442 Kilometer misst die Grenze zwischen Deutschland und Polen. Sie ist damit nur sechs Kilometer kürzer als die deutsch-französische Grenze. Trotzdem fühlt sich Polen fremder an. Noch immer scheinen die Traumata der Vergangenheit eine Kluft zwischen den Nationen aufzureißen, die eigentlich schon längst hätte überwunden sein müssen. Wo liegt das Problem?
Diese Frage beschäftigt Dr. Wiktor Skworc, den Erzbischof von Kattowitz, seit Jahren. In einem mitreißenden Vortrag, gehalten in gutem Deutsch, wagte der polnische Oberhirte nun in der Alten Aula der Universität von Heidelberg eine Antwort. Die Zeit der großen politischen Gesten sei vorbei, sagte Skworc. „Jetzt geht es um persönliche Begegnungen zwischen den Kirchen, den Pfarreien, den Familien und den Jugendlichen, damit die beiden Völker erkennen, wie viel sie einander geben können.“
Ein Professoren des Erzbischofs war spätere Papst Johannes Paul II.
Der Erzbischof von Kattowitz ist ein ebenso liebenswürdig-bescheidener wie kluger Mann. Wiktor Skworc hat in den späten Sechzigern an der Universität Krakau katholische Theologie studiert. Einer seiner Professoren war Karol Wojtyla, der ihn zwanzig Jahre später als Papst Johannes Paul II. zum Bischof ernannte.
Nach dem Studium arbeitete Skworc ein Jahr lang als Kumpel in einem Kohlebergwerk. Deutsch hat der heute 65-Jährige in Dresden und Leipzig gelernt, wo er als junger Priester polnische Jugendliche betreute. „Erzbischof Skworc ist seit vielen Jahren ein herausragender Promotor des deutsch-polnischen Dialogs“, lobte Alt-Rektor Peter Hommelhoff, der den Gast im Namen der Universität und der „Initiative Partnerschaft mit Polen“ in Heidelberg willkommen hieß.
In Deutschland wie in Polen hat die Kirche noch richtig Macht
Die katholische Kirche von Polen und die von Deutschland haben ein Merkmal gemeinsam, das sie zur Zusammenarbeit geradezu prädestiniere, hob Wiktor Skworc an. In beiden Ländern hat die Kirche noch richtig Macht. „Trotz Sünden und Schwächen gehören unsere Kirchen zu den bedeutenden Kräften in Europa.“ Diesen Einfluss, fand der polnische Erzbischof, sollte man dringend bündeln. „Ich bin überzeugt, dass wir noch stärker antreten können, wenn es um den Schutz des Lebens oder der Menschenrechte geht. Aber auch bei der Sorge um die verfolgten Christen.“
Zumal die deutsch-polnische Zusammenarbeit eine Win-Win-Rechnung sei, erklärte Skworc. Die beiden Kirchen nämlich besäßen „unterschiedliche Gaben“, die einander perfekt ergänzten. „Die deutsche Kirche ist eine leistungsfähige Institution mit funktionierenden Strukturen und gewaltiger materieller Basis.“ Die polnische Kirche hingegen biete „eine sehr lebendige, oft mitreißende Form von Religiosität der Gläubigen, die sich zahlreich in den Kirchen versammeln und die katholischen Traditionen bewahren.“
In Polen herrsche kein Mangel an Priestern, die Schlangen vor den Beichtstühlen seien lang und die Jugendinitiative „Licht und Leben“ habe enormen Zulauf. Vielleicht, überlegte der Erzbischof aus Kattowitz, ist diese heile katholische Welt eine Folge davon, „dass wir über vierzig Jahre im kommunistischen System die Stimme der Stimmlosen waren.“ Wie auch immer: „Die Zusammenarbeit der beiden Kirchen kann gute Früchte bringen. Es ist wichtig, dass man sich kennenlernt.“
Punkt eins: Ankurbeln des Jugendaustausches
Über das Procedere des Zusammenwachsens hat Wiktor Skworc sehr konkrete Vorstellungen. Punkt eins: Ankurbeln des Jugendaustauschs. 2016 findet in Krakau der katholische Weltjugendtag statt, zu dem auch Papst Franziskus anreisen wird. Was spräche dagegen, wenn die Nachbarn aus Deutschland sich frühzeitig in das Event einklinken würden?
Natürlich, lächelte Skworc, wisse er, dass bei deutschen Jugendlichen eine Reise nach Polen als „nicht besonders cool“ gelte. Aber dieses Vorurteil verschwindet meist sofort, wenn sie junge Polen kennenlernten. „Polen ist wirklich nicht weit.“ Den zweiten Schritt aufeinander zu sieht Skworc in direkten Partnerschaften zwischen den Diözesen. Zwischen dem Bistum Essen und dem Erzbistum Kattowitz besteht bereits eine solche.
Und schließlich, hoffte Wiktor Skworc, könnte vielleicht sogar ein Traum Wirklichkeit werden, den er schon lange träumt: Ein polnisch-deutscher Katholikentag direkt an der Grenze. „Entweder in Frankfurt an der Oder oder in Stettin.“ Der polnische Erzbischof ist in dieser Sache bereits bei der Deutschen Bischofskonferenz vorstellig geworden, hat aber nur höfliche Zurückhaltung geerntet. Skworcs Resumee: „Offensichtlich braucht die Freundschaft zwischen Polen und Deutschland in der Zeit nach den großen Gesten einen langen Atem.“
Ich war weder bei der Veranstaltung noch in den letzten 10 Jahren in Polen.
Ich würde dort auch gerne hinfahren, auch 2016 nach Krakau.
Was aber im Bericht nicht steht, was ich aber immer wieder aus Gemeinden mit polnischen Priestern in Deutschland höre, dass es dort vermehrt Problem mit der Beteiligung von Laien am Gottesdienst gibt. Selbst Messdienerinnen werden in Frage gestellt. Und ist es überhaupt wünschenswert, dass sich vor Beichtstühlen Schlangen bilden?