Asche auf das Haupt der Künstler

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„Bedenke, Mensch, dass du Staub bist“: Dekan Jung und Erzbischof Burger

Eine Frau liegt nackt auf der Straße. Es ist früher Morgen. Vögel zwitschern, Autos werden gestartet. Die Frau kauert sich zusammen, sucht Wärme und Schutz. Sucht Gnade.

Die Videoinstallation der Wiener Künstlerin Barbis Ruder ist eines von siebzehn Werken, die es in die Endrunde des Kunstpreises der Erzdiözese Freiburg geschafft haben. Den sperrigen Begriff der „Gnade“ galt es zu interpretieren. Welche provokanten Assoziationen den Künstlern dazu eingefallen sind, konnte man Anfang des Jahres 2015 im Zeughaus der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen betrachten.

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Der Aschermittwochsritus gefiel den Künstlern. Wegen der Haptik und der Symbolkraft.

Hierhin hatte auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger zu einem „Aschermittwoch der Künstler“ geladen. Der Tag begann mit einem Gottesdienst in der Jesuitenkirche, bei dem Burger den Gläubigen und den Künstlern das traditionelle Kreuz aus Asche auf die Stirn zeichnete: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.“ Ein passender Einstieg in die Auseinandersetzung mit moderner Kunst.

Die Asche staubt und juckt.

Der Aschermittwoch ist einer der sinnlichsten katholischen Feiertage. Die Asche, mit der das Kreuz auf die Stirn gezeichnet wird, gewinnt man nach uralter Tradition durch das Verbrennen der geweihten Palmzweige des Vorjahres. Die Asche ist sehr real, staubt, juckt und hinterlässt graue Spuren auf dem Hemd. Was den angereisten Kunstschaffenden ausgesprochen gut gefallen hat. Wegen der Haptik und der Symbolkraft. „Der Aschermittwoch fordert uns auf, neu nachzudenken, was wichtig ist in unserem Leben“, sagte Erzbischof Stephan Burger. Er trug in Mannheim eine reinweiße schmucklose Mitra als Zeichen dafür, dass die „vierzig Tage der Umkehr und Buße“ begonnen haben.

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„Gott will keinen Zwang sondern Freiheit“, sagte Stephan Burger.

Gnade also. Ein schwieriger Begriff. Eigentlich hohe Theologie. Heutzutage wird er meist nur noch in der negativen Form verwendet: gnadenlos. Für Erzbischof Burger besteht die größte Gnade, die Gott den Menschen erweist, darin, dass er ihnen ihre Freiheit lässt. Einen besseren Beweis für die Größe Gottes gebe es nicht, sagte Burger. „Nicht Zwang, nicht Marionetten, nicht Kleingeisterei will Gott, sondern die Würde der menschlichen Freiheit.“ Angesichts der Lage in der Welt sei das „gesellschaftspolitisch hochbrisant“. Christen dürfe es niemals darauf ankommen, „welches Geschlecht ich habe, welche Hautfarbe ich besitze, aus welchem Kulturkreis ich komme, welche Sprache ich spreche oder wie viel ich an materiellen Gütern besitze. Wir haben alle die gleiche unveräußerliche Würde vor Gott.“ Lampedusa lässt grüßen.

Brave katholische Kunst suchte man vergebens

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Der Rettungsring entpuppt sich als Dornenkrone.

Auf den ersten Blick erkennt man einen Rettungsring. Er ist schockorange, wie solche Rettungsteile eben sind. Doch beim zweiten Hinsehen fröstelt es den Betrachter. Der vorgebliche Rettungsring ist aus Stacheldraht gebunden. Wie die Dornenkrone Christi. An solch einem Rettungsring kann sich niemand festhalten. „Festung Europa“ überschreibt Nikodemus Löffl aus Wartenberg in Bayern seine Installation.

Die Gnadenlosigkeit gegenüber den Flüchtlingen thematisierten viele der 784 Arbeiten, die für den Kunstpreis der Erzdiözese eingereicht wurden. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben.

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Eine nackte Frau kauert auf der Straße. Keine Gnade, nirgends.

Das Verfahren war völlig offen, jeder konnte sich bewerben. 17 Arbeiten kamen in die Endrunde. Sie sind alle provokant. Brave katholische Kunst sucht man vergebens.

Zwei voneinander abgeschlossene Räume?

Er finde das gut so, sagte Erzbischof Stephan Burger. „Kunst kann theologische Fragen neu und akzentuiert aufgreifen“ und dadurch die Kirche „zum Nachdenken über ihre eigenen Glaubenswurzeln“ anregen. Ein tapferer Ansatz. Denn Kunst und Kirche, das zeigte die anschließende Podiumsdiskussion im Zeughausmuseum sind so einfach nicht kompatibel. Oder, wie die Künstlerin Ruth Loibl aus Rheinfelden formulierte. „Sie existieren in zwei voneinander abgeschlossenen Räumen.“

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Eine aufgeklappte Stehleiter balanciert auf einem Ei. Gnade? Eine wackelige Sache.

Wir sehen eine aufgeklappte Stehleiter. Ihr rechter Vorderfuss balanciert auf einem rohen Ei. Oben am Bügel hängt eine blutrote „Herz-Jesu“ Reliquie. So interpretiert der Schweizer Künstler Hans Thomann „Gnade“. Eine wackelige Angelegenheit. Die Chance, aus eigener Kraft wohlbehalten beim Herzen Jesu anzugelangen, ist ausgesprochen gering.

Die Entscheidung über den Kunstpreis der Erzdiözese fiel im August 2015 in Radolfzell. Gewonnen hat die Videoinstallation von Barbis Ruder.

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