Da hat jemand sehr viel, sehr gut gemacht

Emotionaler Abschied: 400 Menschen formten eine „Segenskette“ für Pfarrer Johannes Brandt.

Die Jesuitenkirche zu Heidelberg hat schon viel erlebt in ihrer fast 250-jährigen Geschichte. Doch was beim Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Johannes Brandt geschah, trieb selbst dem barocke Gotteshaus Tränen der Rührung in den Augen: Etwa 400 Menschen – darunter fünf Bürgermeister aus der Region, Vertreter der evangelischen Kirche und etliche Honoratioren – erhoben sich und fassten einander an den Schultern, so dass eine lückenlose Kette entstand.

Dann schlossen sie die Augen und sandten dem scheidenden Brandt mental ganz viel Kraft für seinen weiteren Lebensweg. Da hat offensichtlich jemand sehr viel, sehr gut gemacht. Weshalb man auch, wenn man genau hinsah, ein kleines Tränchen der Rührung in den Augen von Johannes Brandt entdecken konnte. Aber nur kurz, dann lud der Pfarrer schon wieder gut gelaunt zum Umtrunk ins Haus der Begegnung. Er wird fehlen in Heidelberg!

Bei den Messen in der alten Kirche von Wieblingen hat Brandt auch selbst die Orgel gespielt.

Siebzehn Jahre lang wirkte Brandt in Eppelheim und in Heidelberg. Jetzt wechselt er nach Mannheim.

Siebzehn Jahre ist es her, dass Johannes Brandt seinen schnittigen roten Alfa Romeo erstmals durch Eppelheim, Wieblingen und den Pfaffengrund steuerte. Der Erzbischof, so erinnerte sich Brandt in seiner Ansprache, hatte ihm zwei künftige Einsatzorte als Alternative angeboten: Eine Städtchen im Schwarzwald oder Eppelheim in der Kurpfalz. „Im Schwarzwald habe ich kein Wort verstanden“, schmunzelte Brandt, ein gebürtiger Rheinländer. „Doch als ich in den Pfaffengrund kam, war gerade Kerwe und man hat mir sofort ein Bier eingeschenkt.“ Damit war die Sache klar. 

Auf den Kalendertag genau vor 17 Jahren hat Johannes Brandt seine erste Messe in Heidelberg gefeiert. In der alten Kirche von Wieblingen. Dort hat er bei Gottesdiensten auch immer selbst die Orgel gespielt; Pfarrer Brandt kann so etwas. „Ich denke oft und gern an diesen Anfang zurück“, sagte er bei seiner Verabschiedung. „Menschen zu begleiten und sie im Glauben zu stärken – dieser Wunsch leitet mich noch immer.“ 

„Menschen zu begleiten und sie im Glauben zu stärken, dieser Wunsch leitet mich noch immer.“

Auch als Vorgesetzter muss Johannes Brandt sehr einfühlsam gewesen sein. Im Dekanat habe er stets jedem Freiheit und Rückhalt gegeben, resümierte Dekanatsreferentin Hannah Gniod. „Leitung und Verwaltung bei ihm waren nie trocken, sondern immer lebendig und zugewandt.“

Der Pfarrer wechselt als Stellvertretender Leiter der Stadtkirche nach Mannheim.

2015 dann die Gründung der großen Stadtkirche Heidelberg. Brandt hatte den Zusammenschluss schon befürwortet, lange bevor in anderen Städten über solch eine Lösung überhaupt nachgedacht wurde. Und er sollte Recht behalten. Heute sieht die ganze Erzdiözese Freiburg darin das Modell für die Zukunft.

Leider zum Nachteil von Johannes Brandt. Die neuen Vorschriften des Erzbistums lassen eine Verlängerung seiner Amtszeit in Heidelberg nicht mehr zu. Brandt wird daher nach Mannheim wechseln, wo er die Funktion des Stellvertretenden Leiters der Stadtkirche übernimmt. Was die Mannheimer außerordentlich freut. 

„Die Kirche lebt davon, dass viele Menschen in ihr wirken.“ (Brandt)

Der März 2020. Pfarrer Brandt war gerade ins Pfarrhaus der Jesuitenkirche übersiedelt, da kam Corona. Kein Kontakt mehr. Zu niemand. Außer zu Bezirkskantor Markus Uhl, der im selben Haus wohnte. Da Johannes Brandt ausgebildeter Operntenor ist, war die Freundschaft der beiden Musiker von Anfang an eng. Ihre intimen Konzerte nur für Orgel und Gesang – oft unterstützt von der Sopranistin Judith Schmidt-Helferich – waren vielleicht das anrührendste, was die Jesuitenkirche in den letzten Jahren erlebt hat.

„Johannes Brandt hat aber auch herausragende Fähigkeiten als Seelsorger“, befand Daniela Seehaus bei der Verabschiedung. Seehaus ist seit vielen Jahren Vorsitzende des Pfarrgemeinderates der Stadtkirche. Trotz der unglaublichen Fülle von Aufgaben sei der Pfarrer stets „ein Teamplayer geblieben, der immer zuerst die Menschen gesehen hat“, formulierte Seehaus. Nicht umsonst schritten bei Brandts letzten Messe in der Jesuitenkirche 22 Ministranten dem Pfarrer voran. Ein absoluter Rekord. „Kirche lebt davon, dass viele Menschen in ihr wirken“, lächelte Brandt. „Je mehr desto besser.“

OB Würzner: „Wir brauchen Brückenbauer wie Pfarrer Brandt. Denn Spalter gibt es mehr als genug.“

22 Ministranten schritten Brandt bei seinem Abschiedsgottesdienst voran.

Nachdenkliche Wort kamen von OB Würzner. „Gibt es in unserer Gesellschaft noch genügend Vertrauen in die Werte, für die wir als Stadtgesellschaft in Heidelberg stehen?“, fragte sich das Stadtoberhaupt in seinem Grußwort. Würzners Antwort: Je mehr sich die Gesellschaft polarisiert, desto unverzichtbarer werden die Kirchen. Weil sie da sind, wenn Menschen Rat und Hilfe suchen. “Solche Brückenbauer brauchen wir. Spalter gibt es mehr als genug.“ 

Pfarrer Vincenzo Petracca, der die Grüße des evangelischen Dekanats überbrachte, ging sogar noch weiter. Für ihn ist die Zeit des „Gegeneinanders der beiden christlichen Kirchen“ endgültig vorbei. „Wir erleben momentan den Anbruch des Zeitalters des Miteinanders.“ Sprach’s und überreichte Johannes Brandt ein evangelisches Buch mit dem schönen Titel: „Becoming an angel“.

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