

Stets liebenswürdig: Der neue Landesbischof kann sich Lebensgeschichten gut merken

Genug von der Struktur. Professor Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, der neuen Landesbischof von Baden, möchte vor allem eins: Die Gesellschaft verändern. „Der evangelische Glaube hat etwas zu sagen. Wir finden Gehör, wenn wir uns auf unsere geistlichen Grundlagen konzentrieren und mutig in die Lebenswelt aufbrechen“, betont der 56-Jährige. Was ist der Mensch? Wann darf man Sterbehilfe leisten. Was ist mit Präimplantationsdiagnostik (PID)? Schwierige Fragen, auf die es keine einfachen Antworten geben kann. „Wir müssen aufpassen, dass da nicht ein Muster entsteht“, warnt Cornelius-Bundschuh. „Viele Leute sagen: Ich bin zwar evangelisch, aber über diese Themen rede ich mit meiner Kirche nicht. Da weiß ich ja schon vorher, dass man das alles nicht darf.“ Oder die Friedensethik. „Ich wäre stolz, wenn wir noch klarer als Kirche erkennbar wären, die wirklich etwas tut zur Versöhnung.“

Wachwechsel im „roten Haus“: Der Oberkirchenrat in der Karlsruher Blumenstraße

Ein wirkliches Herzensanliegen ist dem Bischof der Kampf gegen die Segmentierung unserer Gesellschaft. Die Schichten driften auseinander. „Immer seltener begegnen sich Arme und Reiche, Gebildete und weniger Gebildete.“ Hier eine Gegenbewegung einzuleiten, hält der neue Landesbischof für eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche. „Die Konfirmandenzeit ist das beste Gegenbild“, findet Cornelius-Bundschuh. Jugendliche, die eigentlich schon seit drei Jahren nichts mehr miteinander zu tun haben, machen wieder etwas zusammen. „Ich staune immer, wie ernsthaft sie das Beten erproben und mit welchem Schwung sie sich für Schwächere engagieren.“

Das „Evangelium kommunalisieren“ nennt der neue Bischof seine Vision von Kirche. Die Gemeinden kooperieren mit den Schulen. Der Besuchsdienst geht in die Häuser, begrüßt die Zugezogenen oder kümmert sich gezielt um die Dreißigjährigen. „Empirische Studien zeigen, dass die Kirche in den Zuzugsgebieten um die Städte herum wächst“, betont Cornelius-Bundschuh. Es gibt einen Mittagstisch für Einsame und Bedürftige. Das Gemeindefest ist ein Fest mit allen Vereinen. „Das Evangelium sollte in der Lebenswelt ankommen. Da gehört es hin.“

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