Jetzt wird es ernst für die Stadtkirche Heidelberg

Das Führungsteam : (v.l.) Pfarrer Brandt, Dekanatsreferentin Martin, Dekan Dauer, Pastoralreferentin Schmitt-Helfferich, Pfarrer Czech

Man stelle sich vor, man startet in den Urlaub. Ein neues Land, ein unbekanntes Quartier, da macht sich gern ein kribbeliges Gefühl breit. Aufregung gepaart mit Erwartung und einer gehörigen Portion Angst vor dem Ungewissen. Genau so fühlen sich zur Zeit die Katholiken in Heidelberg und Eppelheim. 2015 werden die bisherigen Seelsorgeeinheiten aufgelöst und alle 40.000 Gläubigen schließen sich zu einer großen „Stadtkirche“ zusammen.

Wie das genau funktioniert, weiß bislang niemand. Aber das soll sich jetzt ändern. Zu Beginn des neuen Jahres werden Arbeitsgruppen gebildet, die Antworten auf die vielen offenen Fragen finden sollen. Circa dreißig Gruppen mit je fünf bis sieben Mitgliedern sind angedacht. Sofern sich genügend Interessierte melden, die bei der Planung der Stadtkirche mitwirken wollen.

Jeder Katholik, der seine Talente einbringen will, ist willkommen

Dekan Joachim Dauer soll die „Stadtkirche Heidelberg“ leiten

Jeder Katholik, der seine Talente einbringen will, sei willkommen, sagte Dekan Joachim Dauer beim „Kick-off“-Treffen für die Stadtkirche in Eppelheim. Man dürfe aber auch Leute vorschlagen, denen man zutraut, dass sie gute Ideen haben.

„Es gibt einen riesigen Berg Arbeit, und die Zeit ist knapp.“ Klarer als der Eppelheimer Pfarrer Johannes Brandt kann man die Situation der katholischen Kirche in Heidelberg und Eppelheim nicht auf den Punkt bringen. Druckt man die Liste aller ungelösten Probleme auf DIN-A-4-Blätter und klebt diese zu einer Schlange zusammen, dann ist sie etwa 15 Meter lang. Immerhin: Es gibt neuerdings einen „Projektstrukturplan“. Er gliedert den Fragenwust in handhabbare Themen, Unterthemen und Unterunterthemen. Ein Anfang.

„Gott hat jedem Menschen ein besonderes Charima gegeben“, sagt Pfarrer Czech

Verantwortlich für den Projektstrukturplan zeichnet der „Koordinierungskreis für die Stadtkirche“ (KKS), der auch in den nächsten zwölf Monaten die Zügel in der Hand behalten wird. Der KKS besteht aus fünf hauptamtlichen Theologen: Dekan Joachim Dauer wurde von Erzbischof Robert Zollitsch zum Leiter der Stadtkirche bestimmt.

Pfarrer Johannes Brandt übernimmt das „operative Geschäft“.

Pfarrer Johannes Brandt soll sich als stellvertretender Dekan um das operative Geschäft der Stadtkirche kümmern. Judith Schmitt-Helfferich ist seine Pastoralreferentin. Christiane Martin pendelt als Dekanatsreferentin zwischen Heidelberg und Weinheim. Und Alexander Czech wirkt als Pfarrer in der Altstadt und in Ziegelhausen. Er ist der Dekanatsjugendpfarrer und hat an der Führungsakademie in Karlsruhe Management studiert. „Gott hat jedem Menschen ein besonderes Charisma gegeben, das ihn einzigartig macht“, betonte Czech in Eppelheim. „All diese Charismen brauchen wir für die Stadtkirche dringend.“

Weil ein Paradigmenwechsel ansteht. Jahrtausende lang hatte in der katholischen Kirche allein der Klerus das Sagen. Mittlerweile jedoch geht die Zahl der Priester wie auch der Pastoral- und Gemeindereferenten so dramatisch zurück, dass die katholische Kirche nur überleben kann, wenn die Ehrenamtlichen einen großen Teil der Aufgaben wie auch der Verantwortung übernehmen. Das ist eine historisch völlig neue Situation. „Mit der Stadtkirche versuchen wir etwas, das in der Welt noch nicht gegeben hat“, formulierte Alexander Czech.

