Ein katholisches Energiewunder

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Eine Plus-Energie-Kirche: St. Martin in Meckesheim produziert mehr Energie als sie verbraucht.

Normalerweise diskutiert man vor einer Kirchensanierung über edle Materialien und sakrale Kunst. Nicht so in der katholischen Pfarrgemeinde von Meckesheim im Kraichgau. Hier sprach man über Polycarbonat, Wärmedämmung und Fotovoltaik. In Meckesheim nämlich steht eine der ersten „Plus-Energie-Kirchen“ des Erzbistums Freiburg.

„Unsere Kirche produziert mehr Strom, als sie verbraucht“, erklärt Pfarrgemeinderat Bernhard Heck. „Das habt ihr gut gemacht“, lobte Weihbischof Bernd Uhl bei der Einweihung. „St. Martin wird Vorbild sein für viele andere Kirchen.“

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Früher war St. Martin eine normale Sichtbeton-Kirche mit freistehendem Campanile.

Wäre es nur um die Optik gegangen, hätten die Meckesheimer wohl nie ans Umbauen gedacht. St. Martin ist eine puristische Betonkirche Baujahr 1962 mit freistehendem Campanile und elegantem Marmoraltar. Der einzige Schmuck im Kirchenraum sind die wunderschönen Künstlerfenster, die sich wie Fächer an beiden Seitenwänden auffalten.

„Die Fenster erzählen die Geschichte der Jünglinge im Feuerofen“, erklärt Pfarrer Bernhard Stern. „Mit lauter Stimme preisen sie die Schöpfung Gottes.“ Man sieht stilisierte Blumen, Bäume, Vögel und sogar einen Graupelschauer. Eine Kirche, in der man sich durchaus wohl fühlen kann.

Wie dämmt man eine Kirche, deren Wände Künstlerfenster sind?

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Jetzt ist sie ein Vobild-Gotteshaus für die Erzdiözese Freiburg.

Sofern man warme Füße hat. Und genau da lag das Problem. Die hohe Halle mit den vielen Fenstern zu heizen, ist heutzutage unbezahlbar. St. Martin im Winter zu schließen, wäre einem Todesurteil gleich gekommen. Doch wie dämmt man eine Kirche, deren Wände zu zwei Dritteln aus Künstlerfenstern bestehen?

Die Antwort stammt aus dem Industriearchitektur. Dort gilt hochdämmendes transluzentes Polycarbonat als Material der Stunde. Der Kunststoff ist auf der Außenseite milchig-weiß und blickdicht, von innen kann man durch ihn hindurchsehen wie durch Glas. Industrieunternehmen sparen sich durch Polycarbonat-Wände die Fenster in ihren Produktionshallen. Die Meckesheimer Katholiken halten durch eine Vorfassade aus Polycarbonat vor ihren Künstlerfenstern die Wärme im Raum ohne auf die zauberhaften Lichtspiele verzichten zu müssen. Im Kirchenraum bemerkt man von dem Kunststoff nichts. Von außen muss man sich an den neuen Look der Kirche erst gewöhnen.

Eine Fotovoltaikanlage macht St. Martin zum sakralen Kraftwerk

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Die Künstlerfenster sind der einzige Schmuck der Kirche.

Für angenehme Temperaturen im Kirchenraum sorgt jetzt eine Warmluftheizung. „Sie nutzt die Luft, die sich auf der Südseite zwischen den beiden Fassaden erwärmt“, erklärt Architekt Bernhard Nicola vom Erzbischöflichen Bauamt in Heidelberg. Eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach macht St. Martin zum sakralen Kraftwerk. „Durch die optimale Ausrichtung des Kirchendaches nach Süden erreichen wir in der Stromerzeugung Spitzenwerte“, freut sich Pfarrgemeinderat Bernhard Heck. „Die überschüssige Energie verkaufen wir mit einem 20-jährigen Stromabnahmevertrag an einen Netzbetreiber zu einem guten Preis.“

1,9 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. Der größte Teil des Geldes stammt aus einem Förderprogramm der Erzdiözese, das Energiesparmaßnahmen in Kirchen bezuschusst. Das Erzbistum stehe solchen Solar-Anlagen sehr positiv gegenüber, betonte denn auch Weihbischof Uhl. „Das ist ein Beitrag zur Erhaltung der Schöpfung, wie ihn Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si anmahnt.“

Die ehemalige Orgelempore wurde zum Gemeindesaal

Die Orgel steht jetzt im deutlich verkleinerten Kirchenraum.

1300 Katholiken leben in Meckesheim, mehr als 700 Sitzplätze hatte die St.-Martins-Kirche vor dem Umbau. Das waren natürlich viel zu viele. Also beschlossen die Meckesheimer Nägel mit Köpfen zu machen. Sie verkauften die alte neoromanisch Kirche im Ortszentrum, die seit 1962 als katholisches Gemeindezentrum genutzt worden war, als Wohnhaus an eine Familie. Die Orgel von St. Martin wanderte von der Empore hinunter in den Kirchenraum. Und auf der ehemaligen Orgelempore entstand ein Gemeindesaal, der hundert Personen fasst.

Ein Aufzug garantiert Barrierefreiheit. Licht erhält der Saal durch eine Fensterfront, die aus der Rückwand der Kirche herausgebrochen wurde.

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Der neue Gemeindesaal blickt hinüber zur Elsenz.

Nun können Meckesheims Katholiken den Sonnenuntergang über dem Flüßchen Elsenz genießen. Ein Treppenhaus aus Glas und Beton, das hinunterführt auf den großzügigen Kirchenvorplatz, verleiht St. Martin einen Haus von Moderne.

Neue Sanitäranlagen, ein Beichtraum sowie eine Werktagskapelle vervollständigen das Glück an der Elsenz. „Sogar einen neuenAltar für die Kapelle haben wir schon“, freut sich Pfarrer Bernhard Stern. „Ein Künstler hat ihn aus den überzähligen Bänken geschaffen.“

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