Es gibt zu viele Kirchen im Land

Martinskirche
Die Mannheimer Martinskirche. Der neue Kirchenraum segelt wie ein Schiff dahin.

Die Badische Landeskirche besitzt zu viele Gebäude. Viel zu viele. 2800 evangelische Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser verzeichnet die Inventarliste. Teilt man das durch 677 Gemeinden, dann kommt man auf drei und mehr Häuser vor Ort. Ein Luxus, den sich die Landeskirche in Zeiten rückläufiger Mitgliederzahlen nicht mehr leisten kann.

Bis 2025 muss daher jeder Kirchenbezirk seine Immobilienkosten um 30 Prozent senken. „An den Abriss oder Verkauf von Kirchen denken wir nur in letzter Not“, versprach Oberkirchenrat Stephan Werner bei der Vorstellung des Liegenschaftsberichts in Mannheim. Stattdessen sollen die Gemeinderäume in die Kirchen integriert werden.

Betonkirchen entsprechen nicht mehr dem Zeitgeschmack. Einfach platt machen darf man sie trotzdem nicht.

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Oberkirchenrat Stefan Werner (l.) und der Mannheimer Dekan Ralph Hartmann.

Es war natürlich der Bauboom der Sechziger- und Siebzigerjahre, der der Badischen Landeskirche jetzt das Immo-Problem beschert. Der Weltkrieg hatte die Menschen fromm gemacht, das Wirtschaftswunder lieferte das nötige Kleingeld für den flächendeckenden Bau von Betonkirchen. Allein in Mannheim entstanden zwischen 1959 und 1969 fünfzehn evangelische Gotteshäuser aus Sichtbeton. Das ist fast die Hälfte aller protestantischen Kirchen in der Quadratestadt. Hinzu kamen je ein Gemeinde- und Pfarrhaus sowie ein Kindergarten. Alles aus Beton.

Heute entsprechen all diese Nachkriegskirchen nicht mehr dem Zeitgeschmack, sie sind zu groß und stark renovierungsbedürftig. Einfach platt machen, darf man sie trotzdem nicht. „Die Gemeindeglieder hängen an ihren Kirchen“, sagte Oberkirchenrat Werner in Mannheim. „Viele erinnern sich noch daran, wie sie gebaut wurden.“

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Die Gemeinderäume bilden jetzt in Martin das Fundament für den Kirchenraum.

Also umbauen. Was allerdings auch auf Gegenwehr stößt. Eine Veränderung des gewohnte Kirchenraums, erzeuge „eine Drucksituation“, formulierte Werner. Fünf bis acht Jahre dauere es schon, bis ein Umbauprojekt realisiert werden kann, sagte Ralph Hartmann, der evangelische Dekan von Mannheim

Das Mannheimer Modell: Zwei Kirchen wurden abgerissen, zwei verkauft, zwei wunderschön umgebaut

Hartmann spricht aus Erfahrung. Der Kirchenbezirk Mannheim trennt sich schon seit Jahren von Gebäuden. Weil das Geld fehlt. „Wir hatten einen Sanierungsstau in zweistelliger Millionenhöhe“, erinnerte sich der Dekan. Die bisherige Bilanz: Zwei Kirchen wurden abgerissen, zwei verkauft, Trinitatis wird künftig in Kooperation mit der Stadt von einem Tanztheater genutzt. „Und das ist noch lange nicht das Ende“, erklärte Dekan Hartmann.

Die Philippuskirche in Käfertal: In einer Glaskabine schwebt der Saal

In Mannheim kann man aber auch betrachten, wie die Zukunft der evangelischen Kirchen aussieht. Die Philippusgemeinde in Käfertal und die Martinsgemeinde in Rheinau haben ihre Gemeindehäuser verkauft und die Gemeinschaftsräume in die Kirchen eingebaut. Wunderschön ist das geworden. In Philippus schwebt der Gemeindesaal jetzt in einer Glaskabine über dem Kirchenraum, während im Gartengeschoss die Kindergartenkinder spielen. In Martin dienen die Gemeinderäume als Fundament für den neuen Kirchenraum, der nun wie ein Schiff unter dem dreieckigen Kirchendach dahinsegelt. Luftig, hell, modern, frei.

In Neuostheim entsteht die erste ökumenische Kirche, die Protestanten und Katholiken gemeinsam nutzen

Mehr als eine Million Euro hat die „neue“ Martinskirche gekostet. Das ist mehr, als man für das Gemeindehaus erlöst hat. Geht sparen nicht anders? Die Landeskirche habe das Liegenschaftsprogramm bewusst auf der Ebene der Kirchenbezirke und nicht bei den Gemeinden angesiedelt, erklärte Oberkirchenrat Stephan Werner. Jeder Kirchenbezirk könne frei entscheiden, wo er investieren und wo er abbauen will. „Eine einheitliche Lösung gibt es nicht.“

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Die Martinskirche: Betonkirchen darf man nicht einfach abreißen. Sie werden geliebt.

Wohl aber Tipps. Der wichtigste lautet: „Allianzen bilden“ (Werner). So können beispielsweise Einrichtungen der Diakonie oder Kindergärten in die Kirchen integriert werden. Kooperationen mit Kulturveranstaltern sind möglich. Ja, die Landeskirche kann sich sogar vorstellen, Kirchen im ländlichen Bereich zu Dorfgemeinschaftshäusern weiterzuentwickeln.

Und Mannheim denkt noch einen Schritt weiter voraus. Im Stadtteil Neuostheim entsteht derzeit die erste ökumenische Kirche, die von Protestanten und Katholiken gemeinsam genutzt wird.

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