Endlich Ostern. Die Knospen brechen auf, das Licht kehrt zurück, die Dunkelheit ist besiegt. Für immer. Denn Ostern verspricht, dass Grab und Vergessen nicht das letzte Wort haben. Nach dem Tod werden wir auferstehen zum Ewigen Leben. Eine sensationelle Botschaft, die aber immer weniger Menschen glauben mögen. Ist Auferstehung nicht mehr attraktiv? Fragen an Professor Heinrich Bedford-Strohm, den Bayerischen Landesbischof und Ratsvorsitzenden der EKD.
Herr Landesbischof, wohin gehen wir, wenn wir gestorben sind?
In ein Leben bei Gott, in dem alles Leid, aller Schmerz und alle Zerbrochenheit heil wird. Die biblischen Texte machen ungeheuer starke Aussagen über das Leben nach dem Tod. In der Offenbarung des Sehers Johannes etwa heißt es: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“
Das klingt doch sehr schön. Warum wollen die Menschen das nicht mehr glauben?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Frage, was nach dem Tod kommt, viele Menschen beschäftigt. Unabhängig von ihrer konkreten religiösen Überzeugung. An der Universität Bamberg habe ich mal eine Vorlesung für Kinder angeboten: „Ist sterben wirklich so schlimm?“ Die war sofort ausgebucht. Es ist gut, dass die Menschen über den Tod und über das, was danach kommt, schon im jetzigen Leben sprechen. Das ist ein Stück Lebenskunst, wenn man vor diesem Thema nicht wegläuft.
Und vor dem Vernunft-Diskurs mit der säkularen Welt muss sich der christliche Glaube auch nicht verstecken. Wenn es Gott wirklich gibt, dann ist er mehr, als wir je mit unserem Verstand begreifen können. Es gibt keine empirische Möglichkeit, Gott angemessen zu erfassen.
Kommen denn alle Menschen in den Himmel?
Ich glaube, dass wir die Hoffnung haben dürfen, dass Gott selbst die schlimmste Sünde umdrehen kann. Aber ein Freifahrtschein ist das nicht. Ich hielte ich es für völlig falsch, zu verkünden, dass am Ende alle Menschen gerettet werden. Denn es ist Gott nicht egal, wie wir leben.
Wir haben in der Bibel die Vorstellung von einem Gericht, bei dem Gott alles zurechtrücken wird. Das wird zum Teil sehr drastisch aufgemalt. Diese Botschaft muss man ernst nehmen. Sie ist keineswegs veraltet.
Das berühmteste Beispiel ist das Gleichnis vom Weltgericht im Matthäusevangelium. Christus sitzt auf dem Thron und sagt: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das bedeutet, dass es beim Verhältnis zu den Mitmenschen letztendlich auch um das Verhältnis zu Gott geht. Gott zeigt sich uns in den Schwachen, den Folteropfern und den Misshandelten. Und das hat Konsequenzen für unser Leben. Das ist eine ungeheure Aussage.
Man kann also auch scheitern? Gibt es eine Hölle?
Ja, es gibt eine Hölle. Wir wissen allerdings nicht, ob jemand darin ist. Gottes Möglichkeiten sind unbegrenzt. Wir können all die Gewalt und das Unrecht nicht einfach wegschieben, so als ob es für die Verursacher am Ende keine Rolle spielt. Das kann man nicht einfach übergehen und im Sinne eines Kuschelgottes behaupten: Gott liebt alle, die Verursacher von schlimmsten Gewalttaten genauso wie die Opfer dieser Taten. Das ist eine Harmonisierung von etwas, das nicht harmonisiert werden darf. Schon um der Opfer willen.
Wie hat man sich das Gericht Gottes konkret vorzustellen?
Ich stelle es mir vor wie einen Film. Mein ganzes Leben läuft noch einmal vor mir ab. Und zwar diesmal so, dass die Wahrheit nicht mehr verborgen ist, sondern auf den Tisch kommt. Alle Situationen, in denen ich anderen Menschen Unrecht getan habe, werden schonungslos aufgedeckt. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Punkt: Die ganze Wahrheit kommt auf den Tisch. Die Taten der Täter ebenso wie das Leid der Opfer. Und da sind wir alle mit im Boot. Jeden Tag sterben 24000 Menschen, weil wir es nicht fertig bringen, die Nahrungsmittel und Medikamente auf der Welt so zu verteilen, dass alle leben können. Obwohl genug da ist. Wenn ich mir das vorstelle, bin ich auch nicht mehr raus aus dem Spiel. Dann bin ich mittendrin. Und ich weiß nicht, wie Gottes Urteil über mich am Ende ausfallen wird.
