„Vollkommene Liebe, die niemals endet“

Erzbischof Stephan Burger verrät, wie er sich das ewige Leben vorstellt

Schöner die Welt nie denn im April. Die Luft schmeckt nach Blüten, die Sonne umhüllt uns mit einem Mantel aus Gold. Und mit jeder Knospe wächst die Hoffnung, dass letztendlich doch das Leben über den Tod siegt. Das ist die Botschaft von Ostern.

Jesus Christus hat den Stein vor seinem Felsengrab zur Seite gerückt und ist auferstanden ins ewige Leben. Eine Nachricht mit ungeheuren Perspektiven für die Menschheit. Sollte man meinen. Doch alle Umfragen ermitteln, dass von Jahr zu Jahr weniger Deutsche an die Auferstehung und das ewige Leben glauben. Hat die Osterbotschaft ausgedient? Fragen an den Freiburger Erzbischof Stephan Burger.

Herr Erzbischof, wohin gehen wir, wenn wir gestorben sind?

Auferstehung: Eine Glasmalerei aus dem 19. Jahrhundert im Freiburger Münster

Wir kommen heim zu unserem Vater. Gott hat uns das Leben auf der Erde geschenkt und er möchte, dass wir wieder in seine vollkommene Liebe zurückkehren. Diese Liebe ist die Antwort auf die tiefste Sehnsucht des Menschen, der sich auf der Erde als fehlerhaft, begrenzt und vergänglich erlebt. Bei Gott dagegen ist unendliche Freiheit, intensivstes Glück und vollkommene Liebe, die niemals endet.

Manchmal dürfen wir schon hier auf der Erde einen Hauch von dieser vollkommenen Erfüllung spüren. Wir Christen nennen diese Momente „Taborstunden“, in Anlehnung an die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Es sind Augenblicke des Glücks, in denen wir alles, was uns schwerfällt, was uns belastet, einfach vergessen. Dieses Gefühl ins Unendliche potenziert, das ist himmlisches Leben.

Das klingt doch sehr erstrebenswert. Warum mögen die Menschen nicht mehr an dieses ewige Leben glauben?

„Der Glaube an die Auferstehung in Gott eröffnet ganz andere Dimensionen“

Ich erlebe viele Menschen nicht weniger religiös als früher, auch wenn sie nicht unbedingt kirchlich eingebunden sind. Sie suchen Elemente aus verschiedenen Religionen zusammen und bauen sich daraus eine eigene Spiritualität. Wie weit diese trägt, gerade in extremen Situationen, weiß ich nicht. Die Sehnsucht, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, bleibt auf jeden Fall. Das erkennt man etwa auch an Formulierungen in Todesanzeigen. Da steht dann: ‚Du lebst in unseren Herzen weiter‘. Für mich ist das viel zu wenig. Denn dann würden wir ja, wenn sich niemand mehr an uns erinnert, ein weiteres Mal sterben. Der Glaube an die Auferstehung in Gott eröffnet ganz andere Dimensionen.

Was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?

Gott ist unser Schöpfer. Er möchte, dass wir unser Leben und Zusammenleben sinnvoll gestalten, jede und jeder mit seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Aufgaben. Es geht darum, die Erde zu einem besseren Ort zu machen, wo die Liebe Gottes spürbar wird: Zwischen den Menschen, in Beziehungen, im Dienst am Nächsten. Ein Leben als Egoist, der nur an seinen eigenen Genuss denkt, steht dem entgegen.

Man kann auch scheitern?

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„Gott zwingt niemanden in den Himmel. Man kann auch scheitern.“

Ja, man kann auch scheitern. Dann ist die Frage, ob ich es fertigbringe, den Weg der Umkehr zu gehen. Ob ich bereit bin, mein Handeln kritisch zu hinterfragen: Wie stehe ich da im Leben? Wie ist mein Beziehungsgefüge? Wie lebe ich die Liebe Gottes? Umkehr bedeutet immer Hinkehr zu Gott, sich neu ausrichten an seiner absoluten Liebe. Und dann entsprechend zu handeln.

Muss ich denn Rechenschaft ablegen nach dem Tod, für das, was ich getan habe? Vor dem jüngsten Gericht?

