Der Pfarrer mit der magischen Stimme

Johannes Brandt, der Leiter der Stadtkirche Heidelberg, feierte Silbernes Priesterjubiläum.

Es gibt da diesen magischen Moment zu Beginn jedes Gottesdienstes, den Johannes Brandt zelebriert. Die Orgel intoniert das Eingangslied, die Gemeinde greift zum Buch – und lässt es sofort wieder sinken. Weil sie der Stimme des Pfarrers lauscht. Johannes Brandt singt wie ein Operntenor. Kräftig und elegant, hell und glasklar. Früher hat er auch Konzerte gegeben, aber dafür ist jetzt kein Zeit mehr.

Seit 2020 trägt Brandt als leitender Pfarrer die Verantwortung für 34000 Katholiken in Heidelberg und Eppelheim. Ein Knochenjob. Ein Rund-um-die-Uhr-Job. Ein Job, den er sich so sicher nicht gewünscht hat, als er 1998 in Freiburg zum Priester geweiht worden ist. Vor genau 25 Jahren. Jetzt feierte Johannes Brandt in der Heidelberger Jesuitenkirche sein Silbernes Priesterjubiläum. 

„Der Verlust an Glaubwürdigkeit, den die katholische Kirche erlitten hat, ist kaum wieder gut zu machen.“

Die Heidelberger Jesuitenkirche ist die „Hauskirche“ des Jubilars.

Das Erzbistum Freiburg durchläuft derzeit die schwierigste Phasen seines Bestehens. Der Priestermangel ist eklatant. Die neuen Pfarreien, die deshalb gebildet werden, sind riesig. Und jetzt liegt auch noch der Bericht über die vertuschten Missbrauchsfälle vor. Als Verantwortliche werden benannt die Erzbischöfe Saier und Zollitsch. Oskar Saier hat Johannes Brandt zum Priester geweiht. Mit Robert Zollitsch hat der Heidelberger Pfarrer bis August 2008 im Freiburger Priesterseminar eng zusammengearbeitet. 

Brandt war damals Rektor des Einführungskurses für neue Priesterstudenten. Von dem Missbrauchsskandal, sagt Brandt, habe er nicht das Geringste geahnt. „Ich war sprachlos, als ich den Bericht gelesen habe.“ Der Verlust an Glaubwürdigkeit, den die katholische Kirche durch das Verhalten der Bischöfe erlitten hat, ist kaum wieder gut zu machen, fürchtet Brandt. „Das einzige, was ich noch tun kann, ist, selbst glaubwürdig zu leben und hier in Heidelberg absolut transparent zu agieren.“

Der Heidelberger Stadtpfarrer traut gern, …

Als der kleine Johannes Brandt sieben Jahre alt war, starb völlig überraschend sein Vater an einem Herzinfarkt.

In Eschweiler im Rheinland, einer Kleinstadt bei Aachen, wo man Kohle über Tage abbaute, ist Johannes Brandt auf die Welt gekommen. 1964. Er war das jüngstes von fünf Kindern, zwei Mädchen und drei Buben. Der Vater war Beamter, die Mutter engagierte sich in der katholischen Pfarrgemeinde. „Evangelische Kirchen gab es bei uns nicht“, lächelt der Pfarrer.

1971 starb völlig überraschend sein Vater an einem Herzinfarkt. Der kleine Johannes war sieben, seine Mutter 43. Erst später habe er ermessen können, welch eine Leistung sie in diesen Jahren vollbracht hat, sagt Brandt. „Sie hatte nur ihre Witwenrente, und trotzdem haben alle fünf Geschwister studiert.“

Die Pfarrgemeinde wurde zum Wohnzimmer der Brandts. Johannes ging so gern in die Kirche, dass er sich ein Leben als katholischer Priester durchaus hätte vorstellen können. Wäre da nicht der Zölibat gewesen. „Der hat mich als jungen Mann schon abgeschreckt.“ 

… und er steigt an Fasching gern in die „Bütt“.

Heute entdeckt der Heidelberger Pfarrer die Musik zunehmend als Instrument der Verkündigung.

