Aufatmen in der Heidelberger Südstadt: Die katholische Pfarrkirche St. Michael wird vorläufig nicht abgerissen. Der Stiftungsrat der Seelsorgeeinheit Philipp Neri will das heikle Thema aussetzen, bis 2015 die geplante große Stadtkirche Heidelberg-Eppelheim errichtet ist.
„Wir rechnen fest damit, dass die Stadtkirche kommt“, sagte Pfarrer Christof Heimpel beim Richtfest des Kirchenraums in der neuen Bahnstadt. „Dann entscheidet die ganze Stadt über die Zukunft von St. Michael.“
„Typusbildend“ nennt der Denkmalschutz solche Vorreiterbauten.
Dass St. Michael eine schöne und eine spannende Kirche ist, bestreitet niemand. 1963 geweiht, nahm das Gotteshaus aus Stahlbeton die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils schon vorweg: Der Altar steht so, dass der Priester die Messe mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebriert. Gemeinderaum und Altarbereich gehen ungetrennt ineinander über; die Kommunionsbank fehlt. „Typusbildend“ nennt der Denkmalschutz solche Vorreiterbauten, die wegen ihrer historischen Bedeutung besonders geschützt sind.
Auch die künstlerische Ausgestaltung des Innenraums der Südstadtkirche ist sehr gut gelungen, befindet eine Expertise, die das Erzbischöfliche Bauamt erstellt hat. Die Architekten loben die Auswahl der Materialien und Farben sowie das Lichtkonzept von St. Michael. Alle Fenster sind von Lamellenwänden verdeckt, die das Licht bündeln und direkt zur fünfeckigen Altarinsel hinführen. Die gesamte Ausstattung sei im Original erhalten, sagt das Gutachten, und in einigermaßen gutem Zustand. Kein Wunder, dass sich alteingesessene Südstädter erbost fragen, warum jemand auf die Idee kommt, solch eine Kirche abzureißen.
Das Grundstück, auf dem St. Michael steht, ist viel wert und wird stark nachgefragt
Weil St. Michael viel zu groß und im Unterhalt zu teuer ist für die kleine katholische Gemeinde in der Südstadt, lautet die Antwort von Pfarrer Christof Heimpel. Mehr als 600 Gläubige fasst die Kirche. Kaum vierzig Katholiken verlieren sich am Sonntag noch in dem weiten Rund. Ein trostloser Anblick. Dafür verschlingt das Gotteshaus 75000 Euro pro Jahr für seinen Unterhalt.
Das ist weit mehr als die Gemeinde aufbringen kann. Andererseits ist das Grundstück, auf dem St. Michael steht, viel wert und wird stark nachgefragt. In den letzten Jahren entstanden hier ein Kindergarten, das Sozialzentrum St. Elisabeth und die Zentrale des Heidelberger Caritasverbandes. Gern würde die Caritas ihre Räumlichkeiten um einige Schulungs- und Beratungsräume erweitern, doch es fehlt an Bauplatz.
Dekan Joachim Dauer sieht daher ebenfalls Handlungsbedarf. „Zwei Fragen müssen geklärt werden: Finanzen und Nutzung“, schreibt er in einem Brief an Wolfgang Maier-Borst, den Sprecher der Initiative „Rettet St. Michael“. Dauer wird noch deutlicher: „Nicht weiterführend scheint mir der Blick zurück in bessere Zeiten und auf die Entwicklung der Südstadt nach dem Abzug der Amerikaner. Denn beides rettet die Kirche, so wie sie ist und derzeit genutzt wird, nicht.“
Bald bevölkern junge Familien die Südstadt. Aber gehen sie auch in die Kirche ?
Tatsächlich kann man im Augenblick schwer einschätzen, wie die Zukunft der Südstadt aussehen wird. Sicher ist, dass sich schon bald junge Familien dies- und jenseits der Römerstraße ansiedeln. Ob sie aber auch in die Kirche gehen und welche sie bevorzugen, weiß niemand. Die katholische Pfarrkirche St. Johannes in Rohrbach liegt nur einen Kilometer von St. Michael entfernt. Mit dem Fahrrad ein Katzensprung.
Ein weiterer Grund, der für das Moratorium spricht, zu dem sich die Stiftungsräte der Seelsorgeeinheit Philipp Neri durchgerungen haben. Wenn die Stadtkirche Heidelberg-Eppelheim 2015 tatsächlich kommt, muss sie rasch ein Gesamtkonzept für die katholischen Kirchen vorlegen. Denn bei St. Michael handelt es sich nicht um das einzige Gotteshaus, das am Sonntag nicht mehr ausgelastet ist.