Ein Erzbischof zwischen zwei Päpsten

Szenen wie nach einem Popkonzert: Georg Gänswein  in Mannheim

Am Ende stand Georg Gänswein an der Wand, eingekeilt von einer gewaltigen Menschenmenge. Man wollte dem ehemaligen Papstsekretär die Hand schütteln, das neue Gesangbuch signiert bekommen oder zusammen mit ihm für ein Foto auf dem Handy posieren. „Erzbischof Georg Gänswein und ich, gestern in Mannheim“.

Der Stargast, mittlerweile 57 Jahre alt und deutlich ergraut, ertrug den Andrang mit vorbildlicher Nonchalance. Gänswein beantwortete jede Frage mit charmantem Lächeln und einem Gesicht, als könne er sich keinen schöneren Ort vorstellen, als den vollgestopften unterirdischen Ignatiussaal neben der Mannheimer Jesuitenkirche. Ein Vollprofi in Sachen Aura. Kein Wunder, dass am gestrigen dritten Fastensonntag mehr als tausend Menschen in die Jesuitenkirche geströmt waren, um Georg Gänsweins Predigt zu hören. Das Thema: „Papst Franziskus und die offenen Türen“.

Drei Goldmedaillen für die beiden Päpste und Gänswein 

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„Aus Sicht der Glaubenslehre gibt es keinen Unterschied zum Pontifikat von Benedikt XVI.“

Es ist zugegebenermaßen nicht einfach, in der Fastenzeit ein festliches Pontifikalamt zu feiern. Keine Orgelfluten beim Einzug, kein Blumenschmuck, kein donnerndes Te Deum, noch nicht einmal ein kleines Halleluja. Stattdessen karges Violett und viel Kyrie. Trotzdem gaben die Mannheimer Katholiken unter Führung von Dekan Karl Jung alles, um „unserem Erzbischof Georg Gänswein“ (Jung) einen würdigen Rahmen zu bieten. Schier endlos war die Schlange der Ministranten, die den Zelebranten voraus schritt, erlesen gewandet die Gemeinde in den Reihen, hochglänzend poliert die prächtigen Schalen und Kelche auf dem Altar, ausgezeichnet der Chor.

Und dann überreichte Dekan Jung seinem römischen Gast auch noch drei Goldmedaillen der Jesuitenkirche, die „höchste Auszeichnung, die die katholische Kirche in Mannheim zu vergeben hat.“ Ein Goldstück war für Gänswein selbst bestimmt, der als Student in Freiburg mit dem Mannheimer Dekan in einer WG für Priesteramtskandidaten gewohnt hatte. Die anderen beiden Medaillen sollte der Kurienerzbischof an Papst Franziskus und an Papst Benedikt weitergeben. Als Dank für die Grüße, die die Heiligen Väter ihm für die Mannheimer mitgegeben hatten. Klarer konnte man Georg Gänsweins merkwürdigen Status im Vatikan nicht sichtbar machen. Ein Erzbischof zwischen zwei Päpsten.

„Papst Benedikt geht es gut. Er ist inzwischen ein älterer Herr“

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Eine Goldmedaille für Gänswein, eine für Franziskus und eine für Benedikt XVI.

Offiziell führt Georg Gänswein als Präfekt den Päpstlichen Haushalt. Er kümmert sich um alles, was im päpstlichen Appartamento im apostolischen Palast geschieht. Früher fanden hier alle wichtigen Empfänge und Besprechungen statt, der Päfekt stand im Mittelpunkt des Geschehens. Papst Franziskus jedoch hält das anders. Er lebt im Gästehaus Santa Marta und betritt das Appartamento lediglich zur Mittagszeit, wenn er auf den Balkon hinaustritt, um zusammen mit der Menschenmasse auf dem Petersplatz den „Engel des Herrn“ zu beten.

Danach kehrt Franziskus zurück ins Gästehaus und Georg Gänswein begibt sich zu seiner Wohnung im Haus des emeritierten Papstes Benedikt, dessen Privatsekretär er bis heute geblieben ist. „Papst Benedikt geht es gut“, berichtete Georg Gänswein beim Empfang in Mannheim. „Er ist inzwischen ein älterer Herr, der etwas langsamer geht. Aber im Kopf ist er glasklar, nimmt Anteil und hat nach wie vor großen Humor.“

„Einen Stilkonflikt zwischen den beiden Päpsten gibt es nicht“

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Der Kurienerzbischof ist Vollprofi in Sachen Aura.

Franziskus tagsüber, Benedikt morgens und abends. Dieses Wechselbad der Stile muss man erst einmal aushalten. Georg Gänswein gibt offen zu, dass er dazu eine Weile gebraucht hat. Und vielleicht rühren daher auch einige seiner grauen Haare. Ein „Stilkonflikt“, sagte Gänswein beim Empfang im Ignatiussaal, existiere allerdings weder zwischen ihm und Papst Franziskus noch zwischen den beiden Päpsten. „Aus Sicht der Glaubenslehre und der Verkündigung gibt es keinerlei Diskontinuität zum Pontifikat von Benedikt XVI.“, betonte der Kurienerzbischof in seiner Predigt. „Papst Franziskus nimmt in seinen Ansprachen regelmäßig Bezug auf das Wirken und Denken seines Vorgängers.“

Wobei wir es natürlich mit einer „offensichtlichen Verschiedenheit“ der Charismen, der Erfahrungen, der pastoralen Sensibilität, des Stils und der Sprache zu tun hätten. Papst Franzikus sei in gewisser Weise der „Pfarrer der Welt“ geworden. „Er trifft ins Schwarze, nicht weil er auffallende und neue Dinge sagen würde, sondern weil er zum Herzen spricht, in der Weise, dass er die großen und die kleinen Dinge des Alltags mit dem Evangelium in Zusammenhang bringt.“

Erzbischof Gänswein und ich . Gestern. In Mannheim.

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Die Mannheimer Jesuitenkirche könnte auch Kathedrale.

Das überzeugende Charisma des  argentinischen Papstes, so analysierte Gänswein, resultiere aus seiner „innere Freiheit“ und „äußeren Unbefangenheit“. Die Haltung von Papst Franziskus sei frei von allem Überflüssigen. „Die Vereinfachungen, die er in seinem persönlichen Lebensbereich vorgenommen hat, finden sich ebenso in seinem amtlichen Tätigkeitsfeld. Sie sind Ausdruck einer Freiheit, die der Papst für absolut notwendig hält.“

Franziskus wolle die Türen aufreißen, auf die Straßen gehen, an die Peripherie der Existenz, „dorthin, wo man dem Herrn begegnet“ (Gänswein). Sehr zum Leidwesen aller Bürokraten und Ordnungsfanatiker im Dienst der Kirche. „Salonchristen“ nenne Franziskus all jene, die „beim Nachmittagstee über Gott räsonieren, aber Mühe und Freude eines gelebten Glaubens nicht kennen“, sagte Georg Gänswein in seiner Fastenpredigt.

Es war eine gute Predigt. Auch weil Georg Gänswein nie ein Hehl daraus machte, dass einige der Ideen von Papst Franziskus nicht seinem persönlichen Geschmack entsprechen. Aber Gänswein hat nicht umsonst im Fach Kirchenrecht promoviert. Er betrachtet die Dinge nüchtern, nimmt Veränderungen zur Kenntnis. Und dann schaltet er sein Lächeln wieder ein und posiert fürs nächste Selfie. „Erzbischof Gänswein und ich. Gestern in Mannheim.“

 

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