Es war der heißeste Tag des Jahres. 38 Grad meldete der Wetterbericht. Da blieb man im Haus oder döste im Schatten. Pfarrer Kurt Faulhaber ging pilgern.
Lange hatte der katholische Pfarrer nach einem Termin gesucht, um mit zehn Frauen und Männern aufzubrechen zum Jakobsweg im Kraichgau. Schweigend und betend wollte die Gruppe herausfinden, wohin Gott die Stadtkirche Heidelberg führen will. Und jetzt diese Gluthitze.
Unschlüssig bestiegen die Pilger den Zug nach Bad Rappenau, unschlüssig suchten sie nach der gelben Muschel. Plötzlich festliche Orgelklänge. Die Türen der katholischen Kirche öffneten sich weit, man feierte Firmung. „Da wussten wir, dass wir unseren Weg gehen sollten“, erzählt Kurt Faulhaber. „Der Geist Gottes würde uns führen.“
Es ist oft nicht einfach, die Spuren Gottes zu entdecken
Geschichten wie diese erlebt man ständig mit Pfarrer Faulhaber. Der Leiter der Seelsorgereinheit Heidelberg-Süd (Rohrbach, Kirchheim, Boxberg) vertraut in jeder Situation auf die Führung Gottes. „Immer, wenn etwas geschieht, frage ich mich, was will Gott mir damit sagen?“ Natürlich sei es oft nicht einfach, die Spuren Gottes zu entdecken, räumt der Pilgerpfarrer ein. „Man muss hinhören, hinhören, hinhören.“ Am 29. Dezember 2013 feierte Kurt Faulhaber mit einer festlichen Messe in der Rohrbacher Pfarrkirche St. Johannes seinen siebzigsten Geburtstag.
Heidelberg-Süd ist die größte Seelsorgeeinheit Heidelbergs und die heterogenste. Einerseits leben in den Neubaugebieten von Kirchheim und Rohrbach mehr junge Familien als sonstwo in der Stadt. Andererseits gibt es im Süden aber auch die meisten Sozialwohnungen und Arbeitslosen. Seit 1999 kümmert sich Pfarrer Kurt Faulhaber um die fast 12000 Katholiken der Seelsorgeeinheit. Bisher teilte er sich diese Aufgabe mit Pfarrer Karl Müller, doch dieser verabschiedete sich im vergangenen Sommer in den Ruhestand.
Einen Nachfolger wird es nicht mehr geben. Kurt Faulhaber muss nun alleine zurecht kommen. Eine Mammutaufgabe, in der der Pfarrer natürlich auch ein Fingerzeig Gottes erkennt: „Gibt es etwas, das unmissverständlicher sagt: Die Zukunft unserer Kirche hängt nicht von den wenigen Priestern ab, sondern von dem, was im Herzen Aller brennt.“ Eine Kirche von unten, sieht Faulhaber heranwachsen. Eine Kirche, in der „die Verantwortung für das Gemeindeleben in die Hände der Getauften gelegt wird.“
Kurt Faulhaber und Robert Zollitsch kennen sich seit ihrer Schulzeit
Im Kriegswinter 1943 kam Kurt Faulhaber in Lauda, einem Weinstädtchen bei Tauberbischofsheim, zur Welt. Er war das mittlere von drei Geschwistern und sollte eigentlich die väterliche Metzgerei übernehmen. Doch als der Junge vier Jahre alt war, starb der Vater. Die Mutter war nun ganz auf sich gestellt. Mutig schickte sie ihren Jungen nicht in die Metzgerlehre sondern aufs Gymnasium nach Tauberbischofsheim. Es waren harte Jahre. „Wenn die Mutter uns Kinder morgens geweckt hat, hatte sie schon viele Stunden im Weinberg hinter sich“, erinnert sich Pfarrer Faulhaber.
Auf dem Gymnasium lernte Kurt Faulhaber die Jugendgruppe der Schönstatt-Bewegung kennen. Schönstatt ist eine junge geistliche Bewegung in der katholischen Kirche, die die Geschwisterlichkeit aller Christen sehr ernst nimmt. Der Tauberbischofsheimer Gruppenleiter war ein engagierter Primaner namens Robert Zollitsch. Bis heute stehen der Freiburger Erzbischof und der Rohrbacher Pfarrer in enger Verbindung. Der neue Freiburger Weihbischof Michael Gerber gehört zu Faulhabers Priestergruppe, die sich regelmäßig einmal im Monat trifft und täglich E-Mails austauscht.
Der Theologie-Student floh und brach mit der Kirche seiner Väter
Direkt nach dem Abitur wechselte Kurt Faulhaber aufs Priesterseminar nach Freiburg – und wurde bitter enttäuscht. Keine Spur von der lebendigen, zeitoffenen, aufbrechenden Kirche, die der junge Mann suchte. Faulhaber floh nach München.
Es war das Jahr 1967. Die Studenten rebellierten gegen die Autoritäten, München war eine Hochburg der Bewegung. Kurt Faulhaber brach endgültig mit der Kirche der Väter. „Ich empfand diese Kirche als etwas Lähmendes. Eine Institution, die nur noch den Schein wahrt.“ Der Theologiestudent wollte schon aus der katholischen Kirche austreten, da traf er Pater Kentenich, den Gründer der Schönstatt-Bewegung.
Josef Kentenich muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein. Drei Jahre quälten Hitlers Schergen den Pallottiner-Mönch in Dachau; zehn Jahre verbannte ihn die eigene Kirche nach Amerika. Dennoch zweifelte Josef Kentenich nie an seiner Vision von der Kirche der Zukunft. Als Kurt Faulhaber ihn kennenlernte, war Kentenich schon über achtzig Jahre alt. „Ich habe nur ein paar Sätze gesagt, da hatte er meine Fragen, Zweifel und Verwirrungen schon verstanden“, staunt Faulhaber. Kentenich, der so lang Exilierte, machte dem jungen Mann Mut: „Der Geist Gottes wird diese Kirche erneuern.“ 1971 wurde Kurt Faulhaber in Freiburg zum Priester geweiht.
Hierarchien misstraut er, Autoritäten hinterfragt er, Äußerlichkeiten lehnt er ab
Ein kritischer Geist ist Kurt Faulhaber trotz seiner großen Liebenswürdigkeit geblieben. Hierarchien misstraut er, Autorität hinterfragt er, Prunk und Äußerlichkeiten lehnt er ab. Im Rohrbacher Pfarrhaus lebt man einfach und bescheiden, aber stets offen und hilfsbereit.
Besonders schwer getan hat sich Kurt Faulhaber mit der Idee der großen „Stadtkirche Heidelberg“. Zu strukturverliebt und zu wenig an den Menschen orientiert erschien im das Konstrukt. Er habe „durchgehend den Eindruck, dass in Heidelberg nicht die Zeichen der Zeit, sondern Zeittrends, nicht die Bedürfnisse der Menschen, sondern die Bedürfnisse der Hauptamtlichen maßgeblich“ seien, schrieb Faulhaber in einer flammenden Denkschrift an Erzbischof Zollitsch. Zunächst geschah nichts.
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Robert Zollitsch mahnte Nacharbeiten zur Stadtkirchenplanung an, Papst Benedikt trat zurück. Am 13. März 2013 unterschrieb Robert Zollitsch dann doch die Genehmigung für die Stadtkirche Heidelberg, am gleichen Tag wurde Papst Franziskus gewählt. „Mit Franziskus“, freut sich Kurt Faulhaber, „sind uns die Überschrift und das Programm der Stadtkirche gegeben: Heidelberg soll eine dienende und demütige Kirche werden.“