Ordensschwestern sollte man nie unterschätzen. Sie sind klug, selbstbewusst und stressstabil. Was jetzt wieder bewiesen wurde. 870 Oberinnen aus aller Welt waren zur Audienz bei Papst Franziskus geladen. Ein Routinetermin. Bis plötzlich eine Schwester ans Mikrofon trat.
Sie sagte: „Ordensfrauen arbeiten mit Armen und Ausgestoßenen, sie begleiten Kranke und Sterbende, sie geben die Kommunion aus und leiten die Gebete. Was hindert die katholische Kirche daran, solche Frauen unter die Ständigen Diakone aufzunehmen?“
Das war mutig. Seit 1994, als Johannes Paul II. die Dikussion um die Weihe der Frau für endgültig beendet erklärt hatte, hatte es niemand mehr gewagt, diese Frage einem Papst zu stellen. Nun also die Nonnen bei Franziskus. Der Papst habe seine Antwort erst beim Nachdenken entwickelt, berichtete später Katharina Ganz, die Generaloberin der Würzburger Franziskanerinnen im Radio Vatikan. „Quasi dialogisch mit uns.“
Papst Johannes Paul II. hat die Tür fest verschlossen
Franziskus habe sich erinnert, dass es in der Urkirche Diakoninnen gegeben hat, er sei sich aber nicht sicher gewesen, welche Aufgaben sie gehabt hätten. Weshalb der Papst kurzerhand beschloss, eine Kommission einzurichten, die sich mit der Frage des Diakonats der Frau beschäftigen soll. „Das hat er mehrfach wiederholt“, freute sich die Würzburger Oberin im Radio.
Ist das ein Durchbruch? Steht sie tatsächlich wieder offen, die Tür, die Johannes Paul II. so fest verschlossen hat? Oder freuen sich die Frauen zu früh? Und warum tut sich die katholische Kirche überhaupt so schwer mit ihnen? Eine Annäherung an ein fragiles Verhältnis.
Gab es im frühen Christentum weibliche Apostel?
Die Protestanten hatten es leicht. Sie mussten nur über ihren chauvinistischen Schatten springen und beschließen, Frauen zu ordinieren. Dass in Baden trotzdem erst 1971 eine Pfarrerin auf der Kanzel stand, sagt viel über unsere Gesellschaft.
Für die kaholische Kirche stellt sich die Situation schwieriger dar. Hier gibt es die „Apostolische Sukzession“. Alle katholischen Bischöfe verstehen sich als direkte Nachfolger der Apostel. Durch Handauflegung wird die Vollmacht, im Namen Christi zu handeln, seit zweitausend Jahren von Bischof zu Bischof weitergegeben. Und von den Bischöfen zu den Priestern. Weil Jesus Christus aber nur Männer als Apostel erwählt hat, kann die katholische Kirche auch nur Männer zu Priestern weihen. Das sieht Papst Franziskus genauso wie seine Vorgänger.
Der lange Kampf um die katholische Gleichberechtigung
Die feministische Theologie stört die Apostolischen Sukzession nicht. Die Professorinnen bestreiten allerdings vehement, das Christus nur Männer als Apostel berufen hat. Tatsächlich gab es wohl deutlich mehr Apostel, als die landläufig bekannten zwölf. So schreibt Paulus im Römerbrief: „Grüßt Andronikus und Junias, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie sind angesehene Apostel und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt.“
Spannend wird die Geschichte, wenn man der amerikanischen Theologin Bernadette Brooten folgt. Sie hat in griechischen und lateinischen Inschriften aus der Antike nach dem männlichen Namen Junias gesucht – und ihn nicht gefunden. Dafür stieß sie mehr als fünfhundert Mal auf den Frauennamen „Junia“. Ist das ein Beweis dafür, dass Paulus eine Apostelin hat grüßen lassen, deren Namen in späteren Jahrhunderten beim Abschreiben verändert wurde? Womöglich absichtlich? Ein großes Thema.
