Rückkehr in „Gottes eigenes Land“

Schwester Joicy tat sich anfangs sehr schwer mit der Kälte in Deutschland

Wehmut in Heidelberg-Wieblingen: Schwester Joicy Parambeth, seit mehr als einem Vierteljahrhundert das Herz der Katholischen Sozialstation Heidelberg-Süd, kehrte Ende Januar  2017 endgültig nach Indien zurück. 27 Jahre lang hat sich die Karmelitin mit den stets warmen Händen liebevoll um kranke, alte und sterbende Menschen gekümmert.

Entsprechen groß wird die Lücke sein, die Schwester Joicy – sie feierte vor kurzem ihren 60.Geburtstag – hinterlässt. Auch ihr wird Heidelberg fehlen, gesteht die indische Schwester, die den kleinen Konvent in der Kreuzstraße geleitet hat. Doch einen Trost gebe es: „Es wird eine neue indische Schwester nach Wieblingen kommen.“

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Die Besuche ihre Oberin waren Highlights für die indischen Schwestern in Heidelberg

Es war ein dunkelgrauer Tag im Spätherbst 1989, als Schwester Joicy Maria Parambeth erstmals das Land sah, in dem sie in den kommenden Jahrzehnte leben würde. Den Schock hat sie nie vergessen. „Es gab keine Blumen, keine Pflanzen, keine Blätter. Alle Bäume waren kahl, tot und kaputt“, erinnert sich die Karmelitin aus Ernakulam am Indischen Ozean.

In Kerala sinken die Temperaturen selten unter 20 Grad

Von wechselnden Jahreszeiten und von einem Frühling, in dem alles wieder grün wird, hatte sie noch nie etwas gehört. Im südindischen Bundesstaat Kerala sinken die Temperaturen selten unter 20 Grad, das Meer glitzert ganzjährig kristallblau und die Kokospalmen wiegen sich leise im Wind der nahen Bergen. „Gottes eigenes Land“ nennen die Inder Kerala.

Stattdessen jetzt Wieblingen im Winter. Nur zwei indische Karmeltinnen lebten damals im Schwesternhaus. „Eine Notsituation, in der ich aushelfen sollte“, erinnert sich Schwester Joicy. Harte Lehrjahre. Die neue Sprache fiel der jungen Frau schwer. Das Klima nagte an ihr. Vor allem aber fehlte ihr der große quirlige Konvent in Indien. „Ich kam mir vor wie ein Fisch, der aus dem Meer geworfen worden war.“

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Hellblaues Meer, Kokospalmen und nie Winter: Der indische Bundesstaat Kerala

Doch sich mit einer unbefriedigenden Situation abzufinden, ist nicht der Stil der indischen Ordenfrauen. Schwester Joicy protestierte. „Entweder die Gemeinschaft in Wieblingen wird größer oder ich kehre nach Indien zurück.“ Es hat gewirkt. Heute gibt es in der Kreuzstraße einen fröhlichen Konvent mit acht Schwestern.

„Das Ordensleben und mein Beruf haben mich glücklich gemacht“

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Spaß machte Schwester Joicy von Anfang an ihre Arbeit in Deutschland. Aus Indien brachte sie nicht nur eine fundierte Ausbildung zur Krankenschwester, Krankenpflegerin und Hebamme mit, sondern auch schon drei Jahre Erfahrung im Krankenhaus. Nach einem „lockeren“ (Schwester Joicy) Anerkennungsjahr in einer Freiburger Klinik, erhielt sie in allen drei Sparten die volle Zulassung. Sogar ihren indischen Führerschein akzeptierte der Gesetzgeber. Zum Glück.

Denn in Heidelberg wartete eine Überraschung auf die indische Ordensfrau: Sie sollte beim Aufbau der katholische Sozialstation Heidelberg-Süd helfen. Das war vollkommenes Neuland für die junge Schwester. „Ambulante Pflege kennt man in Indien nicht. Dort kümmert sich die Familie um die Kranken und die Alten.“ Die Skepsis hielt nicht lange. Schwester Joicy fand rasch Freude an der neuen Tätigkeit. „Leidenden, armen und einsamen Menschen zu helfen, war schon immer mein Lebensziel. Mutter Teresa mein Vorbild.“

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Die Schwestern und Pfarrer Brandt feiern die 25-jährige Profess von Schwester Deepa

Um der Heiligen von Kalkutta nachzufolgen, war Maria Parambeth mit 17 Jahren in den Karmeliterorden eingetreten. Gegen den Willen der Eltern. Obwohl die Familie sehr katholisch war und noch weitere fünf Kinder hatte, wäre es dem Vater lieber gewesen, wenn seine Tochter geheiratet hätte. Schwester Joicy erzählt es lächelnd. Sie hat ihren Entschluss nie bereut. „Das Ordensleben und mein Beruf haben mich glücklich gemacht.“

Die meisten Patienten hat Schwester Joicy bis in den Tod begleitet.

Wie viele Menschen Schwester Joicy, die sich auf onkologische Krankenpflege spezialisiert hat, in ihren 27 Jahren bei der Sozialstation gepflegt hat, weiß sie nicht mehr. Aber sie sieht die Gesichter der Patienten noch vor sich, die sie meist bis in den Tod begleitet hat. „Das hat mir so viel gegeben. Zu sehen, mit wie viel Geduld die Menschen ihre Krankheit ertragen und sich ohne Angst vorbereiten aufs Sterben.“

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„Die Pünklichkeit und der Frühling werden mir fehlen“, sagt Schwester Joicy.

Über Gott spricht die Ordensfrau mit Patienten selten. Nur, wenn es ausdrücklich gewünscht wird. „Wir haben alle denselben Schöpfer, davon bin ich fest überzeugt. Deshalb begegne ich allen Menschen mit großem Respekt.“

Was sie vermissen wird, daheim am hellblauen Indischen Ozean? Schwester Joicy Maria Parambeth überlegt nicht eine Sekunde: Die Ruhe, die Hygiene, die Pünktlichkeit. „Und den Frühling.“

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