Längst gilt Margit Fleckenstein als die Grande Dame der evangelischen Landeskirche in Baden. 18 Jahre lang saß die Justizrätin, die in der Seniorenresidenz „Augustinum“ auf dem Heidelberger Emmertsgrund lebt, als Präsidentin der Landessynode vor. Das ist das höchste Ehrenamt in der evangelischen Kirche von Baden. An Margit Fleckenstein führte kein Weg vorbei. Bei der Frühjahrssynode verabschiedete sich die 73-Jährige jetzt endgültig von all ihren Ämtern und erlebte eine riesige Überraschung: Der scheidenden Landesbischof Ulrich Fischer ehrte Margit Fleckenstein mit der „Unionsmedaille in Gold“, einer der höchsten Auszeichnung der badischen Landeskirche. Chapeau!
Mannheim-Käfertal, zehn Uhr morgens, vor circa zwei Jahren. Interview und Fototermin mit Frau Justizrätin Fleckenstein. Man klingelt, hört Schritte, die Tür öffnet sich und da steht die Vorsitzende der Badischen Landessynode – im Hausanzug aus Nickistoff. Von einer Grippe geplagt hätte Margit Fleckenstein eigentlich das Bett hüten sollen, doch einen zugesagten Termin streichen, das ist nicht ihr Stil. Also weg mit der Eitelkeit und der Decke, her mit den Fragen. Souveräner geht es nicht. So ist Margit Fleckenstein. „Eine einzigartige Frau mit einzigartigem Engagement“, sagte Ulrich Fischer gestern Abend in seiner Laudatio.
Die Eltern verloren alles in den Mannheimer Bombennächten
Im November 1940 wurde Margit Fleckenstein in Mannheim geboren. Damals stand die Stadt noch. Fünf Jahre später fand man nur noch Trümmer. Auch die Eltern der kleinen Margit hatten in den Bombennächten all ihr Hab und Gut verloren und mussten mit eisernem Wille ganz von vorne anfangen, erzählte die leidenschaftliche Prädikantin Fleckenstein einmal in einer ihrer Predigten.
Ein seltenes privates Detail. So eloquent, durchsetzungsstark und schlagfertig die Justizrätin auftritt, wenn es um ihre Mandanten oder um ihre Kirche geht, so verschwiegen hütet sie ihr Privatleben. Margit Fleckenstein soll einen Sohn haben. Der Ehemann, er war ebenfalls Jurist, verstarb schon vor Jahrzehnten. Seither wohnte Margit Fleckenstein allein in ihrem Käfertaler Einfamilienhaus aus den Siebzigern und machte es zu einer protestantischen Legende.
In der Kellerbar des Bungalows sollen sich 18 Jahre lang die Entscheidungsträger der evangelischen Landeskirche zum „gemütlichen Beisammensein“ getroffen haben. Man darf getrost davon ausgehen, dass hier so manche Weiche gestellt wurde.
Die wichtigsten Entscheidungen fielen in der Käfertaler Kellerbar
Ulrich Fischer beispielsweise, vor 16 Jahren noch Dekan von Mannheim, wurde in der Fleckensteinschen Kellerbar davon überzeugt, für das Amt des Landesbischofs zu kandidieren. Für Fischer muss es ein langer Abend gewesen sein. „Wir befanden uns in der Passionszeit und das Ehepaar Fischer trank nur Wasser“, verriet Margit Fleckenstein später mit leisem Lächeln. Jochen Cornelius-Bundschuh, der kommende Landesbischof, hat die Käfertaler Kellerbar nicht mehr erlebt. Als seine Zeit herankam, war Margit Fleckenstein schon dabei, in die Seniorenresidenz Augustinum auf dem Heidelberger Emmertsgrund überzusiedeln. Hier wohnt sie jetzt Tür an Tür mit dem pensionierten Oberkirchenrat Gerhard Vicktor und seine Gattin. „Der Blick aus meinem Appartement hinüber zum Pfälzer Wald ist phantastisch“, schwärmt Margit Fleckenstein.
Humanistisches Gymnasium in Mannheim, Jurastudium in Heidelberg. 1968 legte Fleckenstein das zweite Staatsexamen ab und gründete eine eigene Kanzlei in Ludwigshafen mit dem Schwerpunkt Zivil- und Wirtschaftsrecht. Bundesweit für Aufsehen sorgte Margit Fleckenstein aber immer wieder als Strafverteidigerin in spektakulären Kriminalfällen.
Das Modell für die Zukunft: Die Philippuskirche
Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich die Anwältin als Älteste in der Philippus-Gemeinde in Mannheim-Käfertal. Im Oktober 1996 wurde sie als erste Frau an die Spitze der evangelischen Landessynode in Baden gewählt. Sie ist Mitglied der EKD-Synode und saß bis 2009 im Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland. 1998 erhielt Margit Fleckenstein das Bundesverdienstkreuz. 2004 verlieh ihr das Land Rheinland-Pfalz den Titel „Justizrätin“. Seit 2009 besitzt sie die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Und jetzt also die Unionsmedaille in Gold.
Stolz sei sie, sagt Margit Fleckenstein, dass es der Badischen Landeskirche gelungen sei, durch ein radikales Sparprogramm die Finanzen in den Griff zu bekommen. Stolz sei sie aber auch auf die Bischofswahl im vergangen Jahr, die so transparent und demokratisch gewesen sei wie noch keine Wahl zuvor.
Und natürlich ist Margit Fleckenstein auch ein bisschen stolz auf die Philippuskirche in Käfertal, die als erstes Gotteshaus die Gemeinderäume in den Sakralraum integriert hat. Ein gelungenes Experiment, das derzeit überall Schule macht. „Margit Fleckenstein hat ihr Ohr immer am Puls der Zeit“, konstatiert der Käfertaler Pfarrer Gerd Frey-Seufert. Sie könne Dinge schnell auf den Punkt bringen und denkerisch strukturieren. Und Margit Fleckenstein hat Humor. „Wenn wir keine Kritik aus unserer Landeskirche erhalten hätten, hätte etwas nicht gestimmt“, sagte die Vorsitzende vor der letzten Bischofswahl-Synode „Dafür sind wir schließlich Protestanten.“
Frau Fleckenstein habe ich als Persönlichkeit mit einer starken Präsenz in unserer Landeskirche wahrgenommen. Dass Landesbischof Fischer sein Amtskreuz durch ihre Hände an den Nachfolger Bundschuh überreichte, empfand ich als eine eindrucksvolle symbolische Geste. So wurde sie als Präsidentin der Landessynode noch deutlicher als bisher öffentlich wahrgenommen.
Schon bei den Vorstellungsgottesdiensten der drei Kandidierenden für das Bischofsamt machte sie das bei den jeweiligen Begrüßungen in Mannheim, Wertheim und Pforzheim deutlich.
Liebe Frau Fleckenstein, ich durfte Sie kennenlernen zu der Zeit als ich im Augustinum Heidelberg wohnte. Ihre Persönlichkeit, Ihr Humor und Ihre Nähe zu den Menschen habe ich stets bewundert. Legendär ist die Gestaltung Ihrer Gottesdienste. Danke für zahlreiche Predigten und Gespräche.