„Dieses Glück währt ewig“

Bischof Gerber verrät, wie
er sich Auferstehung vorstellt

Ostern ist das Hochfest der Hoffnung. So schwer die Zeiten auch sein mögen, Ostern verspricht, dass Krankheit und Tod niemals das letzte Wort haben.

Wie Jesus Christus werden auch wir auferstehen zum ewigen Leben. Eine wunderbare Zusage. Doch wie soll man sich diese Auferstehung von den Toten konkret vorstellen? Fragen an Dr. Michael Gerber, seit genau einem Jahr der Bischof von Fulda. Zuvor hat er als Weihbischof im Erzbistum Freiburg gewirkt.

Herr Bischof, wohin gehen wir, wenn wir gestorben sind?

Wir werden aufgenommen in die tiefe, liebevolle Gemeinschaft, die zwischen Gott als Vater, Sohn und Heiligem Geist besteht. Es ist ein Zustand engster Verbundenheit, der uns Menschen, glaube ich, unendlich glücklich machen wird. Einen kleinen Vorgeschmack auf diesen Himmel dürfen wir jetzt schon erfahren. Wenn wir echte Gemeinschaft, echte Freundschaft erleben. Wenn wir uns wirklich verstanden und angenommen wissen. Das sind große Glücksmomente. Für mich sind sie Hinweise darauf, wie es in der Vollendung sein wird. Dieses Glück, das wir jetzt nur für Augenblicke bewahren können, währt bei Gott ewig.

Der barocke Dom
von Fulda

Aber man wird doch nicht automatisch aufgenommen in diese ewige Glücksbeziehung? Da ist doch das Jüngste Gericht vor?

Gott hat den Menschen als ein Wesen in Freiheit geschaffen. Wir können uns frei entscheiden für das Gute oder dagegen. Für eine Beziehung oder dagegen. Im Angesicht des Todes werden wir sicher mit unserer Wahl noch einmal konfrontiert. Ich stelle mir diesen Moment allerdings nicht wie ein Gerichtsverfahren vor. Ich glaube vielmehr, dass Gott uns zeigen wird, was wir alles aus unserem Leben hätten machen können. Was möglich gewesen wäre. Das ist wahrscheinlich ein ganz eigenes Erschrecken. Vielleicht eine Form von Fegefeuer.

Hat Gott uns denn mit einem Auftrag ins Leben gesandt?

Jeder Mensch ist ein Individuum mit besonderen Fähigkeiten. Er hat Anlagen und Talente, und er ist in eine bestimmte Zeit und einen bestimmten geographischen Kontext hineingestellt. Das darf man durchaus als Auftrag sehen. Aber wie ich diesen Auftrag erfülle, das hat Gott nicht festgelegt. Es gibt keine Determination, und es gibt auch niemals nur einen Weg, wie ein Leben gelingen kann. Wenn wir in die Bibel schauen, sehen wir viele Biografien mit Brüchen. Der Prophet Jona beispielsweise läuft vor dem Auftrag Gottes davon. Trotzdem geht sein Weg weiter, wenn auch völlig anders. Und am Ende nähert sich Jona tatsächlich wieder dem Auftrag an, den Gott ihm ursprünglich gegeben hatte. Das ist die tröstliche Botschaft von Ostern, dass es Brüche im Leben geben darf. Der Gott der Bibel ist ein durch und durch dialogischer Gott. Die Beziehung zu ihm ist immer Ruf und Antwort.

Der neue Fuldaer Bischof
mit dem Bonifatius-Stab

An die Existenz einer Hölle glauben Sie nicht?

Wenn wir den Menschen als Wesen in Freiheit definieren, muss es prinzipiell auch denkbar sein, dass sich ein Mensch mit seinem allerletzten Willen gegen ein Leben in Gott entscheidet. Dieser Ort der äußersten Gottferne wäre dann das, was man die Hölle nennt. Aber ob es je eingetreten ist, dass ein Mensch auf ewig von Gott getrennt sein wollte, weiß niemand. Auch die Kirche macht darüber keine Aussage.

Aber muss es nicht auch Strafe geben? Für sehr schwere Verbrechen? Schon um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen?

Es bleibt Gott überlassen, wie so eine Strafe aussieht. Und ob es nicht doch in der Ewigkeit eine Erlösung für alle Menschen gibt. Das bringt uns an die Grenzen unseres Denkens. Weil wir empfinden, dass damit die Taten der Tyrannen relativiert oder sogar entschuldigt werden. Aber nur, weil wir etwas nicht denken können, heißt das nicht, dass es für Gott unmöglich ist. Und wäre der Himmel denn überhaupt als Himmel denkbar, wenn man wüsste, dass in ihm jemand fehlt?

