Irgendein Körnchen Gold findet Stephan Sailer immer. Mag die Situation auch noch so verfahren sein. „Als ich mein Studium begonnen habe, hatte noch jedes Dorf seinen Pfarrer“, erinnert sich der katholische Priester, Jahrgang 1970. Heute müssen sich die beiden Pfarrer der Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg schon um fünf Gemeinden mit acht Kirchen kümmern. Und ab 2026 werden die Einheiten noch größer.
Stephan Sailer trägt es lächelnd: „Ich freue mich, dass ich all diese Entwicklungen miterleben durfte.“ Jetzt feierte der leidenschaftliche Seelsorger von der Bergstraße sein silbernes Priesterjubiläum.
Ein Bauernhof am Fuß des Hohenstoffeln im Hegau. Vier Kinder, viele Kühe, viel Arbeit. In solch überschaubaren Verhältnissen ist Stephan Sailer aufgewachsen. Es war eine Jugend in enger Verbundenheit mit der Natur und mit der katholischen Kirche. Protestanten kannte man in Binningen nur vom Hörensagen.
Schon als Schüler war die Kirche seine zweite Heimat. Der Berufswunsch kam für niemanden überraschend.
„Nach der Erstkommunion wollte ich unbedingt Ministrant werden“, erinnert sich der Wallfahrtspfarrer von Leutershausen. „Es hat nicht lange gedauert, dann war die Kirche für mich die zweite Heimat.“ Besonders gern kümmerte sich der Gymnasiast um die Ministranten und die Sternsinger. „Ich bin sehr froh, dass die Sternsinger auch in Weinheim-Hirschberg so zahlreich sind.“
Dem Pfarrer von Binningen gefiel das Engagement des Gymnasiasten natürlich sehr. Immer häufiger erzählte er ihm von seinen Erlebnissen als Missionar in Afrika. Und manchmal durfte Stephan auch zuhören, wenn Missionare aus der ganzen Welt im Pfarrhaus zu Besuch waren. „Das war mein erster Blick über den Tellerrand des Dorfes hinaus.“
Es kam für niemanden überraschend, als Stephan Sailer nach dem Abitur den Wunsch äußerte, ins Freiburger Priesterseminar einzutreten. „Ich war mir nicht ganz sicher, ob das wirklich der richtige Weg ist. Aber ich wollte diese Erfahrung zumindest gemacht haben.“
Als Einzelkämpfer hat sich Sailer nie verstanden. Er schätzt den Rat der Gemeinschaft.
Das Collegium Borromaeum in Freiburg war 1989 noch eine heile katholische Welt. „Wir waren über 30 Studienanfänger“, erinnert sich Sailer. „Da ging es lebendig zu. Viele haben sich engagiert und eingebracht. Und die Zahl der Priesterweihen war so hoch, dass man sie auf zwei Gottesdienste verteilen musste.“
Dann das obligatorische Auslandsjahr. Stephan Sailer aus Binningen wählte Paris und stand plötzlich mittendrin in einer völlig anderen Welt. Die Kirche in Frankreich erhält keine Kirchensteuer und muss daher sehen, wie sie über die Runden kommt.
„Ich wohnte in einer WG am Rande der Stadt, wo ich der einzige Deutsche war. Und studierte an einer Jesuitenhochschule zusammen mit Studenten aus Afrika und aus Südamerika“, erzählt Sailer mit leuchtenden Augen. „Das war eine unglaublich spannende Zeit. Sie ging viel zu schnell vorbei.“
Nach Paris war sich der Student sicher, dass er Priester werden wollte.
Nach Paris war sich der junge Mann aus dem Hegau sicher, dass er unbedingt Priester werden wollte. „Allerdings nicht als Einzelkämpfer, sondern als Teil einer Gemeinschaft.“ Die Fokolar-Bewegung hatte Stephan Sailer schon als Schüler in Singen fasziniert. „Wir Fokolare vertrauen darauf, dass uns das Wort Gottes alle wichtigen Impulse für die Probleme unseres Alltag gibt“, erklärt Sailer.
Jeden Mittwoch trifft er sich daher mit seiner Priestergruppe. „In dieser vertrauten Runde kann man über alles offen sprechen und den Rat der Mitbrüder einholen. Das ist mir sehr wichtig.“
1998 die Priesterweihe. Danach die Kaplansjahre. Und schließlich neun Jahre Pfarrer in Weil am Rhein. Schon mit drei Kirchen. „Die Zeit in Weil war schön“, sagt Sailer. „Da hat man die Familien, die Jugendlichen und die Kinder noch alle gekannt.“ Bis heute verfolgt Sailer mit Begeisterung die Baseler Fasnacht. Als Livestream im Internet.
Im Krankenhaus begegnete Sailer die existentielle Not der Menschen.
2013 wurde der Wunsch nach einer Wohngemeinschaft mit Priestern aus der Fokolar-Bewegung für Stephan Sailer immer wichtiger. Da traf es sich gut, dass sich in Weinheim gerade ein Fokolarpfarrer gerade in den Ruhestand verabschiedet hatte.
Pfarrer Johannes Bold und Pfarrer Gerhard Schrimpf suchten nun nach einem neuen Mitbewohner. Stephan Sailer war drauf und dran, seine Zelte in Weil abzubrechen, da strich das Erzbistum die dritte Pfarrstelle in Weinheim. Sailer musste wieder einmal nach dem goldenen Körnchen suchen.
Er fand es in Mannheim, wo gerade ein Klinikpfarrer gebraucht wurde. „Die drei Jahre im Krankenhaus waren Seelsorge pur“, erinnert sich der Pfarrer. Keine Verwaltung, keine Räte, keine Sitzungen. Nur die existentielle Not von Menschen in ihren dunkelsten Stunden. „Ich hatte oft den Eindruck, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
„Die Erfahrungen, die wir in der Pandemie gemacht haben, trägt die Priestergemeinschaft bis heute.“
2016 verabschiedete sich Johannes Bold in den Ruhestand und Stephan Sailer konnte seine Stelle in Weinheim übernehmen. 2020 wechselte auch noch Pfarrer Joachim Dauer an die Bergstraße. Er kam zeitgleich mit der Corona-Pandemie. „Die Zeit der Pandemie war furchtbar“, stöhnt Stephan Sailer noch im Rückblick. „Lange Zeit keine Feiern der Eucharistie, keine Lieder, keinen direkten Kontakt zu den Menschen.“ Aber wenigstens habe es die Priestergemeinschaft gegeben. „Die Erfahrungen dieser Zeit trägt unsere Gemeinschaft bis heute.“
Verglichen mit Corona sei die Angst vor den langen Wege in den künftigen großen Pfarreien marginal, findet Stephan Sailer. Und plötzlich hat er wieder dieses schalkhafte Zwinkern im Auge. „Und auf den langen Autofahrten habe ich endlich mal Zeit, ein Hörbuch zu hören.“