Was er mit einer Million Euro täte, wurde Christof Heimpel einmal gefragt. „Unter den Armen verteilen würde ich das Geld nicht“, antwortete der katholische Pfarrer sofort. Wohl wissend, dass allein in Heidelberg fast zweitausend Kinder hungrig zu Bett gehen.
Nein, überlegte Heimpel, mit der Million würde er einen Ausbildungsfonds für arme Kinder ins Leben rufen. „Bildung ist das einzige Mittel, mit dem man Armut besiegen kann.“ Dreizehn Jahre lang hat Christof Heimpel als Caritas-Pfarrer für die Rechte der Ärmsten in der Stadt gekämpft. 22 Jahre war er der Seelsorger der Heidelberger Weststadt. Jetzt ist Christof Heimpel überraschend gestorben. Er wurde nur 59 Jahre alt.
„Ich sehe es als meine Aufgabe an, das Thema Armut in unserer reichen Stadt wach zu halten.“
Heidelberg ist ein teures Pflaster. Weshalb hier die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander klafft als anderswo. „Es fehlt eine gesunde soziale Durchmischung“, diagnostizierte Pfarrer Heimpel vor einiger Zeit in einem Interview. Vor allem in den drei Gemeinden, die Heimpel als Seelsorger betreute, prallten die Extreme ungebremst aufeinander. Hier die saturierte Weststadt mit ihren schönen, weitläufigen Wohnungen. Da das Notwohngebiet im Mörgelgewann und die bittere Armut in den Bergheimer Mietskasernen. „Im Kindergarten St. Albert in Bergheim stammen achtzig Prozent der Kinder aus Familien, die keinen Beitrag zahlen können“, berichtete Christopf Heimpel.
Gerade für diese Menschen hat sich der Caritas-Pfarrer zeitlebens stark gemacht. „Ich sehe es als meine Aufgabe an, das Thema Armut in unserer reichen Stadt wach zu halten“, wurde Heimpel nicht müde zu betonen.
Nach zwei Jahren in Jerusalem hatte er die Antwort auf seine Lebensfrage gefunden.
Arzt wollte Christof Heimpel ursprünglich werden. Doch da war der Numerus Clausus vor. Und der Glauben. „Die Kirche hat immer selbstverständlich zu meinem Leben dazugehört“, erinnerte sich der Pfarrer in dem Interview. Religiös seien seine Eltern gewesen, aber nicht konservativ. „Meine Mutter wurde als eine der ersten Frauen in den Pfarrgemeinderat gewählt.“ In dem kleinen Dorf bei Offenburg eine Sensation.
1980 entschied sich der Abiturient aus Mittelbaden für das Freiburger Priesterseminar. Wie schon sein älterer Bruder wollte er testen, ob die Berufung trägt. Der Bruder gab nach drei Semestern auf. Christof Heimpel zog kurz vor dem Examen die Notbremse. Der Student floh erst in ein Sozialpraktikum nach Neuss, dann nach Jerusalem. Zwei Jahre blieb Heimpel im Heiligen Land. Dann sprach er nicht nur fließend Hebräisch, er hatte auch die Antwort auf seine Lebensfrage gefunden. 1989 wurde Christof Heimpel in Freiburg zu Priester geweiht.
Ein kritischer Geist ist er auch als Gottgeweihter geblieben. Ende der 1990er Jahre führte Heimpel eine Gruppe von Priestern an, die dem Bischof den „Treueeid“ verweigerten. Da die katholische Kirche aber nur dann Priestern eine Pfarrei anvertraut, wenn sie Gehorsam schwören, war Christof Heimpel nie offiziell der Weststadt-Pfarrer. Er „verwaltete“ die Seelsorgeeinheit nur „vorübergehend“. Zweiundzwanzig Jahre lang.
Bis zu acht Priestern bevölkerten in manchen Jahren das Pfarrhaus in der Blumenstraße.
„Einfach schrecklich“ fand Christof Heimpel die Vorstellung, ein Leben lang allein in einem Pfarrhaus leben. Deshalb horchte er auf, als Kollegen ihm vom „Oratorium des heiligen Philipp Neri“ in der Heidelberger Blumenstraße erzählten. Das Oratorium ist eine Priestergemeinschaft, die ohne Gelübde zusammenlebt. Wie eine Familie. Mit allen Freuden und mit allem Ärger, die das Zusammenleben mit sich bringen. „Im Oratorium gibt es kein süßliches Friede-Freude-Eierkuchen-Leben“, sagte Christof Heimpel im Interview. Aber das habe er auch nie gesucht. „Leben heißt doch, sich mit Anderen auseinanderzusetzen.“
Bis zu acht Priester bevölkerten in manchen Jahren das geräumige Gründerzeit-Pfarrhaus in der Blumenstraße mit dem romantischen Garten voll Efeu. Einige blieben nur eine Zeitlang und gingen dann wieder ihrer Wege. Christof Heimpel hatte hier seine endgültige Lebensform gefunden, sein Zuhause und sein Vorbild.
„Philipp Neri rebellierte mit viel Humor. Eine seltene Eigenschaft bei einem Heiligen“
Philipp Neri, erzählte der Heidelbeger Priester im Interview, habe im 16. Jahrhundert ebenfalls gegen die Obrigkeit rebelliert, wenn ihm etwas falsch erschien. „Er tat das mit viel Humor. Das ist eine seltene Eigenschaft bei einem Heiligen.“ Wenn er nicht betete, widmete sich Philipp Neri mit ganzer Kraft den Armen und Kranken. Wen wundert es daher, dass in Heidelberg fast alle sozialen Einrichtungen der katholischen Kirche in der West- und der Südstadt angesiedelt sind. „Außerdem haben wir hier von Anfang intensiv die Ökumene gepflegt“, betonte Heimpel im Interview. „Wenn es darum geht, Not zu lindern, muss man Hand in Hand arbeiten.“
Eine der schwierigsten Aufgaben in der Geschichte des Heidelberger Oratoriums war die Übergabe der Gesamtverantwortung von Ludwig Bopp an Christof Heimpel im Jahr 1998. „Normalerweise verlässt ein Seelsorger ja seine Pfarrei, wenn er in Ruhestand geht“, erinnerte sich Heimpel im Interview. Im Fall des Oratoriums kam ein solcher Schnitt natürlich nicht in Frage. Man holte sich professionelle Hilfe ins Pfarrhaus: Eine Supervisorin begleitete ein Jahr lang den Prozess des Loslassens und Zugreifens.
80 Oratorien des Heiligen Philipp Neri existieren heute weltweit. Acht davon in Deutschland. Die Gemeinschaften pflegen zwar engen Kontakt untereinander, es gibt jedoch keine übergeordnete Führung. Seit einigen Jahren war Christof Heimpel der Sprecher der deutschen Oratorien. Eine Rolle, die der Pfarrer sehr ernst nahm. Für die kommende Jahre hatte er sich vorgenommen „noch intensiver Werbung für unsere Lebensform zu machen.“
Doch da hat der Kopf die Rechnung ohne das Herz gemacht. Am Morgen des 25. August 2020 hat es einfach aufgehört zu schlagen.