Heilige Mauern

Ein Schatzkästchen: Pater Norberts vergessene Klöster

Es hat eine Zeit gegeben, da war Heidelbergs Altstadt ein heiliges Pflaster. Wie Perlen eines Rosenkranzes reihten sich Klöster und Kirchen entlang der Hauptstraße. Die Franziskaner beteten am Karlsplatz, die Jesuiten in der Kettengasse, die Karmeliten am Friesenberg. In der Brunnengasse gab es einen Konvent der Dominikaner, am Uniplatz eine Kommunität der Augustiner.

Heute ist diese monastische Vergangenheit fast spurlos verschwunden. „Der Sturm der Jahrhunderte hat alles hinweggefegt“, bedauert Pater Norbert Bosslet von der Abtei Neuburg. Seit mehr als sechzig Jahren trägt der Benediktinermönch Fakten über die vergessenen Klöster zusammen. Jetzt ist sein Lebenswerk als Buch erschienen: „Heilige Mauern“. Ein Schatzkästchen.

Der Benediktinerkonvent in Neuburg wollte einfach nicht florieren

Die Orden entdeckten ihr Faible für Heidelberg früh. Schon 891 ließ Thiodroch, der Abt der Benediktinerabtei Lorsch, auf dem Gipfel des Heiligenberges eine Kirche erbauen. 150 Jahre später gesellte sich ein Kloster hinzu: Sankt Michael.

Portrait Pater Norbert

Ein Mönch der ersten Stunde:
Seit 1951 lebt Pater Norbert in Neuburg

„Ein beachtlicher Kirchenbau, gut durchkomponiert und in seinen harmonischen Maßen beeindruckend“, urteilt Pater Norbert. „In diesen architektonisch großartigen Räumen konnten sich Liturgie und Spiritualität lebendig entfalten.“ Weshalb die Heidelberger gern und häufig den Berg hinauf pilgerten.

Während St. Michael strahlte, dümpelte das zweite Benediktinerkloster eher mau dahin. Die Abtei Neuburg, auf den Grundfesten einer Trutzburg errichtet, wurde 1144 ebenfalls vom Kloster Lorsch gegründet. Doch der Konvent wollte einfach nicht florieren.

Im hohen Mittelalter brachten die Franziskaner frischen Wind nach Heidelberg

Erst als Pfalzgraf Konrad von Staufen 1156 befahl, die Abtei in ein Frauenkloster umzuwandeln, erwachte Neuburg zum Leben. „Für die guten Beziehungen des pfalzgräflichen Hofes zu den Klosterfrauen ist 1515 der Eintritt der jüngsten Tochter des Kurfürsten Philipp, Katharina, in den Konvent bezeichnend“, schreibt der 84-jährige Pater Norbert.

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Die Benediktinerabtei in Ziegelhausen tat sich anfangs sehr schwer.

Kurfürst Karl Ludwig hingegen, der hundertdreißig Jahre später regierte, hatte mit Klöstern gar nichts am Hut. Er wandelte die Abtei Neuburg um in ein weltliches Stift für adelige junge Damen. Das Fräulein-Internat existierte zwar nur neun Jahre lang, doch der Titel „Stift“ ist an Neuburg bis heute haften geblieben.

Im hohen Mittelalter brachten die Franziskaner frischen Wind in Heidelbergs Gassen. 1245 errichteten sie auf dem heutigen Karlsplatz ein stattliches Kloster, das nicht so recht zu der franziskanischen Bescheidenheit passte, findet Pater Norbert Bosslet. „Gewöhnlich sind die Bettelordenkirchen einfacher.“ Die Franziskaner blieben fast sechs Jahrhunderte eine feste Konstante im geistlichen Leben Heidelbergs. Ihr Kloster wurde geschlossen und wiedereröffnet, es brannte nieder und wurde wieder aufgebaut. Erst die Säkularisierung 1802 vertrieb die Franziskaner wie alle anderen Orden endgültig aus der Stadt.

