Eine Orgel der Superlative

Bezirkskantor Uhl strahlt:
Die Orgel der Jesuitenkirche ist ein Traum

Markus Uhl ist ein glücklicher Mann. „Sie besitzt genau die richtige Mischung aus Eleganz, Feinheit und Kraft“, schwärmt der Heidelberger Bezirkskantor. Er spricht von der neuen Orgel in der Jesuitenkirche.

1,4 Millionen Euro hat die extravagante Schöne mit ihrem weltweit einmaligen Schleier aus Metall gekostet. Seit vier Wochen warten 3829 Pfeifen, 57 Register und drei Manuale auf ihren ersten offiziellen Einsatz.

An Pfingsten 2009 wird Erzbischof Robert Zollitsch die Orgel weihen

Bislang haben nur wenige, handverlesene Personen das fast zehn Meter hohe und 18 Tonnen schwere Instrument gehört, das die Schweizer Manufaktur Kuhn gebaut hat. Der Unternehmer Reinhart Freudenberg beispielsweise. Sein Urteil: „Überwältigend.“ Am Pfingstfest 2009 werden Generalvikar Fridolin Keck und Erzbischof Robert Zollitsch die neue Orgel einweihen.

Zehn Meter hoch und 18 Tonnen schwer:
Die Orgel füllt die Nordempore

Das Präludium und die Fuge in Es-Dur von Johann Sebastian Bach werden die ersten Musikstücke sein, die direkt nach der Weihe erklingen. Beim Pontifikalamt spielt Markus Uhl die „Messe solennelle in Cis-Moll“ von Louis Vierne.

15 Jahre hat die Suche nach der Orgel gedauert

15 Jahre hat die Suche nach der richtigen Orgel für die Jesuitenkirche gedauert. „1994, als die Beschwerden über die klanglichen Unzulänglichkeiten der alten Steinmeyer-Orgel stetig zunahmen, gab die Pfarrgemeinde das erste Gutachten in Auftrag“, erinnert sich Thomas Berning, ehemals Kantor an der Jesuitenkirche, heute Domkapellmeister in Paderborn. Das Ergebnis der Expertise war eine endlose Debatte. Die Einen wollten das Nachkriegsinstrument der Firma Steinmeyer aus dem Jahr 1954 restaurieren. Die Anderen plädierten für einen Neubau.

Als 1999 die Innenrenovierung der Jesuitenkirche in Angriff genommen wurde, war man von einer Entscheidung in Sachen Orgel weit entfernt. Erst 2002 wanderte die alte Steinmeyerin ins Orgelmuseum im Schloss Valley bei München.

Orgelexperten: Unternehmer Reinhart
Freudenberg (r.) und Markus Uhl

Kaum war die Nordempore leer, gewann die Diskussion richtig an Fahrt. Das Thema lautete nun: Wie soll die neue Orgel aussehen? Eine Kommission unter Vorsitz von Reinhart Freudenberg wurde gebildet und „Orgelfahrten“ zu den besten Instrumenten Deutschlands organisiert. 2004 war die Kirche fertig und die Kommission reiste noch immer.

Immerhin: 2006 wusste man endlich, wie die neue Orgel aussehen sollte. Einen modernen Prospekt sollte sie haben, passend zur schnörkellosen weißen Weite der Kirche und zum sachlichen Gestühl aus dunkler Eiche. Der Wermutstropfen bei dieser Lösung: Das Nordfenster der Jesuitenkirche würde von der neuen Orgel verdeckt werden.

Das Nordfenster der Jesuitenkirche ist für immer verdeckt

Im November 2007 schließlich fanden die Orgelfahrer, was sie so lange gesucht hatten. Markus Uhl: „Als ich die Orgel im Osnabrücker Dom gehört habe, wusste ich: Genau so soll unsere klingen.“ Folgerichtig erhielt die Schweizer Traditionsfirma Kuhn aus Männedorf am Zürichsee den Zuschlag für das neue Heidelberger Instrument. „950000 Euro kamen von der Pfälzer Katholischen Kirchenschaffnei. Die restlichen 450000 Euro mussten wir durch den Verkauf von Pfeifenpatenschaften selbst aufbringen“, erklärt Dekan Joachim Dauer den Finanzierungsplan.

3829 Pfeifen in anthrazit
gebeizter Eiche

Die wertvollsten Pfeifen waren sofort weg: Manfred Lautenschläger, der MLP-Gründer, schnappte sich die glänzenden fünf Meter hohen Prinzipale, die ganz vorne im Hauptwerk stehen. Aber auch Manfred Lamy und Hans-Peter Wild sicherten sich rasch ihr Stück Orgel. „Für mich blieben nur die tiefen 16-Fuß-Pfeifen im Pedal“, lächelt Chef-Foundraiser Freudenberg. Aber auch die winzigen Zimbeln zu 25 Euro pro Stück waren sehr beliebt bei all jenen Sponsoren, die nicht ganz so tief in die Tasche greifen wollten. „Einige wenige Restpfeifen sind noch zu haben“, wirbt Freudenberg unermüdlich weiter.

Der USB-Stick kann 11000 Register-Einstellungen speichern

Die 3829 Pfeifen stehen in einem Kasten aus anthrazit gebeiztem Eichenholz. Auffallend sind die drei mächtigen Rundtürme, bei denen die Pfeifen durch Zinnrohre nach oben verlängert wurden. Akustisch hat diese Spielerei keine Relevanz. Optisch verneigt man sich damit vor dem barocken Baustil der Jesuitenkirche, die in diesem Jahr ihren 250. Geburtstag feiert. Über dem schlichten Grundkörper trägt die Kuhn-Orgel einen transparenten Schleier aus weitmaschigem Edelstahl-Gewebe, der für Lichteffekte und eine „fast magische Note“ (Dekan Dauer) sorgen soll.

Erzbischof Robert Zollitsch
wird die Orgel einweihen

Die Labien der Orgelpfeifen spart der Schleier aus. Sie wurden vergoldet, damit das Auge eine Verbindung zu den goldenen Kapitellen an den Säulen herstellen kann. Technisch raffiniert präsentiert sich der Spieltisch: Mit einem eingebauten Computer und einem USB-Stick kann der Organist bis zu 11 000 Register-Einstellungen speichern.

Die Orgelbaukommission der Jesuitenkirche ist derweil schon wieder unterwegs. Gesucht wird nun eine kleine Barockorgel, die als Chororgel die neue Kuhn-Orgel ergänzen soll. Etwa 300 000 Euro darf sie kosten. Wenn sie in zwei Jahren geweiht wird, sagt Reinhart Freudenberg, wird die Jesuitenkirche eine kirchenmusikalische Spitzenstellung einnehmen. „Die Organisatoren des Heidelberger Frühlings haben schon großes Interesse signalisiert.“

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