Sechs Jahre war Michael Gerber
Weihbischof in Freiburg

Sehen wir die Menschen, die wir geliebt haben, im Himmel wieder?

Davon bin ich zutiefst überzeugt. Wir Menschen sind als Beziehungswesen geschaffen. Und auch unser christlicher Glaube geht stark von Beziehungen aus. Sowohl von den Beziehungen zwischen Menschen als auch von der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Im Himmel wird das noch einmal in besonderer Form erfahrbar werden.

Dann sehen wir aber auch diejenigen wieder, die wir im Leben nicht gemocht haben? Verschwinden diese Aversionen?

Auch das ist, glaube ich, eine Wirkung des ‚Fegefeuers‘. Wobei dieser Begriff ja vorbelastet ist. Das lateinische ‚purgatorium’ deutet klarer den Reinigungsprozess an. Konkret kann dies auch einen Prozess der Versöhnung mit den Menschen sein, mit denen wir uns im Leben massiv entzweit haben. Möglicherweise werden wir diese Versöhnung als schmerzhaft erfahren. Das kennen wir ja. Wenn ich den Mut finde, mich mit einem Menschen nach langer Zeit ehrlich auszusprechen, kann das ziemlich weh tun. Aber schließlich überwiegen die Erleichterung. Denn jeder Mensch trägt in sich eine tiefe Sehnsucht nach Versöhnung.

Der Dom ist erbaut über
dem Grab des Hl. Bonifatius

Die Theologie spricht von einer ‚leibhaftigen’ Auferstehung. Haben wir denn im Himmel auch einen Körper?

Ja, das ist nach unserer Überzeugung tatsächlich so. Die Auferstehung ist mehr als eine bloße Seelenwanderung. Sie ist ein komplettes neues Leben in Gott. Unsere Seele wird ja im Laufe des Lebens geprägt durch die Erfahrungen, die wir ‚leibhaftig‘ gemacht haben. Es ist diese tief von der Leiblichkeit des Menschen geprägte Seele, die bei Gott zur Vollendung findet.

Der auferstandene Jesus kann durch Wände gehen. Er taucht aus dem Nichts auft und verschwindet …

In diesen Erzählungen spürt man, wie schwer sich die Evangelisten tun, genau auszudrücken, was passiert ist. Die Probleme beginnen schon damit, dass wir nicht aus der Zeitschiene ausbrechen können. Keiner von uns kann ‚Ewigkeit‘ denken. Dass der Auferstandene durch verschlossene Türen geht, zeigt, dass es für ihn auch keine räumlichen Grenzen mehr gibt.

Gerber ist der jüngste
Ortsbischof Deutschlands

Aber die Jünger erkennen Jesus.

Doch woran? Mehrfach wird erwähnt, dass Jesus ihnen seine Wunden zeigt. Das ist eine wichtige Spur. Dass die Evangelien die Wunden so explizit erwähnen, ist für mich ein Hinweis, dass hier keine Geschichten erzählt werden, die Menschen sich nachträglich ausgedacht haben. Wenn man sich nämlich die griechischen oder römischen Helden ansieht, die zur Lebenszeit Jesu verehrt wurden, dann waren das makellose Gestalten. Wie aus einem Modekatalog. Ein Held mit Wunden war undenkbar. Wenn in den Evangelien also von den Wunden Jesu gesprochen wird, dann ist das ein Hinweis, dass es tatsächlich unmittelbare Begegnungen mit dem Auferstandenen gegeben hat. Wenn auch sehr verwirrende. Die Kernbotschaft von Ostern lautet für mich: Man kann Christus erfahren, aber nicht fassen. Er bleibt eine Erfahrung, die größer ist, als alles, was ich fassen kann.

Ist es nicht wirklich seltsam, dass die Wunden Christi nach der Auferstehung noch zu sehen sind?

Zwei Engel befreien
Bonifatius aus seinem Sarg

Ich finde es eher tröstlich. Die Wunden zeigen, dass nach dem Tod nicht einfach alles von uns wegfällt. Die Wunden und die Narben, die das Leben uns geschlagen hat, bleiben für immer. Aber sie schmerzen nicht mehr. Sie sind verklärt. Diese wunderbare Verwandlung können wir auch schon hier auf Erden erleben. Ich habe Menschen getroffen, die tiefe Verletzungen in ihrer Geschichte erfahren haben. Aber sie sind daran nicht zerbrochen, sondern gereift. Und heute sind es gerade diese ‚verklärten Wunden‘, die ihnen die Kraft geben, sich in guter Weise Menschen zuzuwenden. Unsere Hoffnung auf das Jenseits beinhaltet ja immer auch einen Auftrag für das Diesseits. Die Hoffnung auf das Ewige Leben ist keine Entschuldigung dafür, hier im Diesseits nichts zu tun.

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