„Da hilft sonst niemand mehr“

Das Diakonische Werk Mannheim hat erstmals eine Doppelspitze

Mannheim ist die größte Stadt Badens – und die schwierigste. Nirgendwo sonst prallen soziale Gegensätze so schonungslos aufeinander wie hier. Da gibt es Weltkonzerne mit Marmorböden, aber auch 22 Prozent Kinderarmut und 12 Prozent Langzeitarbeitslose. Kein Wunder, dass das Diakonische Werk der Quadratestadt das größte in der Badischen Landeskirche ist.

250 Festangestellte, über 200 Honorarkräfte und mehr als 500 Ehrenamtliche mühen sich um die Menschen am Rand. Seit Jahresbeginn steht mit dem Pfarrer Matthias Weber und dem Betriebswirt Helmut Bühler erstmals ein Duo an der Spitze des Diakonischen Werks. Zeit für einen Kennenlernbesuch.

„Wer jetzt noch arbeitslos ist, hat multiple Probleme“

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Helmut Bühler (l.) und Matthias Weber  in der Vesperkirche

Wirtschaftlich ging es Deutschland noch nie so gut wie jetzt. „Wir haben Vollbeschäftigung“, sagt Helmut Bühler, der neue „Kaufmännische Direktor“. „Wer jetzt noch arbeitslos ist, hat multiple Probleme.“ In der Quadratestadt gibt es immer mehr solch schwieriger Fälle. Was ein Warnsignal ist. „Mannheim funktioniert wie ein Seismograph“, formuliert Bühler. „Hier schlagen die Herausforderungen Jahren früher auf als anderswo.“

Sollte das stimmen, dann verändert sich momentan unsere gesamte soziale Landschaft. Es wird immer mehr Menschen geben, deren Problemen viele verschiedene Ursachen haben. Drogen, Internet, Verschuldung, Einsamkeit, Isolation, Verwahrlosung, Alter. „Da hilft sonst niemand mehr“, sagt Bühler. „Da müssen die Kirchen ran.“

Pfarrer findet man selten an der Spitze eines Diakonischen Werks

Aufrüttelnde Worte, die der „Kaufmännische Direktor“ da spricht. Tatsächlich scheint sich das frischgebackene Führungsduo des Diakonischen Werks perfekt zu ergänzen. Helmut Bühler (50) ist eher der zupackende Typ. Er kommt direkt auf den Punkt, hat keine Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen und besitzt außerdem einen unschlagbaren Riecher für Fördergelder. „Wenn es darum geht, neue Töpfe ausfindig zu machen, ist er ein Fuchs“, lächelt Pfarrer Matthias Weber (50).

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Im „Haus der Evangelischen Kirche“ gibt es Berater für jedes Problem

Weber, der neue „Geschäftsführende Direktor“, wirkt sanfter als sein Kollege, was auch an seinem weichen südbadischen Tonfall liegen mag. Matthias Weber war bislang Pfarrer im Markgräfler Land. Er überlegt seine Antworten gründlich und formuliert vorsichtig. Das Stellenangebot in Mannheim sei eine einmalige Chance gewesen, sagt Weber. „Pfarrer findet man selten an der Spitze eines Diakonischen Werks. Meist sitzen hier Sozialarbeiter mit Zusatzqualifikation.“

Das Kerngeschäft eines Diakonischen Werks ist die Beratung. Im „Haus der Evangelischen Kirche“, wo das Mannheimer DW sitzt, gibt es „hochprofessionelle Berater“ (Weber) für jedes nur denkbare Problem. Allerdings fällt es den meisten Ratsuchenden schwer, ihr Grundproblem zu identifizieren. „Unsere Berater können die Problemlage abklären und die Menschen durch den Dschungel der Hilfeleistungen führen“, sagt Helmut Bühler.

„Aus einer Million Euro Kirchensteuer machen wir 14 Millionen“

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Solche Einzelfallberatungen finanziert das Diakonische Werk komplett aus den Mitteln der Kirchensteuer. „Allerdings wären wir schnell am Ende, wenn wir nur so arbeiten würden“, lächelt „Förder-Fuchs“ Bühler. Die Kunst bestehe darin, die Kirchensteuer so einzusetzen, dass sie sich vervielfacht. „Aus einer Million Euro Kirchensteuer machen wir 14 Millionen Euro.“

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Das Diakonische Werk macht keinen Gewinn. Anders als private Unternehmen.

Das Diakonische Werk entwickelt neue Modellprojekte, die eine Kommune interessant finden könnte. Es bewirbt sich auf Ausschreibungen oder durchforstet die Fördermitteltöpfe der EU. Ein mühseliges Geschäft. Zumal die Mitbewerber auch nichts anderes tun. Wenigstens muss das Diakonische Werk keinen Gewinn machen. „Wir sind eine Non-Profit-Organisation. Uns reicht eine schwarze Null.“

Geld wir knapp. Die beiden Direktoren tüfteln auf Hochtouren an Zukunftsmodellen.

Sie dürfte zukünftig um einiges schwieriger zu erwirtschaften sein als heute. Weil die Stadt Mannheim sparen muss und die Einnahmen aus der Kirchensteuer deutlich zurückgehen. Die beiden neuen Direktoren tüfteln daher auf Hochtouren an Zukunftsmodellen. Ihr Lieblingsprojekt heißt „Stiftung Diakonie“ und richtet sich an Menschen, die ihrem Vermögen Gutes tun wollen.

Sie können ihr Geld in eine Stiftung einbringen, deren Zweck und Namen sie selbst bestimmen. „Marie-Müller-Stiftung für minderjährige Mütter.“ Das Stiftungskapital wird so sicher investiert, so dass es auf jeden Fall erhalten bleibt und langfristig eine schöne Rendite abwirft. „Wir denken, dass wir nur in Immobilien investieren, die von der Diakonie genutzt werden.“

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