Wie funktioniert Auferstehung?

Ein Frühlingsmorgen. Der Hauch von Hoffnung liegt in der Luft, doch die junge Frau auf dem Friedhof spürt ihn nicht. Sie weint. Der Mann, den sie geliebt hat, ist tot. Vor drei Tage hat man ihn zu Grabe getragen. Wie soll man diesen Schmerz aushalten?

Tränenblind schleppt sie sich zum Grab. Es ist offen. Jemand hat den schweren Stein weggewälzt. Und es ist leer. Dort drüben – eine Gestalt. Der Gärtner? Außer sich vor Entsetzen stürmt sie auf den Mann zu. Er steht ruhig da und lässt sie herankommen. Dann sagt er leise, sanft und zärtlich: „Maria.“

Sinnlicher und medientauglicher als das Johannes-Evangelium kann man die Oster-Botschaft von der Auferstehung Christi nicht vermitteln. Dennoch nimmt das Interesse am Ewigen Leben hierzulande von Jahr zu Jahr ab. Nur noch 37 Prozent der Deutschen, so die jüngste Forsa-Umfrage, glauben an die Auferstehung von den Toten. Das sind deutlich weniger als die Kirchen Mitglieder zählen. Ist Ostern ein Auslaufmodell? Fragen an Professor Jochen Cornelius-Bundschuh, den evangelischen Landesbischof von Baden.

Herr Landesbischof, was passiert mit uns, wenn wir tot sind?

Glasfenster Providenz

Ich vertraue darauf, dass alles, was mich als Person auszeichnet, nach dem Tod einen Platz bei Gott findet. Dabei ist mir der Gedanke der leiblichen Auferstehung sehr wichtig. Es gibt ein schönes Bild: Wenn nur die Seele Christi auferstanden wäre, hätte der Stein nicht vom Grab gewälzt werden müssen. Die Seele wäre durch die Ritze geschlüpft. Das finde ich treffend, weil es sagt, dass Gott mich als Mensch mit all meinen Narben, all meinen Stärken und Schwächen zu sich nimmt. Im Himmel gibt es nicht nur perfekte, glatte Menschen, nicht nur schöne, reine Seelen. Nein, bei Gott bin ich als ganzer Mensch aufgehoben.

Das klingt doch gut. Warum mag das 21. Jahrhundert nicht mehr an dieses Ewige Leben glauben?

Die Umfragen, die ich kenne, deuten darauf hin, dass die Menschen schon noch etwas nach dem Tod erwarten. Einen radikalen Gegenwartsbezug nach dem Motto „nach dem Tod ist alles aus“ findet man selten. Dem, was wir als Auferstehung bezeichnen, stehen allerdings viele skeptisch gegenüber. Stattdessen gibt es so vage Ideen von Wiedergeburt oder Seelenwanderung. Man glaubt, dass die Seele des Menschen etwas ist, was schon immer da war und immer da sein wird. Nach dem Tod kehrt diese Seele zurück in einen ewigen Strom oder sonst irgendetwas. Ich höre in dieser Vorstellung eine gewisse Hoffnungslosigkeit. Eine Skepsis der Menschen sich selbst gegenüber. Denn all diese Seelen-Vorstellungen verzichten ja auf den Erhalt von Individualität und Subjektivität.

Dabei wurde noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte so viel Wert auf Individualität und Selbstverwirklichung gelegt wie heute?

Die eigentliche Herausforderung an jeden Menschen ist der Umgang mit dem Tod. Aus der wachsenden Skepsis gegenüber einem Leben nach dem Tod resultiert automatisch eine Aufgeregtheit vor dem Tod. Ich muss alles im Hier und Jetzt erreichen, weil ich skeptisch bin, das hinterher noch etwas kommt. Diese Haltung erzeugt einen ungeheueren Druck. Man lebt in beständiger Angst, etwas zu verpassen. Wenn ich hingegen darauf vertraue, dass ich nach dem Tod eine neue Wirklichkeit gibt, die kräftig ist, die schön ist, die Seligkeit verspricht, dann steckt da eine große Leichtigkeit drin. Leben und Sterben haben einen gemeinsamen Horizont.

Der Tod als Vollendung des Lebens?

Es kann sein, dass das die Vollendung ist. Aber nicht in dem Sinn, das dadurch das Leben abgewertet wird. Wenn es so wäre, hätte Gott seinen Sohn nicht auf die Erde geschickt. Mir ist wichtig, dass Auferstehung ganz viel damit zu tun hat, wie Lebende und Tote miteinander umgehen.
Wenn meine Großmutter mit 80 Jahren nach einem reichen Leben stirbt, bin ich trotzdem traurig. Sie fehlt mir. Wenn ein Kind früh stirbt, ist der Verlust noch viel, viel schlimmer. Da bedeutet es etwas, wenn ich sagen kann: Ich glaube an die Auferstehung der Toten. Die Kirche hat an dieser Stelle eine besondere Verantwortung. Wir müssen den Menschen Mut machen, diesen Satz nachzusprechen.

Sehen wir unsere Lieben denn im Himmel wieder?

Wenn ich mir die biblischen Texte ansehe, weiß ich nicht, ob ‚Wiedersehen‘ der richtige Begriff ist. Alles, was wir über die Auferstehung Christi wissen, zeigt, dass die bisherige Kommunikation nicht bruchlos fortgesetzt wird. Als Maria von Magdala den Auferstandenen auf dem Friedhof umarmen will, weist er sie zurück: ‚Berühr mich nicht’. Zum Tod gehört die Trennung. Das Miteinander danach hat eine neue Qualität. Die Toten gehören zu uns, aber sie sind zugleich in einer besonderen Weise frei von uns.