Bei der Forderung nach einem Diakonat der Frau ging bislang nichts voran
Die katholischen Frauen in Deutschland gehen deshalb pragmatischer ans Werk. „Wir führen die Diskussion um das Priesteramt für Frauen derzeit nicht“, betont Ulrike Riedlberger aus Sinsheim. Sie ist Vorstands-Mitglied im Freiburger Diözesanverband der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), der 2017 seinen hundertsten Geburtstag feiert. Bundesweit hat die kfd mehr als 500000 Mitglieder. Sie ist damit zugleich der größte Frauenverband und der größte katholische Verband Deutschlands. Die kfd kämpft seit vielen Jahren und durchaus mit Erfolg für die Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche. Nur bei der Forderung nach dem Diakonat der Frau ging bislang nichts voran.
Womit wir bei Phoebe wären. Sie ist die einzige frühkirchliche Diakonin, die in der Bibel erwähnt wird. Wieder von Paulus, wieder im Römerbrief, sechs Verse zuvor. „Ich empfehle euch unsere Schwester Phoebe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä.“ Das griechische Wort für „Diener“ lautet „diakon“. In der Ur-Kirche gab es also das Amt der Diakonin, das im Laufe der Jahrhunderte verschwunden ist. Stattdessen installierte die katholische Kirche vier „niedere Weihen“. Ein angehender Kleriker begann als Pförtner, avancierte dann zum Lektor und wurde schließlich zum Diakon geweiht. Eine Kirche, fest in männlicher Hand. Keine Frau, nirgends.
Seit 50 Jahren stehen auch verheiratete Männer am Altar
Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. „Das Vatikanum hat alle niederen Weihen abgeschafft und die Ämter für Laien zugänglich gemacht“, berichtet Regina Köhler, Referentin für Frauenpastoral bei der Diözesanstelle Odenwald-Tauber in Buchen. Anfangs habe es zwar nur männliche Lektoren und Kommunionshelfer gegeben, „doch heute sind sie in der Mehrzahl weiblich.“
Das Diakonat, die Vorstufe zur Priester- und zur Bischofsweihe, stand auch auf der Agenda des Konzils. „Man hat das Amt in zwei Teile geteilt“, erzählt Regina Köhler. Heute bezeichnet „Diakon“ einerseits einen Mann im letzten Jahr seiner Ausbildung zum Priester. Den Titel tragen aber auch Familienväter, die oft einem Zivilberuf nachgehen. 37 hauptberufliche Diakone und 124 Diakone mit Zivilberuf gibt es derzeit im Erzbistum Freiburg.
Sie alle haben den dreijährigen „Theologischen Kurs“ absolviert, eine Art berufsbegleitendes Theologie-Kurzstudium, an dessen Ende eine anspruchsvolle Prüfung und eine umfangreiche Abschlussarbeit steht. Dann legt der Bischof dem Diakon feierlich die Hände auf. Er ist jetzt für sein ganzes Leben Gott geweiht.
Diakon Kai-Uwe Kretz ist glücklich – und jedes Wochenende ausgebucht
Ein Diakon tauft und traut, er liest in der Eucharistiefeier das Evangelium, predigt und trägt die Verstorbenen zu Grabe. Vor allem aber, sagt Kai-Uwe Kretz, Cardiotechniker am Klinikum Ludwigshafen und seit 2013 Diakon in Heidelberg-Kirchheim, ist er für die Menschen da.
„Ich will Ansprechpartner sein, zuhören, hinhören, die Menschen da abholen, wo sie sind.“ Gemütlich im stillen Kämmerchen funktioniert das nicht. „Da muss man schon raus- und auf die Menschen zugehen.“
Das alles am Wochenende oder nach einem Arbeitstag im Operationssaal. Für Kai-Uwe Kretz, Vater von drei Kindern, ist das Glück. „Gott hat mich betört und mit sakramentaler Gnade bekräftigt“, strahlt er. „Zur Zeit bin ich an den Wochenenden mit Hochzeiten und Taufen fast ausgebucht. “
Was wäre die Kirche ohne die ehrenamtliche Arbeit der Frauen?
