Im Frühling, wenn die Zierkirsche den Weg zur Klosterkirche in rosa Wolken hüllt und die Osterglocken leuchten, ist das Heidelberger Stift Neuburg traumschön. Still, südlich, friedlich. Schwer zu glauben, dass diese alte Benediktinerabtei der Schauplatz eines Streits ist, dessen Hintergründe selbst Insider kaum verstehen.
Im vergangenen September wurde Abt Winfried Schwab von der Beuroner Kongregation nach nur zwei Jahren seines Amts enthoben. Der Konvent hat das Vertrauen verloren. Abt Winfried hält seine Emeritierung für unrechtmäßig und klagt dagegen. In der ersten Instanz wurde seine Eingabe abgewiesen. Nun beschäftigt sich die Apostolische Signatur, der oberste vatikanische Gerichtshof, mit der Sache. Der Versuch einer Chronologie.
2007 wurde die Landwirtschaft verpachtet. Langfristig. Was ein Fehler war.
Kloster Neuburg in den 1960er Jahren. Eine blühende Benediktinerabtei. Die Mönche lebten streng abgeschieden und versorgten sich selbst. 300 Liter Milch lieferten die Klosterkühe am Tag, die Brüder züchteten Schweine und Forellen, sie hielten Hühner und gärtnerten. Weltweit berühmt war die Efeuzucht. In den Gewächshäusern gediehen 500 verschiedene Arten.
Als Franziskus von Heereman 1986 zum vierten Abt von Neuburg geweiht wurde, war die große Zeit des Klosters schon vorbei. Novizen wurden rar, die Brüder älter. 2007 verpachtete der Konvent seine Landwirtschaft. Die Verträge liefen langfristig, was vielleicht ein Fehler war. Die Pächter suchten sich Unterpächter, das Gelände verwahrloste, der Trubel des Gasthauses störte die Ruhe des Klosters. Ein unendlicher Rechtsstreit begann.
Der fünft Abt von Neuburg kam aus Österreich. Er wirkte hochgewachsen und charmant.
Er war noch nicht beigelegt, als Abt Franziskus das Kloster im Frühjahr 2016 an Pater Winfried Schwab übergab. Der fünfte Abt von Neuburg kam aus Stift Admont in Österreich. Der hochgewachsene 54-Jährige wirkte jugendlich und charmant. Und: Er hatte große Pläne. Stift Neuburg sollte zu einem „Forum des Dialogs zwischen Kunst, Kultur und Kirche“ in der Universitätsstadt Heidelberg werden. Nach „dem Vorbild englischer Colleges“ sollten Wissenschaftler „in einem spirituell begleiteten Rahmen ihre Forschungen betreiben können.“ Auf Computeranimationen sah der neue Campus im Stift großartig aus.
Und endlich war auch der Rechtsstreit mit den Pächtern entschieden. Das Oberlandesgericht hatte den Mönchen in allen Punkten Recht geben. Das neue Leben im Stift hätte beginnen können.
Die Investitionen überschritten die Möglichkeiten der Abtei.
Doch es kam anders. Statt geduldig Stück für Stück an seiner Vision zu bauen, „beschloss Abt Winfried ohne Einbindung des Konvents und entgegen den Statuten der Abtei umfangreiche Änderungen und Investitionen, die die Möglichkeiten der Abtei überschritten“. So formuliert es Pater Ambrosius Leidinger, der Prior des Konvents, in der Neuburger Hauszeitschrift „Wort in der Zeit.“ Die Projekte, die Abt Winfried entwickelt habe, schreibt Pater Ambrosius, seien finanziell nicht abgesichert gewesen. Zusätzlich seien teuere externe Berater beauftragt worden. „Es gab einen gewissen Zug zu einer falschen Größe.“
Im Frühsommer 2018 kam Abtpräses Albert Schmitt aus Beuron zu einer Visitation ins Stift. Er musste feststellen, dass „die zuständigen Gremien nicht in der Weise eingebunden waren, wie dies den kirchlichen Bestimmungen entsprochen hätte“. Nur kleinere Beträge darf ein Abt allein genehmigen. Für größere Summen braucht er die Zustimmung des Ältestenrates des Klosters. Fallen die Ausgaben noch höher aus, müssen der Konvent und der Abtpräses ihr Einverständnis geben. Es scheint, als habe Abt Winfried Schwab dieses strenge Regelwerk ignoriert. Weshalb ihn Abtpräses Albert Schmitt von seinem Amt suspendierte.
Sobald Rom entschieden hat, wollen die Mönche einen neuen Abt aus eigenen Reihen wählen
Der emeritierte Abt hielt sich zu dieser Zeit schon nicht mehr in Heidelberg auf. Da seine Gesundheit angegriffen war, hat sich Winfried Schwab seit Sommer 2018 in ein Sanatorium in der Nähe von Stuttgart zurückgezogen.
In der Abtei Neuburg leben derzeit noch elf Benediktinermönche. Das Durchschnittsalter liegt bei 73 Jahren. Dennoch ist die Weiterexistenz des kleinen Klosters gesichert. Die Liste der Menschen und Unternehmen, die die Abtei Neuburg unterstützen, ist lang. Landwirtschaft allerdings will man künftig nicht mehr betreiben. Um die Streuobstwiesen kümmert sich jetzt ein Landschaftspfleger mit seiner Schafherde. Die kleine Brauerei, die immer unabhängig vom Kloster war, läuft gut und wird bleiben. Die Gaststätte bietet eine kleine Karte für Ausflügler.
Im Konvent sei die Stimmung sehr gut, sagt der Prior. Das Miteinander der Mönche sei in einem Maße geprägt von „Glauben und Vertrauen, Offenheit und Kommunikation“, wie er es zuvor noch nie erlebt habe. Sobald die Apostolische Signatur entschieden hat, wollen die Benediktiner einen neuen Abt aus ihren eigenen Reihen wählen. Und dann eine Strategie für die Zukunft des Klosters entwickeln. Erste Ideen gibt es schon.