Weshalb sich Brandt nach dem Abitur für zwei Jahre bei der Bundeswehr verpflichtete. Dann zog es Brandt nach Konstanz, wo er Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften studierte. Die katholische Stadt am Bodensee passte zu dem Studenten aus dem Rheinland. Brandt fasste rasch Fuß sowohl in der Hochschul- wie auch in der Pfarrgemeinde. Und er nahm Gesangsunterricht, spielte Orgel und lernte Cello. „Musik hat in meiner Familie immer eine große Rolle gespielt. Mein älterer Bruder ist Opernsänger in Basel, meine Schwester Musiklehrerin.“ Heute entdeckt Brandt die Musik zunehmend als Instrument der Verkündigung. „Konzerte locken andere Menschen in die Kirche als Gottesdienste.“

Und noch eine entscheidende Weiche wurde in Konstanz gestellt: Johannes Brandt trat in die katholische Studentenverbindung ein, in der er bis heute aktiv ist. „Ich habe die Verbindung immer als einen Ort erlebt, an dem ich Freundschaften jenseits meines eigenen Faches schließen konnte“, begründet Brandt. „Aber dass die Welt der Verbindungen nicht allen zugänglich ist, ist mir vollkommen klar.“ 

Brandts Bewährungsprobe war die Bildung der „Seelsorgeeinheit Eppelheim“ mit drei Gemeinden.

Christkönig in Eppelheim ….

1991 der Studienabschluss in Konstanz. Jetzt stand einem Wechsel ins Controlling nichts mehr im Weg. Siemens hatte schon Interesse signalisiert, doch Brandt zögert. In Konstanz, wo er enge Verbindungen zum Münsterdekan geknüpft hatte, war die Leidenschaft für Liturgie und Seelsorge wieder aufgeflammt. Er war jetzt 27. Eine weitere Chance, Gottes Ruf zu folgen, würde es nicht mehr geben. Brandt packte seine Siebensachen und fuhr nach Freiburg. Am 17. Mai 1998 wurde er zum Priester geweiht.  

Es folgten Stationen am Seminar für Spätberufene und am Freiburger Priesterseminar. Dann wollte Brandt endlich raus in die Seelsorge. Der junge Priester landete in Eppelheim. 2008. „Ich kannte die Kurpfalz vorher überhaupt nicht, habe mich hier aber schnell wohlgefühlt.“

… war Brandts erste Station.

Die erste Aufgabe des neuen Pfarrers bestand darin, die katholischen Gemeinden von Eppelheim, Wieblingen und dem Pfaffengrund zu einer Seelsorgeeinheit zusammen zu schweißen. „Das war nicht einfach, weil sich jeder nur für seinen eigenen Kirchturm interessiert hat. Aber ich glaube, es ist trotzdem gut gelungen.“ 

Dann kam die große Stadtkirche Heidelberg mit 34000 Gläubigen.

Nie hätte Brandt gedacht, dass dieser knifflige Zusammenschluss nur eine Fingerübung sein würde für die Bildung der Stadtkirche Heidelberg. Sie kam 2015. Und machte aus zwölf Gemeinden eine einzige Pfarrei. Johannes Brandt leitet sie seit 2022 zusammen mit Dekan Alexander Czech. Wirkliche Nähe zwischen Seelsorgern und Gläubigen ist in solchen Größenordnungen kaum noch möglich. Was man früher „kirchliche Sozialisation“ genannt habe, gebe es heute nicht mehr, bedauert Johannes Brandt. Seit Corona und dem Missbrauchs-Skandal befinden sich zudem Mitgliederzahlen der Stadtkirche im Sturzflug. Wie soll das weitergehen?

Die Investitur als Stadtpfarrer durch Generalvikar Axel Mehlmann.

„Die Zeiten der Volkskirche sind endgültig vorbei“, diagnostiziert Johannes Brandt. Was aber keinesfalls bedeute, dass der Glauben zunehmend verdunstet. Im Gegenteil. „Kirche wird künftig kleinere Kreise bilden, so etwas wie Glaubenszellen“, prophezeit Brandt.

Wo gibt es in Heidelberg einen Ort, an dem Familien mit Kindern ihren Platz haben? Wo hat die Kirchenmusik eine besondere Qualität? Wo wirkt ein feuriger Prediger?„Solche Orte lebendigen Glaubens aufzuspüren und sie zu pflegen, darin sehe ich künftig meine wichtigste Aufgabe“, sagt Pfarrer Johannes Brandt. Und er sieht aus, als würde er sich tatsächlich darauf freuen. 

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