Alles, was einen Menschen ausmacht, sein Leib und sein Denken, sein Tun und sein Lassen, seine Reden und sein Verschweigen, all das ist mit dem Tod endgültig der Verfügung anderer Menschen entzogen und wird von Gottes Gegenwart durchdrungen. Was nicht heißen soll, dass wir im Himmel in totaler Vereinzelung leben. So als säße jeder in seiner eigenen himmlischen Videokabine. Ich glaube schon, dass es in der Geborgenheit bei Gott eine Form von Gemeinschaft, von Miteinander, von Begegnung und Kommunikation gibt.

Maria von Magdala steht dem auferstandenen Jesus auf dem Friedhof direkt gegenüber. Trotzdem erkennt sie ihn nicht. Die hält ihn sogar für einen Gärtner. Warum?

Es geschieht eine Verwandlung durch den Tod. Der Auferstandene existiert in einer verwandelten Art von Sein. Aber er wird trotzdem nachträglich als derjenige wiedererkannt, der er ist. Das ist interessant. Der Auferstandene hat also seinen personalen Kern behalten. Er lebt in einer neuen Existenz und ist zugleich der Mensch, der er vorher war. Sehr schön sieht man das auch bei der Begegnung des Auferstandenen mit Thomas im Johannes-Evangelium. Thomas muss Jesus berühren, um zu glauben. Er stellt fest, dass die Wunden der Kreuzigung alle noch da sind. Es ist also nicht nur ein abstrakter Kern, eine Idee, eine ewige Seele, die seit Ostern weiterlebt, sondern ein erkennbarer Mensch ist auferstanden. Mit den Narben seines Lebens, mit der Fähigkeit zur Kommunikation, mit der Kraft, andere Menschen zu verändern, zu bewegen, zu trösten.

Und mit der Fähigkeit, durch Wände zu gehen.

Ja, es ist eine Doppelexistenz. Die Frage ist nur, liegt diese Doppelexistenz beim Auferstandenen oder bei uns? Der Auferstandene sieht und kann alles. Wir hingegen nehmen nur einen begrenzten Teil seiner neuen Existenz wahr.

Es gibt im Heidelberger Katechismus diese interessante Antwort auf Frage 45, die darauf hinweist, dass es uns möglich ist, schon jetzt aus der Auferstehungskraft zu leben. Wenn man das ernst nimmt, entdeckt man im Leben jedes Menschen Situationen, in denen andere sagen: Ich erkenne dich ja gar nicht wieder. Plötzlich kommt etwas zum Tragen, was man im Anderen noch nie gesehen hat. Das ist eine vergleichbare Situation zu dem, was sich an Ostern einstellt. Wir kriegen im Leben schon ein Stück vom Himmel ab, aber es steht auch noch etwas aus. In dieser Spannung bewegen wir uns.

Glauben Sie, dass alle Menschen in den Himmel kommen. Selbst wenn sie Böses getan haben?

Ich glaube, dass es ist richtig ist, erst einmal den Zuspruch zu hören. Gott hat uns zugesagt, uns auch durch die Sünde hindurch noch einmal auf einen Weg zu seiner Gegenwart zu bringen. Er wird sicher dafür sorgen, dass wir nicht stecken bleiben in dem, was wir anderen schuldig geblieben sind oder Schlimmes getan haben. Wenn ich mir anschaue, wie Christus über die Erde gelaufen ist, dann hat er immer wieder genau das gemacht. Die Andere haben gesagt: Der ist unmöglich, gib den auf. Aber Christus ist er dabei geblieben: Bei Gott gibt es immer einen Weg.

Dieser Weg kann aber durchaus schmerzhaft sein. Ich glaube, dass es einen Moment des Aufdeckens gibt. Die Bibel durchzieht eine Lichtmetaphorik. All diese Lichtbilder haben damit zu tun, dass das Dunkle, das ich mitbringe, klar wird. Vielleicht ist dieser Moment der schlimmste meines Lebens. Wenn mir selber klar wird, dass ich dem nicht gerecht geworden bin, was ich eigentlich wollte. Oder dass ich Menschen Dinge angetan habe, die ich mir nicht zugestanden haben. Diese Metaphorik des Aufdeckens, die sich mit dem Gericht und dem Tod verbindet, die nehme ich sehr ernst. Ich werde über mich Dinge erfahren, die ich im Leben nicht so gerne wissen wollte.

Es gibt also keine ewige Verdammnis?

Ich hoffe nicht. Aber es gibt ein Gericht. Die Frage ist, welche Rolle Christus bei diesem Gericht spielt. Ich sehe ihn als unseren Rechtsanwalt gegenüber Gott. Er wird Fürbitte halten für uns. Und dann eröffnet Gott dem betreffenden Menschen doch noch etwas. Selbst in Situationen, in denen wir Menschen nicht mehr verzeihen würden. Wenn jemand Kindern oder seiner Familie etwas angetan hat. Oder die Shoa …. Dieser Gedanke ist schwer auszuhalten. Das lässt sich auch für mich als Theologe und Christ nicht auflösen. Man muss damit ringen.

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