Er hat jetzt angefangen zu joggen. Mit 70. Vorher war für Sport keine Zeit. Die Menschen gingen vor. Die Einsamen und die Alten, die jungen Familien und die pflegenden Kinder, die Ministranten, die Kirchenchöre, die indischen Schwestern und die syrischen Flüchtlinge, die Hochzeitspaare, die Taufgesellschaften und die Trauernden. Pfarrer Gerhard Schrimpf hatte für alle ein offenes Ohr.
43 Jahre lang, davon 19 an der Bergstraße. Jetzt verabschiedete sich der katholische Priester in den Ruhestand. Mit einem grandiosen Gottesdienst in St. Marien in der Weinheimer Weststadt.
„Pfarrer Schrimpf war immer offen für alles, was an ihn herangetragen wurde. Er war da, wenn man ihn brauchte.“
Schon der Einzug erzählte Geschichte. Man sah: Ministranten, Ministranten, Ministranten. In schier endlosem Zug schritten sie den fünf Priestern voran. Darunter auch Alexander Czech, der Dekan von Heidelberg-Weinheim. Ein üppigeres Setting ist in Corona nicht denkbar. Ganz hinten: die Hauptperson. Hochgewachsen, schmal, mit feinem, liebenswürdigen Lächeln nach allen Seiten grüßend. Am liebsten hätte Gerhard Schrimpf ganz offensichtlich jeden Teilnehmer der Festgemeinde per Handschlag willkommen geheißen.
„Ich freue mich immer sehr, wenn wir uns in der Stadt begegnen“, sagte denn auch Oberbürgermeister Manuel Just in seinem Grußwort. „Wir kennen uns seit vielen Jahren. Pfarrer Schrimpf war immer offen für alles, was an ihn herangetragen wurde. Er war da, wenn man ihn brauchte. Und er hat stets die richtigen Worte gefunden.“
Seit 1994 lebt Gerhard Schrimpf in einer Wohngemeinschaft mit Fokolarpriestern zusammen.
In Weingarten im Schwäbischen ist Gerhard Schrimpf zur Welt gekommen. „Am 8. August, dem Gedenktag des heiligen Domenikus“, wie Professor Ulrich Abshagen, der Vorsitzend des Pfarrgemeinderats, bemerkte. Domenikus bedeute: Zum Herrn gehörig. „Diese Sendung ist auch die seine geworden. Gerhard Schrimpf strahlt Liebe zu den Menschen, Barmherzigkeit, Güte und Vergebung aus.“
1978 wurde Schrimpf in Freiburg zum Priester geweiht. 1980 entdeckte er die Foklolar-Bewegung. Das ist eine internationale geistliche Gemeinschaft, die aus Italien stammt und die Geschwisterlichkeit aller Menschen betont. Seit 1994 lebt Gerhard Schrimpf in Wohngemeinschaften mit Fokolarpriestern zusammen. Erst in Neckargemünd. Dann in Weinheim.
Erzbischof Burger: „Sie haben alles daran gesetzt, dass die Frohe Botschaft im Herzen der Menschen ankommt.“
Joachim Dauer, der leitende Pfarrer von Weinheim-Hirschberg, zitierte in seiner Festansprache launig aus dem Dankesbrief des Erzbischofs und aus Schrimpfs alten Dienstzeugnissen. „Sie haben alles daran gesetzt, dass die Frohe Botschaft in den Herzen der Menschen ankommt“, lobte Erzbischof Burger.
„Lernfähigkeit, eine liebenswürdige Art, gesellschaftlich Gewandtheit, Gewissenhaftigkeit, und ein große Begabung für die Seelsorge“, hatten seine früheren Lehrherren dem scheidenden Pfarrer bescheinigt. Und: „Gerhard Schrimpf wird von der Jugend sehr gut angenommen.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. So wenig wie an der schier überbordenden Musikalität des Neu-Rentners. Schrimpf spielt hervorragend Orgel, Klavier und Gitarre. Und er singt gut.
„Pfarrer Schrimpf“, sagte die Ministrantin, „ist einfach voll süß.“
2002 übernahm Gerhard Schrimpf die Fürsorge für Wallfahrtskirche der Schwarzen Madonna in Leutershausen und für die Filialkirche in Oberflockenbach. Von 2016 bis 2020 leitete er gemeinsam mit Stephan Sailer die Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg mit 13 700 Katholiken.
Womit wir bei der Ökumene wären, ohne die es in Weinheim nicht geht. Stefan Royar, der stellvertretende Dekan des Kirchenbezirks Ladenburg-Weinheim, gab Schrimpf auch in diesem Fach eine glatte Eins. „Ich kenne ihn schon seit ich Lehrvikar in Leutershausen war“, berichtete Royar. „Wir haben die Osterkerze immer gemeinsam angezündet und Gottesdienste im Schlosspark gefeiert.“ 2005 seien Schrimpf und er sogar zusammen „Papst geworden.“
Das ehrlichste und vielleicht wichtigste Lob für den scheidenden Pfarrer kam jedoch nicht von einem Erwachsenen, sondern von einer winzigen Ministrantin. „Pfarrer Schrimpf“, sagte das Mädchen, „ist einfach voll süß.“