Im Terminkalender von Monika Schramek ist ebenfalls kaum noch ein Plätzchen frei. Die Pfarrsekretärin im Ruhestand leitet die Sinsheimer Gruppe der Katholischen Frauengemeinschaft, vertritt die Freiburger kfd im bundesweiten Netzwerk „Diakonat der Frau“ und engagiert sich in der Krankenhausseelsorge. „In der Klinik gibt es schon lange keine
Eucharistiefeier mehr. Wir bieten daher regelmäßig Wortgottesdienste an, beten mit den Kranken am Bett und bringe ihnen die Kommunion.“ All das ehrenamtlich und ohne die „sakramentale Gnade“, auf die Kai-Uwe Kretz so stolz ist. „Wir Frauen tragen zum größten Teil das diakonische Tun vor Ort“, sagt Monika Schramek. „Wir erwarten, dass sich das auch in der Ämterstruktur der Kirche wiederfindet. Wir möchten nicht als Menschen zweiter Klasse sondern auf Augenhöhe agieren können.
Neu ist diese Forderung nicht. Schon die Würzburger Synode hat – nach langer Beratung – 1975 Papst Paul VI. gebeten, „die Frage des Diakonats der Frau entsprechend den heutigen theologischen Erkenntnissen zu prüfen und angesichts der gegenwärtigen pastoralen Situation womöglich Frauen zur Diakonatsweihe zuzulassen“. Eine Antwort kam bis heute nicht.
Segnung statt Weihe? Kardinal Kaspers umstrittener Vorstoß
Kardinal Walter Kasper hat an der Würzburger Synode als wissenschaftlicher Mitarbieter teilgenommen. Später war er erst Bischof von Rottenburg-Stuttgart, dann Kurierkardinal in Rom. 2013 versammelte sich die Deutsche Bischofskonferenz zu einem Studientag Trier. Das Thema: „Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und im Leben der Kirche“. Kardinal Kasper hielt das Einführungsreferat. Er arbeitete wunderschön „die fundamentale Aussage“ der Schöpfungsgeschichte heraus: „Gott hat den Menschen als Mann und als Frau erschaffen. Beide sind Bild und Gleichnis Gottes und haben damit dieselbe unveräußerliche Würde.“
Dann kam er auf die frühkirchlichen Diakoninnen zu sprechen. Sie hätten zwar taufen dürfen, aber keine Funktion am Altar gehabt, sagte Kasper. Deshalb „wäre das sakramentale Diakonat der Frau eine Neuschöpfung.“ In der Sprache der katholischen Kirche heißt das: Unmöglich. Walter Kaspers Vorschlag zur Güte: Die Kirche könne doch die Frauen „durch Segnung zu Gemeindediakoninen bestimmen.“
Für die kfd ist Kardinal Kaspers Idee inakzeptabel. „Eine Segnung lehnen wir ab. Statt Mann und Frau auf gleiche Augenhöhe zu stellen, zementiert sie die Ungleichheit“, sagt Ulrike Riedlberger. „Jeden Monat betet die katholische Kirche um Berufungen“, ergänzt Monika Schramek. „Damit sind – außer den Berufungen zum Ordensleben – ausschließlich männliche Berufungen gemeint. Wenn sich eine Frau zum Weiheamt berufen fühlen, zählt das nicht.“
Ein europäischer Alleingang beim Diakonat der Frau wäre möglich
Regina Köhler, die Frauenreferentin aus Buchen ist ebenfalls unglücklich über Kaspers Vorschlag. „Die Frauen fühlen sich von Gott angefragt und wollen Kirche mitgestalten. Die Weihe wäre eine Anerkennung. Und ich glaube, sie verändert auch das Bewusstsein.“ Man brauche das Diakonat der Frau, überlegt Regina Köhler weiter, ja nicht gleich auf der ganzen Welt einführen. „Der Papst kann durchaus entscheiden, dass eine Ortskirche Ständige Diakoninnen berufen darf. Es gibt auch nicht in allen Ländern Pastoralreferentinnen und Gemeindereferentinnen.“
Immerhin: Ein positives Ergebnis hatte der Frauenstudientag: Er mündete in eine Selbstverpflichtung der Deutschen Bischofskonferenz, den Frauenanteil in Ordinariaten zu erhöhen. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger geht mit bestem Beispiel voran. In seiner kurzen Amtszeit besetzte er schon zwei Führungspositionen mit Frauen: Susanne Orth leitet die Abteilung „Schulen und Hochschulen“, Maria Katharina Jakobs ist Direktorin des „Instituts für Religionspädagogik“. Ein vielversprechender Anfang.