Sie scheinen aber guten Mutes zu sein.
Weil ich vom Liebeswillen Gottes fest überzeugt bin. Ich glaube, wenn erst einmal die Wahrheit auf dem Tisch liegt, kann mir auch vergeben werden. Dann kann Gott sagen: Endlich hast du verstanden, was du getan hast. Vielleicht empfinde ich dann Scham. Das ist für mich ein Bild für Hölle. Man sieht auch auf alles Dunkle im eigenes Leben und schämt sich unendlich dafür. Das ist für mich das, was man in der Tradition das „Fegefeuer“ genannt hat. Wenn ich durch die ganze Wahrheit und durch die Scham hindurchgegangen bin, darf ich darauf hoffen, dass Gott mich in seine Arme nimmt und ich gerettet werde. Ich habe keine Angst vor Gott. Ich habe tiefes Vertrauen in seine Liebe. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er das Verderben der Menschen will.
Wenn wir in den Himmel kommen, sehen wir unsere Lieben dann wieder?
Ich denke schon. Gott hat den Menschen ja als individuelle Person geschaffen. Beim Propheten Jesaja stehen die wunderbaren Worte: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Wir sind also für Gott keine anonymen Nummern, sondern wir haben einen Namen. Jeder ist ein einzigartiges Individuum. Darum glaube ich nicht, dass wir im Himmel einfach in eine ewige Suppe eingerührt werden. Jeder bleibt erhalten mit seinem Namen, seiner Identität und mit seiner Geschichte. Deshalb kann es gar nicht anders sein, als dass diese Identitäten sich auch in der Ewigkeit wieder begegnen.
Dass die Identität nicht am fleischlichen Körper hängt, sieht man übrigens auch gut bei der Begegnung des Auferstandenen mit Thomas. Jesus betritt den Abendmahlssaal, wo sich die Jünger versammelt haben. Er geht einfach durch die Wand, weil er nach Tod und Auferstehung keinen fleischlichen Körper mehr hat. Aber seine Wundmale sind noch da. Weil die Wunden nicht nur zum sterblichen Leib Jesu gehören, sondern zu seiner unauslöschlichen Identität.
Dann trifft man aber auch all die Menschen wieder, die man noch nie leiden konnte?
Genau diese Kategorien fallen im Ewigen Leben weg. Beim Gericht gehen wir durch alle ungeheilten Beziehungen hindurch. Da wird nichts übersehen, da wird alles zurecht gerückt. Danach empfinden wir keine Abneigung mehr und keinen Hass, keine Eifersucht, keine Konkurrenz und keinen Neid. Nur noch tiefe Verbundenheit.
Es ist schwierig, sich diesen Auferstehungsleib ohne Körper vorzustellen.
Paulus hat im 1. Korintherbrief einen wunderbaren Vergleich dafür gefunden. Er sagt: Es ist wie bei einem Samenkorn. Das Samenkorn wird in die Erde gestreut und zerbricht dort. Und durch dieses Auseinanderbrechen entsteht eine Blume oder eine Pflanze. Wir werden in völlig neuer Gestalt auferstehen, die unserem heutigen Aussehen so wenig gleicht wie das Samenkorn der Blume. Aber den Kern unserer Person – Paulus nennt das auch den „Leib“ – werden wir behalten. Deshalb habe ich theologisch auch überhaupt kein Problem mit dem Krematorium. Ob unser Leichnam verbrennt oder im Grab langsam zu Erde wird, spielt für die Auferstehung keine Rolle.
Und diese Verwandlung geschieht sofort, im Moment unseres Todes?
Das ist eine große Frage. Martin Luther hat eine geniale Antwort darauf gefunden. Er sagt, der Tod wird uns vorkommen wie ein Sekundenschlaf. Wir schlafen ein und wachen auf, ohne zu wissen, ob wir 30 Sekunden, fünf Minuten oder tausend Jahre geschlafen haben: „Gleich wie wir, wenn wir des Nachts den Stundenschlag nicht hören, nicht wissen, wie lange wir geschlafen haben, so sind noch viel mehr im Tode tausend Jahre schnell hinweg. Ehe sich einer umsieht, ist er ein schöner Engel.“