Wo das heilende Wasser fließt

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Chrisamöl und Weihrauchschiffchen: Alt-Erzbischof Zollitsch weiht den Altar

Als Bad Rappenaus Katholiken ihre sanierte Herz-Jesu-Kirche nach eineinhalb Jahren erstmals wieder betreten durften, mussten sie unwillkürlich blinzeln. Draußen Novemberdunkel, drinnen heilige Helle mit einem Hauch von Gold.

Weiß glänzten die Festern, weiß schimmerten die Wände und weiß leuchteten auch die Gewänder der Zelebranten, die zum Festgottesdienst angereist waren.

Allen voran Robert Zollitsch, der die neuen Prinzipalien – Taufbecken, Ambo und zwei Altäre – weihte. Dem Alt-Erzbischof gefiel, was er sah. „Diese Kirche ist ein einlandendes Haus“, sagte Zollitsch. „Und ein Juwel“.

Zwei Stunden Gottesdienst, zwei ausgezeichnete Chöre, vier Priester, viel Weihrauch, die Heiligen-Litanei – und dann endlich die Weihe

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Uralte Zeremonie: Die feierliche Weihe des Wassers

Der ehemalige Freiburger Oberhirte ist älter und schmaler geworden. Umso mehr verblüffte der ungewohnt kämpferische Ton seiner Predigt. Mit deutlichen – und sogar lauten – Worten prangerte Robert Zollitsch die Christenverfolgung in Syrien und im Irak an. „Wir dürfen uns nicht in die binnenkirchliche Kuschelecke zurückziehen“, rief Zollitsch den mehr als 600 Gläubigen zu, die zum Wiedereinzug in die renovierte Kirche gekommen waren.

Sie erlebten ein Pontifikalamt im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr als zwei Stunden Gottesdienst, zwei ausgezeichnete Chöre, vier Priester, viel Weihrauch, die Heiligen-Litanei und als Höhepunkt die feierliche Weihe der beiden Altäre. Eine uralte Zeremonie. Der ehemalige Erzbischof krempelte dazu die Ärmel seines Gewandes hoch, salbte den Altartisch energisch mit duftendem Chrisamöl und positionierte schließlich an jeder Ecke brennende Weihrauch-Schiffchen. Katholischer geht es nicht. „Eine Altarweihe ist immer eine ergreifende Zeremonie“, befand Dekan Thomas Hafner nach der Messe.

Wasser ist das beherrschende Element in dieser Kirche

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Wasser als Leitmotiv: Im Sandstein der Altäre sieht man versteinerte Meereslebewesen

Der neue Haupt- und der neue Seitenaltar der Herz-Jesu-Kirche sind aus seltenem graugrünen Sandstein gefertigt, der nur in der Nähe von Soest gebrochen wird. „Der Stein ist mehr als 20 Millionen Jahre alt und voll versteinerter Meereslebewesen“, erklärte die Essener Künstlerin Gabriele Wilpers. Meer. Salz. Wasser. Bad Rappenau. Kein Wunder, dass Gabriele Wilpers das Wasser als beherrschendes Element für die „neue“ Kirche wählte.

Im Goldrelief hinter dem Tabernakel plätschern Wellen. Die hölzerne Madonna steht vor einer goldenen Wand, auf der gläserne Tautropfen glitzern. Das diffuse Licht, das durch die weißen Künstlerfenster im Chor hereinströmt, mündet in ein weißes Wandrelief, „das von links nach rechts strömt“. (Wilpers) „Der Mut, den die Katholiken mit ihrem Umbau aufbrachten, ist belohnt worden, erklärte Oberbürgermeister Hans-Heribert Blättgen in seinem Grußwort. „Man fühlt sich wohl, wenn man diese Kirche betritt.“

Es ist immer eine Gratwanderung, eine Kirche aus den 1950er Jahren zu sanieren

Tatsächlich ist es immer eine Gratwanderung, eine Kirche aus den 1950er Jahren zu sanieren. Sie ist nicht alt genug, um respektvolle Scheu vor Veränderungen hervorzurufen. Aber man darf das ursprüngliche künstlerische Konzept auch nicht einfach zerstören.

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Die Empore mit dem Kreuzweg-Sgraffito ist erhalten geblieben

Der katholischen Pfarrgemeinde Bad Rappenau und dem jungen Architekten Matthias Fuhrmann vom Erzbischöflichen Bauamt in Heidelberg ist das Kunststück gelungen, Herz Jesu architektonisch ins Jahr 2014 zu katapultieren und den Stil der Fünfziger Jahre trotzdem zu erhalten. Dass das nicht allezeit konfliktfrei ablief, verrrieten einige Randbemerkungen.

Jetzt aber sind sie noch da, die filigranen Pilaster, die die Empore tragen. Und der zarte, stilisierte Kreuzweg, der die Balustrade schmückt. Auch die Bänke wurden nur überarbeitet. Allein der riesige Christus aus Bronze hinter dem Altar hat das Kreuz verloren, an dem einst hing. Jetzt schwebt der Heiland mit segnenden Händen an zwei Stahlseilen in den Chor hinunter. „Aus einer Karfreitagskirche ist eine Osterkirche geworden“, freut sich die Künstlerin Gabriele Wilpers.

„Aus der Karfreitagskirche ist eine Osterkirche geworden“

Ultramodern sind die Elektrik, die Heizung – und das gläserne Foyer rund um den Haupteingang. Es bietet nicht nur einen bequemen Zugang für Menschen mit Gehbehinderung, sondern auch einen automatischen Türöffner.

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Ideal für Menschen mit Gehbehinderung: Das neue gläserne Foyer rund um den Haupteingang

Außerdem kann man hier bei schlechten Wetter nach dem Gottesdienst noch etwas plaudern. Über dieses Foyer wurde in den letzten Wochen in Bad Rappenau heiß diskutiert. Die Rollstühle und Krücken bei Festgottesdienst bewiesen jedoch, wie nötig dieser barrierefreie Zugang zum Kirchenraum ist. Gerade in einer Kur- und Rehabilitationsstadt.

1,2 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. 15 Monate hat sie gedauert. Das Ergebnis ist toll. Das letzte Wort hat Pfarrer Vincent Padinjarakadan. Doch er schweigt. Stattdessen blickt der Pfarrer voll Sehnsucht hinauf zur leeren Empore seiner Kirche. Eine Orgel für Herz Jesu, will dieser Blick sagen, würde das katholische Glück in Bad Rappenau perfekt machen.

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