Stimmen zum Thema
Hoffnungvolles Zeichen
Von Dekan Thomas Hafner, Kraichgau
„Von Anfang an spielten Frauen in der Nachfolge Jesu eine wichtige Rolle. So erzählt schon der Evangelist Lukas, dass nicht nur die Zwölf Jesus begleiteten, sondern auch einige Frauen, deren Namen sogar genannt werden. Und heute? Wie sähe es aus ohne Frauen in unseren Gottesdiensten, im ehrenamtlichen Engagement, in den Pfarrgemeinderäten und Seelsorgeteams? Seit Erzbischof Stephan Burger werden von den sieben Abteilungen im Erzbischöflichen Ordinariat zwei von Frauen geleitet, immerhin! Papst Franziskus lässt, angeregt durch Ordensfrauen, durch eine Kommission die Möglichkeit des Diakonats der Frau prüfen, ein hoffnungsvolles Zeichen! Die Kirche braucht Frauen, auch mit amtlicher Leitungsverantwortung, mehr denn je. Ansonsten verbaut sich die katholische Kirche ein Stück Zukunft, zumindest in Deutschland und Europa.“
Verantwortung für Frauen
Von Dekan Karl Jung, Mannheim
„Ich begrüße den Vorstoß des Papstes, das Diakonenamt für Frauen prüfen zu lassen. Ich finde es interessant, dass die Idee, eine Kommission einzusetzen, aus dem Dialog mit über 870 Ordensoberinnen entstanden ist. Welche Form eines Amtes vorstellbar wäre, soll durch die Kommission untersucht und erarbeitet werden. Es ist wichtig, dass es ein verantwortliches Amt für Frauen in der Kirche ist. Was die Öffnung des Priesteramtes anbelangt, so steht diese Frage sicher im Raum. Allerdings ist es hier schwieriger, eine schnelle Antwort zu finden. Das hat zwei Gründe: Erstens gibt es die 2000-jährige Tradition der Katholischen Kirche, in der bisher nur Männer zu Priestern geweiht werden. Zweitens die kirchliche Sicht, dass durch eine solche Neuerung keine Spaltung der Kirche entstehen darf und diese damit einer weltweiten Akzeptanz bedarf.“
Ein wichtiger Schritt
Von Johannes Brandt, stellvertretender Leiter der Stadtkirche Heidelberg
„Die Äußerung von Papst Franziskus zur Einrichtung einer Kommission zur Prüfung der geschichtlichen Entwicklung eines Diakonates der Frau ist ein wichtiger Schritt. Zugleich weckt er Erwartungen bei denjenigen, die sich für eine Öffnung des Weihesakramentes für Frauen aussprechen. Unabhängig davon sollte eine solche Kommission Vorschläge erarbeiten, inwiefern Frauen zum Diakonenamt zugelassen werden können, um eine pastorale Antwort auf gegenwärtige Herausforderungen in der Kirche zu ermöglichen. Ich halte das Argument nicht für schlüssig, dass dadurch eine Vorfestlegung getroffen sein könnte, Frauen den Zugang auch zum Priesteramt zu eröffnen. Das weibliche Diakonenamt bietet eine Chance, die Kirche in ihrer weiblichen Eigengestalt neu sichtbar werden zu lassen.“