Fragt man Günter Eitenmüller nach seiner markantesten Eigenschaft, kommt eine verblüffende Antwort: „Ich besitze fast keinen Ehrgeiz.“ Dafür hat es Eitenmüller weit gebracht. Zwanzig Jahren lang stand der Theologe an der Spitze der evangelischen Kirche in Mannheim.
Er war Schuldekan und rechte Hand des damaligen Stadtdekans Ulrich Fischer. Seit Fischers Wahl zum Landesbischof im Jahr 1998 führt Günter Eitenmüller die etwa 1400 Mitarbeiter im Dekanat Mannheim. Der heute 65-Jährige brachte die Jugend-, die City- und die Diakoniekirche auf den Weg, er initiierte die Vesperkirche, die Meile der Religionen, das Ökumenische Zentrum sanctclara und das Evangelische Forum. Jetzt verabschiedete sich Günter Eitenmüller mit einem Gottesdienst in der Christuskirche in den Ruhestand.
„Nie hätte ich gedacht, dass aus mir einmal ein Pfarrer wird.„
Seine Termine sind eng getaktet, doch Günter Eitenmüller sitzt so entspannt in seinem Sessel, als befände er sich auf einer Cocktailparty. Ein Mann mit Nerven. „Nie hätte ich gedacht, dass aus mir einmal ein Pfarrer wird“, überlegt der scheidende evangelische Dekan. In seinem Elternhaus habe Kirche keine Rolle gespielt, erzählt Eitenmüller. Erst während des Philosophiestudiums habe er angefangen, nach Gott zu fragen. „Eigentlich waren es Kant und Hegel, die mir den Sinn geöffnet haben für das Religiöse.“
1947 wurde Eitenmüller in einem Dorf im Odenwald geboren. Die Familienverhältnisse waren schwierig, weshalb man Günter mit 15 Jahren nach Wien schickte. Dort gab es zwar Verwandte, doch meist wohnte der Junge allein. Mit der Matura erwarb Günter Eitenmüller auch die Lehrbefähigung für Grund- und Hauptschulen. Dann studierte er Philosophie. Einfach so, aus Interesse.
„Wien ist eine spröde Stadt“, findet Günter Eitenmüller. „Man braucht lange, bis man warm wird.“ Immerhin traf er dort seine große Liebe. Christina Eitenmüller ist Wienerin, katholisch und heute Schulleiterin in Weinheim. Die Eitenmüllers sind seit mehr als vierzig Jahren verheiratet, haben drei erwachsene Kinder und fünf Enkel.
Fischer und Eitenmüller waren das Mannheimer Dream-Team.
Wie er mit Philosophie und Theologie eine Familie ernähren sollte, darüber machte sich Günter Eitenmüller erst nach seinem Examen in Heidelberg Gedanken. Als die Berufsberatung „höheres Archivwesen“ empfahl, floh Eitenmüller in die Praxis: Er wurde Lehrvikar in Weinheim, Vikar in Mannheim und schließlich Lehrer am neugebauten Schulzentrum in Hemsbach, wo ein junges Kollegium neue pädagogische Konzepte ausprobierte. Günter Eitenmüller war glücklich. Fünfzehn Jahre lang. „Ich wäre heute noch in Hemsbach, wenn die Landeskirche mich nicht geholt hätte.“
Gebraucht wurde ein Schuldekan in Mannheim. Eine neue Welt für Günter Eitenmüller: Arbeitslosigkeit, Migration, Islam. Er setzte Schulseelsorger ein und startete ein Pilotprojekt für islamischen Religionsunterricht. Dann kam Ulrich Fischer. Drahtig, eloquent, umtriebig. Dekan und Schuldekan verstanden sich auf Anhieb, doch es sollten nur zwei gemeinsame Jahre werden. 1998 wurde Ulrich Fischer zum Badischen Landesbischof gewählt. Er nehme die Wahl nur an, sagte Fischer, wenn Günter Eitenmüller ihm als Mannheimer Dekan nachfolge. Mehr als 90 Prozent der Stadtsynodalen stimmte für diesen Plan.
Der neue Dekan begann mit einem Defizit von fünf Millionen Euro pro Jahr.
Es waren vierzehn harte Jahre, durch die Günter Eitenmüller die evangelische Kirche Mannheims führte. Die Zahl der Protestanten in der Quadratestadt ging kontinuierlich zurück, das Budget auch. In den letzen Jahren mussten sogar Kirchen geschlossen, verkauft und abgerissen werden.
Saure Äpfel, doch es hat sich gelohnt hineinzubeißen, findet Günter Eitenmüller. „Als ich angefangen habe, hatten wir ein Haushaltsdefizit von fünf Millionen Euro pro Jahr. Heute ist der Haushalt ausgeglichen.“
Natürlich wurde auch gebaut in der Ära Eitenmüller. Das preisgekrönte Gemeindezentrum in Neuhermsheim beispielsweise oder das „Haus der evangelischen Kirche“ in M 1. Besonders stolz ist der scheidende Dekan darauf, dass es im ökumenischem Schulterschluss gelungen ist, die verkaufsoffenen Sonntage in Mannheim auf einen einzigen im Jahr zu beschränken. Ein Coup diplomatique à la Eitenmüller. „Ich habe andere Meinungen nie als Gefährdung gesehen, sondern stets als Bereicherung.“
Anfang April fliegen die Eitenmüllers auf Einladung der türkischen Regierung nach Ankara.
Im Ruhestand zuhause in Weinheim will sich der Dekan a. D. vor allem um die Enkel und die große Familie kümmern, die wie eine Patchwork-Decke zusammengesetzt ist.
Außerdem hat sich Günter Eitenmüller fest vorgenommen, wieder Sport treiben: „In meiner Hemsbacher Zeit habe ich gut Tennis gespielt.“ Und natürlich wollen die Eitenmüllers reisen. Anfang April fliegen sie auf Einladung der türkischen Regierung nach Ankara.