Das Wunder von Mannheim

Die Mannheimer
Jesuitenkirche 1943

In der Nacht zum 6. September 1943 stand Mannheim in Flammen. Wie eine riesige Fackel loderte die Kuppel der Jesuitenkirche zum schwarzen Himmel hinauf. Dann fiel das Holzgewölbe in sich zusammen. Die Trümmer zermalmten die Marmorsäulen des Hochaltars und machten Ignatius von Loyola zum Torso.

Eine Sprengbombe, die um die Mittagsstunden des 13. Januar 1945 durch das offene Kuppeldach fiel, vollendete das Zerstörungswerk im Chor. Der folgende harte Winter gab dem Langhaus den Rest: Zwischen Gewölbe und Außenmauer sammelte sich Wasser; Decke und Fresken waren nicht mehr zu retten. Die Mannheimer Jesuitenkirche war bereit zum Abbruch.

Nur die Rückkehr der Jesuiten nach Mannheim rettete die Kirche. 1773 nach Aufhebung des Ordens war die Gesellschaft Jesu aus der Kurpfalz verschwunden; im September 1947 kam mit Franz Meßbacher der erste Jesuitenpater zurück. Meßbacher besah sich den verheerenden Zustand der „Basilika Carolina“ und ging ans Werk. „Jeden Tag, bei jedem Wetter, sommers wie winters feierte Pater Meßbacher in den Ruinen eine Heilige Messe“, berichtet Pater Karl Weich, der Chronist der Kirche.

Vierzehn Jahre zog sich der Wiederaufbau hin

Des Paters Zeichen wirkte. 1948 begannen Mannheimer Handwerker, tatkräftig unterstützt von ehrenamtlichen Helfern, die Jesuitenkirche notdürftig wieder einzudecken. 1949 trudelten die ersten spärlichen Spenden ein. Vierzehn Jahre zog sich der Wiederaufbau hin. Am 6. November 1960 konnte der Freiburger Erzbischof Herrmann Schäufele die „neue“ Jesuitenkirche endlich weihen.

Die geglückte Rekonstruktion der Mannheimer „Kathedrale“

Ihr Altar war schrecklich. Ein unbedeutendes staksiges Provisorium im typischen Stil der Fünfziger Jahre, das sich im gewaltigen Chor völlig verlor. „Man überlegte sogar, ob man nicht einen Barockaltar aus der Abtei Münsterschwarzach in die Jesuitenkirche transferieren sollte“, erzählt Werner Wolf-Holzäpfel, Leiter des Erzbischöflichen Bauamts in Heidelberg.

Doch auch dieser Altar wäre viel zu klein gewesen für die Mannheimer Basilika. Also einen modernen großen Hochaltar in Auftrag geben? Oder aber den ursprünglichen Barockaltar nachbauen? Ein verwegener Gedanke! Am 12. Juli 1986 gab der Präsident des Landesdenkmalamtes die Entscheidung bekannt: Die Mannheimer Jesuitenkirche erhält eine „schöpferische Kopie“ ihres ehemaligen Hochaltars. Als Vorlage für die Nachbildung dienen zwei vergilbte Fotografien.

Einen Altar „nachschöpfen“ – darf man das?

Elf Jahre und 16 Millionen Euro verschlang das in der Kunstgeschichte einmalige Projekt. 1997 wurde „das Wunder von Mannheim“ festlich geweiht. „Die Suche nach Materialien im alten Stil und nach Künstlern mit barockem Stilempfinden war äußerst schwierig“, erinnert sich Wolf-Holzäpfel. Die Erzbischöflichen Architekten waren außer sich vor Freude, als sie an der Lahn den Steinbruch ausfindig machten, aus dem die Originalsteine des Altars stammten.

748 geschmiedete Rosen
blühen am Altar

243 Tonnen wiegt der neue Hochaltar. Um diesen Koloss zu stemmen mussten neue Stahlträger in die Decke der Krypta eingezogen werden. Von der Krone über dem Hochaltar schwebt wie vor 250 Jahren der Heilige Geist als Taube auf Ignatius und Franz Xaver herab. Hell umstrahlt vom goldenen Licht Gottes. „Die Entscheidung für die Nachschöpfung war richtig“, findet Architekt Wolf-Holzäpfel. „Ohne den Hochaltar war dieser Kirchenraum nicht zu verstehen.“

Die Moderne kommt in der Jesuitenkirche auch nicht zu kurz. Der Schonacher Künstler Klaus Ringwald schuf den wunderschön-leichten und luftigen Zelebrationsaltar, auf dem 748 geschmiedete Rosen blühen. Dekan Karl Jung: „Der Zelebrationsaltar ist auch in seiner theologischen Aussage stimmig.“ Die Reliefs auf den vier Seiten zeigen Ostern, die Taufe Jesu, den Tod am Kreuz und Pfingsten. Auf dem Marmorboden darunter sind die Porträts von Pater Alfred Delp, Papst Johannes XIII. und dem unvergessenen Mannheimer Prälat Josef Bauer, den „Lockeseppel“, eingelassen.

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