Für manche ist es der letzte Ausflug

Yuri Hramovs Bilder von krebskranken Jugendlichen gehen unter die Haut

In seiner russischen Heimat gilt Yuri Hramov als bekannter Fotograf. Mit einfühlsamen Schwarz-Weiß-Impressionen hat es der 48-Jährige zu beträchtlichem Ansehen gebracht. Das war in seinem ersten Leben. Das zweite begann, als er vor sieben Jahren das Moskauer Kinderkrankenhaus betrat. Als Fotolehrer sollte er schwerstkranken russischen Jugendlichen zeigen, wie man mit einer Kamera umgeht. Die traurigen Kinder blühten auf, Yuri Hramov hatte seine Lebensaufgabe gefunden.

Heute sind die Fotokurse aus der Moskauer Kinderklinik nicht mehr wegzudenken. Doch noch wichtiger sind für die kranken Kinder die Fotocamps, die Yuri Hramov seit zwei Jahren in Heidelberg organisiert. Der Fotograf wurde auf einem russischen Militärstützpunkt bei Ostberlin geboren und spricht ausgezeichnet deutsch.

Schon an Pfingsten soll die nächste Gruppe kommen

„Einmal Heidelberg sehen“: Für Jugendliche im Moskauer Kinderspital ein Traum

„Heidelberg ist für die Moskauer Kinder das Paradies“, sagt Hramov. „Die Stadt ist bunt und schön.“ Die meisten der jungen Russen reisen mit dem Fotokurs zum ersten Mal ins Ausland. Für einige wird es der letzte Ausflug ihres Lebens gewesen sein. Finanziert hat Yuri Hramov die Reisen nach Heidelberg bislang weitgehend selbst. Jetzt ist sein Geld aufgebraucht. „Wir benötigen etwa 20.000 Euro“, erklärt Abt Franziskus Heereman von der Benediktinerabtei Neuburg, die Hramov Arbeit unterstützt. „Schon an Pfingsten 2014 soll die nächste Jugendgruppe kommen.“

Eine Krebs-Therapie ist für jeden Menschen schwer auszuhalten. Für Jugendliche ist sie die Hölle. Die Haare fallen aus, das Gesicht quillt auf, überall Schmerzen, coole Aktivitäten mit Gleichaltrigen sind verboten. Traurige Kinder. „Es gab da ein Mädchen“, erzählt Yuri Hramov, „das wollte sich nicht einmal in der Klinik von seiner Perücke trennen. Obwohl dort niemand mehr Haare hat.“

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„Ich kann die Kinder nicht heilen, aber ich kann Farbe in ihr Leben bringen“

Der Fotograf gab ihr eine alte Lochkamera in die Hand und forderte sie auf, ihre Mitpatienten zu porträtieren. Das Mädchen fotografierte und fotografierte und fotografierte. Am nächsten Morgen war die Perücke verschwunden. „Wenn jemand meine Frisur schlecht findet“, erklärte sie, „ist das ab sofort sein Problem.“

„Kranke Kinder haben eine sehr eigene Sicht auf die Welt“

Fotos als Therapie? „Ich weiß, dass ich die Kinder nicht heilen kann“, sagt Yuri Hramov. „Aber ich kann ein wenig Farbe in ihr Leben bringen.“ Die Aufnahmen, die bei den Fotosessions im Krankenhaus entstehen, seien ungewöhnlich tief. „Kranke Kinder haben eine sehr eigene Sicht auf die Welt und das Leben.“ (Hramov) Bilder, die man zeigen sollte.

Zuerst war es nur das Nebenzimmer eines Spielwarengeschäfts. Dann eine populäre Moskauer Galerie. Heute touren 15 Ausstellungen mit Bildern der kranken Kinder durch Europa. Der Titel der Schau: „Kinder sehen die Welt und die Welt sieht Kinder“. Und natürlich gibt es auch Fotobücher.

Abt Franziskus Heereman fotografiert von Hramov

Wenn die Jugendlichen den Krebs besiegt haben, fallen sie in ein Loch

Für die Heidelberg-Camps reicht das Geld trotzdem nicht. Dabei wären die Workshops wichtiger denn je. Es genügt nämlich nicht, die Kinder zu betreuen, solange sie im Krankenhaus sind, haben Yuri Hramow und die Moskauer Kinderärzte herausgefunden. Wenn die Jugendlichen den Krebs besiegt haben, fallen sie draußen in ein richtig tiefes Loch. Die Welt der Gleichaltrigen ist ihnen fremd geworden, sie fühlen sich als Außenseiter, oft sogar als Versager.

Heidelberg gibt den Kindern ein Stück des Selbstbewusstseins zurück, das ihnen die Krankheit geraubt hat. Einkaufen gehen, selbst kochen, putzen, backen, ein Konzert besuchen, Essen in einem Restaurant bestellen. All das in einem fremden Land. Und dann natürlich das Fotografieren, das bei den meisten längst mehr ist als ein Hobby. „Einige meiner ehemaligen Fotokinder studieren heute an der Kunstakademie.“

Auch Hramovs Sohn hatte Krebs

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Ein Faible für alte Kameras: Yuri Hramov in Aktion

So wie Jewgeni, der zweite Sohn von Yuri Hramov. 20 Jahre alt ist er heute. Auch er lag einst in der Moskauer Kinderklinik und kämpfte gegen den Krebs. Jewgeni hat gewonnen und will jetzt Filmkurse für die kranken Kinder anbieten. Die Geschichte geht weiter. Wie auch immer.

Letzten Sommer entschloss sich Yuri Hramov, ein 19jähriges Mädchen mit nach Heidelberg zu nehmen, das schon vom Tod gezeichnet war. Aber sie wollte unbedingt noch diese Reise machen. Ein halbes Jahr später ist die junge Frau gestorben. „Bis zu ihrem letzten Tag hat sie von Heidelberg gesprochen“, erinnert sich Hramov. „Ihr letzter Wille war, dass ihre Asche in Deutschland verstreut werden sollte.“ Alle Spenden für das Projekt sammelt die Abtei Neuburg.

3 Gedanken zu „Für manche ist es der letzte Ausflug

  1. Ich liebe Heidelberg. Eltern lebte dort, bevor er in die Schweiz. Mit ihrer Enkelin zu Fuß auf Straßen der Stadt. Und jetzt leben unsere Leis. Aber jetzt habe ich mehr über eine Facette der Stadt gelernt. Es ist so wichtig für mich, auch, wollen etwas Nützliches für die Kinder zu tun.

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