baustelle_stadtkircheDem neuen Pfarrgemeinderat dürfen bis zu fünfzig Personen angehören

Konkret geht es erst einmal darum, den Projektstrukturplan in den Griff zu bekommen. Auf der Agenda stehen Großthemen wie Personal, Gremien, Gebäude, Geld, Sakramente, Caritas, Jugend oder Öffentlichkeitsarbeit. Um die Frage, wie die Seelsorger künftig zusammenarbeiten, kümmern sich die Seelsorger selbst. „KoSt“ (Kollegiale Stärkung) nennt sich ein topaktuelles Programm zur geistlichen Entscheidungsfindung, das derzeit in Heidelberg erprobt wird. Es kommt, so hört man, sensationell gut an. Vier Priester und den Dekan sieht der Personalplan der Erzdiözese für die Stadtkirche Heidelberg vor. „Ich werde alles daransetzen, dass Freiburg diese Zahl schriftlich  garantiert“, versprach Dekan Joachim Dauer in Eppelheim.

Ab 2015 wird es in Heidelberg für alle 14 Pfarreien nur noch einen Pfarrgemeinderat und einen Stiftungsrat geben. Beide Gremien haben in der katholischen Kirche ausschließlich beratende Funktion. Welche Pfarrei wie viele Vertreter in diesen Pfarrgemeinderat entsendet, von wem die Pfarrgemeinderäte gewählt werden, wie viele es insgesamt sein werden, wie oft man sich realistischerweise trifft und wie das Geld verteilt wird – jede diese Fragen soll in der Vorbereitungszeit in einer eigenen Arbeitsgruppe diskutiert werden.

Die Jesuitenkirche wird wohl die Rolle der Zentralkirche übernehmen.

Erzbischof Zollitsch seinerseits hat vorsorglich die Maximalgröße der Pfarrgemeinderäte deutlich angehoben. Jetzt dürfen bis zu 50 Personen diesem Gremium angehören. Das ist schon fast ein Parlament.

Um das kirchliche Leben vor Ort kümmern sich ehrenamtliche Gemeindeteams

Um das Leben vor Ort in den Pfarrgemeinden werden sich ehrenamtliche Gemeindeteams kümmern, die der Pfarrgemeinderat beruft. Wie das geschehen soll, welche Rechte das Gemeindeteam hat, wie die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen funktioniert –  alles Themen für die Arbeitsgruppen. Womit wir bei der kniffligsten Frage der Stadtkirchen-Planung angekommen wären: Welche Funktionen verbleiben bei der Pfarrgemeinde vor Ort und welche werden zentral gebündelt? Eine Gradwanderung. In der Jugendarbeit beispielsweise bringt es sicher Vorteile, die Events stadtweit anzubieten.

Karte

Die Vision: „Die Stadtkirche ist ein Ort eines neuen Miteinanders“

Doch wie bindet man dann noch Ministranten an die einzelnen Gemeinden? Oder die Senioren. Lange Wege darf man ihnen zwar nicht zumuten, trotzdem kann die Stadtkirche natürlich spannendere und vielfältigere Angebote machen als die Pfarrei. Die Kommunionskinder werden weniger. Aber darf man sie deshalb von der Gemeinde trennen? Wer kümmert sich um die Kranken, die Einsamen, die Trauernden, die Familien in Not? Spezialisten der Stadtkirche oder Nachbarn aus der Pfarrgemeinde?

„Die Stadtkirche Heidelberg soll ein Ort der Gotteserfahrung und der Erfahrung eines neuen Miteinanders werden“, sagte Dekanatsreferentin Christiane Martin beim „Kick-Off“ in Eppelheim. „Das ist mehr als eine Vision. Das ist eine Verheißung.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.