Davon gehe ich felsenfest aus. Die Heilige Schrift lässt daran überhaupt keinen Zweifel. Wie dieses Gericht allerdings aussehen wird, wissen wir nicht. Kein Mensch hat eine Vorstellung davon, wie Gott gewichtet, wie er die einzelnen Aspekte menschlichen Lebens ins Feld führt, wie er schuldhaftes Versagen wertet. Um dem Leben einer Person gerecht zu werden, muss man unendlich viele Facetten beachten. Menschen schaffen das nicht. Das kann nur Gott, und sein Maßstab ist sicherlich die Liebe, weil er selbst die Liebe ist. In seiner Gegenwart werden wir erkennen, wo wir in Gedanken, Worten und Werken gefehlt haben und wo wir in seinem Sinn gehandelt haben. Es ist ja immer meine eigene Entscheidung, ob ich mich Gott zuwenden will, oder ob ich mich aus seiner Liebe ausgrenze.

Es gibt eine Hölle?

„Wir behalten auch nach unserem Tod eine individuelle Persönlichkeit“

Gott zwingt niemanden in den Himmel. Wer seine Liebe nicht will, wer sich ihr verweigert, wird auch nicht daran teilhaben. Der Mensch straft sich damit selbst, denn er lebt in Ewigkeit ohne Liebe. So würde ich Hölle umschreiben.

Die Kirche spricht davon, dass wir „leiblich“ auferstehen. Wie hat man sich das vorzustellen?

Wir behalten auch nach dem Tod unsere individuelle Persönlichkeit, mit unserer ganzen Lebensgeschichte, unseren persönlichen Erfahrungen, unseren Gefühlen und unseren Verletzungen. Alles, was uns als Person auf Erden ausgemacht hat, existiert bei Gott weiter. Das irdische Leben ist nicht weggewischt, sondern es erfährt eine Verwandlung. Was ich meine, sieht man an den Wundmalen Christi, die ja nach seiner Auferstehung weiterhin da sind. Weil sie zu seiner Identität gehören. Der Auferstandene ist derselbe Jesus, der am Kreuz gestorben ist. Ebenso werden auch unsere Verletzungen noch da sein, aber sie schmerzen nicht mehr. Sie sind verwandelt.

„In dieser anderen Dimension erfüllt sich unsere tiefste Sehnsucht“

Die Auferstehungsberichte in den Evangelien schildern durchgängig ein Sowohl-als-Auch. Der Auferstandene isst und er hat einen Köper, den die Jünger anfassen können. Aber er geht auch durch verschlossene Türen. Die Emmaus-Jünger sprechen stundenlang mit dem auferstandenen Jesus, aber sie erkennen ihn nicht. Obwohl ihnen die ganze Zeit das „Herz brannte“. Was nichts anderes heißt, als dass sie in hautengem Kontakt waren mit dieser anderen Dimension, in der sich unsere tiefste Sehnsucht erfüllt. Auferstehung ist die Verwandlung unserer jetzigen Existenz in eine neue Lebensform, die alle unsere irdische Vorstellungskraft sprengt.

Treffen wir die Menschen, die wir auf der Erde geliebt haben, im Himmel wieder?

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„Ich glaube fest, dass ich den Menschen, die mir lieb sind, in der Ewigkeit wieder begegne.“

Das hoffe ich doch sehr. Es ist mir schon wichtig, dass ich den Menschen, mit denen ich unterwegs war, die mir lieb geworden sind, auch in der Ewigkeit wieder begegne. Daran glaube ich fest. Das ewige Leben ist ja eine Liebesbeziehung. Und wahre Liebe grenzt niemals aus, sondern sie ist immer offen. Wenn Gott die Liebe ist und wenn ich in dieser Liebe geborgen bin, dann gehören doch zu dieser Beziehung auch alle Menschen dazu, die Gott liebt und die ich auf dieser Erde geliebt habe. Wir sind eine Gemeinschaft.

Letztlich ist das die Aufgabe der Kirche: Den Menschen bewusst zu machen, dass wir eine Liebesgemeinschaft mit Gott sind. Wir sind keine Solotänzer, von denen jeder nur auf seinen Einzelauftritt lauert. Gott will, dass wir uns hier auf Erden als Gemeinschaft auf ihn zu bewegen.

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