„Das kriegt niemand auf die Reihe“

Grombach3 - 1
Dekan Wolfram Stockinger tritt zurück. Die Arbeitsbelastung sei erdrückend.

Wolfram Stockinger tritt zurück. Am 1. August 2017 wird er sein Amt als katholischer Dekan von Bruchsal niederlegen. Aus Protest gegen die viel zu hohe Arbeitsbelastung.

Stockinger betreut als Dekan ein Gebiet, das von Philippsburg im Nordwesten bis Bretten im Süden und Eppingen-Elsenz im Osten reicht. 123 000 Katholiken leben hier. Gleichzeitig kümmert er sich als Pfarrer um die 5070 Seelen in der großen Seelsorgeeinheit „Heiliger Geist Kraichtal-Elsenz“, zu der sich 2015 zehn Dörfer zusammengeschlossen haben. „Das sind zwei volle Leitungsfunktionen“, sagt Wolfram Stockinger. „Das kriegt niemand auf die Reihe.“

Dekan Stockinger wollte ein Zeichen setzen.

Das Dekanat Bruchsal ist riesig. 123 000 Katholiken leben hier.

Natürlich hätte Pfarrer Stockinger, ein agiler Endvierziger, die nächsten zwei Jahre als Dekan noch durchhalten können. 2019 wäre seine zweite Amtszeit regulär ausgelaufen. Aber so ruhig wollte Stockinger nicht gehen. Er wollte ein Zeichen setzen. Ein „Signal“ an Erzbischof Stephan Burger, wie der Bruchsaler Dekan formuliert. „Ich möchte dem Erzbischof klar machen, dass es so nicht weitergeht. Immer weniger Priester und Hauptamtliche sollen immer noch mehr machen. Die Qualität unserer Arbeit leidet darunter sehr.“

So berechtigt diese Klage sein mag, der Freiburger Erzbischof kann trotzdem nicht mehr Personal aus dem Ärmel schütteln. Der Priestermangel ist dramatisch, die Zahl der Pastoral- und Gemeindereferenten nimmt ebenfalls stark ab. Das weiß natürlich auch Wolfram Stockinger. Was genau fordert er also?

Eine erdrückende Zahl von Meetings mit weiten Anfahrtswegen

Zunächst eine bessere und durchlässigere Kommunikation. „Ich möchte, dass man uns ernst nimmt mit unseren Sorgen, Anliegen und begrenzten Ressourcen. Stattdessen drückt das Ordinariat den Dekanaten immer noch mehr administrative Aufgaben aufs Auge.“ Das komplizierte computergestützte Visitationsprogramm LEVI beispielsweise. Oder die Umstellung auf jährliche Firmungen. „Es macht den Eindruck, als wälze die Diözesanleitung vieles einfach auf die Dekanate ab“, sagt Wolfram Stockinger.

Die Seelsorgeeinheit Kraichtal-Elsenz. Hier ist Wolfram Stockinger glücklich.

Die Folge seien eine erdrückende Zahl von Meetings und Konferenzen, die im Riesendekanat Bruchsal mit weiten Anfahrtswegen verbunden sind. „Wenn ich meine Ministrantenarbeit aufgeben muss, weil noch mehr Konferenzen noch mehr Fahrzeit erfordern, dann ist bei mir eine Grenze überschritten.“ Aufgeblähte Verwaltung statt tragfähiger Zukunftsperspektiven. Wolfram Stockinger, eigentlich ein sehr freundliches Naturell, bringt das auf die Palme.

„Wir müssen endlich die alten Vorstellungen von Kirche loslassen“, fordert der scheidende Bruchsaler Dekan. „Es können künftig nicht mehr in jedem Dorf Gottesdienste gefeiert werden.“ Nur Zentralisierung sichere die Qualität der Eucharistiefeiern. Das kirchliche Leben vor Ort hingegen müsse sehr individuell zugeschnitten werden. „Da sehe ich eine große Chance in der Ökumene“, überlegt Wolfram Stockinger. Es sei doch nicht sinnvoll, dass sich in der katholischen Kirche zehn Gläubige zur Wortgottesfeier treffen und zwei Straßen weiter zehn Evangelische ihren Gottesdienst feiern.

Momentan ist noch niemand bereit, das Amt des Dekans zu übernehmen

Mehr als 50 Ministranten zählt die Seelsorgeeinheit. Irgendwo mittendrin steht Pfarrer Stockinger.

Wie es ab August im Dekanat Bruchsal weitergeht, weiß derzeit niemand. Das Dekanat ist eines der größten im Erzbistum Freiburg. 2007 entstand es aus der Fusion der ehemaligen Dekanate Bruchsal und Philippsburg sowie aus Teilen des Dekanats Bretten. Momentan sei noch keiner seiner Kollegen bereit, das Amt des Dekans zu übernehmen, sagt Wolfram Stockinger. Da liegt noch eine Menge Überzeugungsarbeit vor Erzbischof Stephan Burger.

Wolfram Stockinger jedenfalls freut sich auf die Zeit, wenn er nur noch Pfarrer in Kraichtal ist. Denn mit seinem Beruf ist er glücklich. „Ich bin sehr gerne Pfarrer und möchte das auch bleiben.“ Um die Zukunft der katholischen Kirche ist Stockinger auch nicht bange. Im Gegenteil. „Wir werden zwar nur noch wenige sein, aber die stehen hundert Prozent hinter der Sache.“

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