Im Heidelberger Augustinerkloster erläuterte Martin Luther erstmals öffentlich seine neue Theologie

Augustinerkloster

Im Heidelberger Augustinerkloster hatte Martin Luther seinen großen Auftritt

Enorm wichtig für das geistliche wie für das geistige Leben Heidelbergs waren die Augustiner-Eremiten, deren weitläufiges Kloster jahrhundertelang auf dem heutigen Universitätsplatz lag. „Der Klostergarten erstreckte sich bis zum Hexenturm“, schreibt Pater Norbert.

Die Augustinermönche waren Gelehrte und Universitätsprofessoren, deren Disputationen Theologen aus ganz Europa an den Neckar lockten. So auch Martin Luther, der am 26. April 1518 erstmals nach dem Thesenanschlag von Wittenberg öffentlich auftrat. In einer spektakulären  Disputation vor Heidelberger Professoren und Studenten erläuterte er seine neue Theologie. „Luther selbst, ein ehemaliger Augustiner-Eremit, fand wohl anerkennende Worte für das Ordensleben“, schreibt Pater Norbert Bosslet. „Aber er konnte die Entwicklung nicht bremsen, die zur Aufhebung sehr viele Klöster führte.“

Erst am Ende des 17. Jahrhunderts kehrten Mönche und Ordensschwestern nach Heidelberg zurück. Allen voran die Jesuiten, zu denen der strengkatholische Kurfürst Philipp Wilhelm zeitlebens ein enges Vertrauensverhältnis pflegte. Die Gesellschaft Jesu war im Heidelberg des 18. Jahrhunderts allgegenwärtig. Und ist es durch ihre stattlichen Barockbauten bis heute geblieben.

Mit den Jesuiten kehrte der Katholizismus in calvinistische Heidelberg zurück

Jesuitenkirche Heidelberg

Mehr als 80 Patres bevölkerten einst das kasernenartige Jesuitenkolleg

Mehr als 80 Patres bevölkerten einst das riesige kasernenartige Kolleg in der Kettengasse und das ebenso gewaltige Seminarium Carolinum in der heutigen Seminarstraße.

Die Dominikaner, die Kapuziner, die Weißnonnen, die Schwarznonnen, die Vinzentinerinnen, die Franziskanerinnen … – alle verschwunden. Nur die Benediktiner sind noch da. 1927 kaufte die Beuroner Kongregation die Künstlerkolonie Stift Neuburg zurück, so dass „das benediktinische Gotteslob wieder aufgenommen werden konnte“, schreibt Pater Norbert Bosslet. 1951 ist er in den Neuburger Konvent eingetreten, 1956 wurde er in der Klosterkirche zum Priester geweiht.

Mehr als dreißig Mönche im besten Mannesalter beteten und arbeiteten damals in der Ziegelhäuser Abtei. „Von Neuburg ging in den Fünfziger Jahre eine mitreißende Aufbruchstimmung aus“, erinnert sich Pater Norbert. „Wir waren uns ganz sicher, dass wir bald Schritt halten können mit den berühmtesten Klöstern.“ Es sollte anders kommen.

Fast fünfzig Jahre war Pater Norbert der Traupater der Abtei Neuburg

Heute leben in der Abtei nur mehr 14 Mönche. Pater Norbert hat seine Wahl trotzdem nie bereut. Fast fünfzig Jahre lang war er der Traupater der Abtei Neuburg. Viele hundert Paaren hat er gesegnet, die meisten ihrer Kinder getauft.

14 Benediktinermönche leben
heute noch in der Abtei Neuburg

Daneben arbeitete der Theologe als Religionslehrer im Heidelberg College, betreute das Archiv der Abtei Neuburg und recherchierte für sein Buch.

„Heilige Mauern“ ist nur ein schmales Büchlein, knapp hundert Seiten stark und reich bebildert. Man liest das dank der schönen, flüssigen Sprache in einem Rutsch durch. Und beginnt dann langsam wieder von vorn. Am liebsten im Gehen. Wo war was? Selbst intime Kenner Heidelbergs können mit Pater Norberts Buch in der Hand die Altstadt noch einmal neu entdecken. Dieses Buch hat gefehlt.

„Heilige Mauern. Heidelbergs Klöster und Stifte durch die Jahrhunderte“ ist nur an der Klosterpforte der Abtei Neuburg zu erwerben. Das Buch kostet 10 Euro.

 

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