Tanzen wie König David

Die Heidelberger Peterskirche erlebte ihren ersten Techno-Gottesdienst.

Die Heidelberger Peterskirche nachts um halb zwei: Es ist ohrenbetäubend laut. Bässe wummern, es bleept, es blummert, bunte Schwaden wabern durchs Kirchenschiff. Die neugotischen Pilaster schillern in Pink, Rot und Violett. Dazwischen tanzen unzählige Studierende, völlig im Augenblick versunken. So geht Universitätsgottesdienst im Jahr 2024.

Die Heidelberger Peterskirche nachts um halb zwei: Es ist ohrenbetäubend laut. Bässe wummern, es bleept, es blummert, bunte Schwaden wabern durchs Kirchenschiff. Die neugotischen Pilaster schillern in Pink, Rot und Violett. Dazwischen tanzen unzählige Studierende, völlig im Augenblick versunken. So geht Universitätsgottesdienst im Jahr 2024. Die Heidelberger Peterskirche nachts um halb zwei: Es ist ohrenbetäubend laut. Bässe wummern, es bleept, es blummert, bunte Schwaden wabern durchs Kirchenschiff. Die neugotischen Pilaster schillern in Pink, Rot und Violett. Dazwischen tanzen unzählige Studierende, völlig im Augenblick versunken. So geht Universitätsgottesdienst im Jahr 2024.

„Unsere Gottesdienste müssen wieder zu echten Erlebnissen werden“, sagt Christian König, der neue evangelische Studentenpfarrer. „Sie sollten Events sein, an denen die Studierenden unbedingt teilnehmen wollen. Ganz egal, was anderswo angeboten wird.“

Angelika Schmidt, Pfarrerin im Kleinen Odenwald, testet derzeit ebenfalls neue Formen des Gottesdienstes, wenn auch für eine völlig andere Zielgruppe. Schmidt feiert Traktoren-Gottesdienste mit Landwirten in Aglasterhausen. Sie organisiert kleine Auszeiten für erschöpfte Pflegerinnen in Altenheimen, tauft Kinder am Michelsee und intoniert im Wohnmobilpark Songs auf der Gitarre.

„Die Bibel weiß Lösungen für alle Probleme, mit denen sich die Menschen herumschlagen“, sagt Angelika Schmidt. Ihre Aufgabe sei es, diese Antworten so anzubieten, dass sie von den Menschen gehört werden. Weil traditionelle Gottesdienste das immer weniger schaffen, muss die Kirche dazu raus aus der Kirche. Eine Suche nach der evangelischen Zukunft.

Pfarrerin Angelika Schmidt mit Gitarre und ihre Frauenband in der Kirche von Michelbach.

Wie muss ein Gottesdienst aussehen, damit er junge Leute wirklich anspricht?

Pfarrer Christian König, der einen Doktortitel trägt, ist ein ziemlich cooler Typ ohne jedes Interesse an Statussymbolen. Er sucht nach Wahrhaftigkeit, weshalb sich König auch ziemlich lang an der Tübinger Universität aufgehalten hat. Erst an der philosophischen, dann an der theologischen Fakultät. Noch kaum richtig in Heidelberg angekommen, stellte der neue Studentenpfarrer denn auch schon die entscheidende Frage: Wie muss ein Gottesdienst aussehen, damit er junge Leute wirklich anspricht?

„Es macht doch keinen Sinn, ir gendeinen vorgegebenen Psalm zu beten, der mit der Lebenssituation der Studierenden nichts zu tun hat. Oder Lieder anzustimmen, die niemand von uns privat singen würde.“ So weit gedacht, zog Christian König los, um in Erfahrung zu bringen, was den Studenten Freude machen würde. Die Antwort lautete kurz und knapp: ein Gottesdienst im Club-Format. Sprich: eine Technoparty.

Christian König, der neue Studentenpfarrrer.

Woche für Woche sucht die Pfarrerin besondere „Locations“ für ihre Videos auf You Tube.

Angelika Schmidt kam vor zehn Jahren zum ersten Mal in den Kleinen Odenwald. Als Pfarrerin von Michelbach und Unterschwarzach. Anfangs hat sie ihre Gemeinden brav Sonntag für Sonntag in einer der beiden schönen Kirchen versammelt. Dann kam Corona, und aus den Gottesdiensten wurden Filmchen im Internet.

Woche für Woche machte sich Angelika Schmidt auf die Suche nach besonderen Locations für ihre Videos auf You Tube. Sie erkundete die verschiedenen Stimmungen der Tages- und Jahreszeiten, die uralten Bäume, die weiten Felder und die munteren Bäche. Und irgendwann merkte die Pfarrerin, wie frisch die uralten Worte der Bibel klangen, wenn man sie in einen anderen Kontext stellte.

Das war die Initialzündung für ein neues Gottesdienstkonzept: Statt darauf zu warten, dass die Gemeinde in die Kirche kommt, predigt Schmidt jetzt dort, wo die Leute sind. Auf dem Sportplatz, am See, auf der Kerwe, im Landhandel … Getreu dem Schlusswort des Matthäus-Evangeliums: „Geht hin und erzählt es allen Leuten!“

König David mit Lyra, portraitiert von Marc Chagall.

Elektronische Musik war für Christian König völliges Neuland.

Techno also. Für Pfarrer Christian König war das musikalisches Neuland. Und dann ausgerechnet in der ehrwürdigen Peterskirche, die seit 1889 die Heidelberger Universitätskirche ist. Die Peterskirche befindet sich im Besitz der Stiftung Schönau und ist entsprechend hochwertig saniert. Mit teurer Kunst und empfindlichem Boden. Ausgerechnet auf ihm wollten die Studenten jetzt tanzen. Viel zu heikel, fand König.

Doch dann hat er gemerkt, dass die Peterskirche für die Studierenden mehr ist als eine coole Location: „Vor allem die Frauen fühlen sich in der Universitätskirche geborgen, weil sie sich hier völlig frei bewegen können, ohne angestarrt oder taxiert zu werden.“ Was ihn sofort an König David erinnert habe, sagt der Studentenpfarrer. Von David erzählt das Alte Testament, dass er unbekümmert, frei und „voller Hingabe neben der Bundeslade tanzte und hüpfte, um den Herrn zu loben.“ Womit das Thema für den Gottesdienst gefunden war: Tanzen wie David.

Nirgendwo steht, dass man das Wort Gottes nur in der Kirche verkünden darf.

Pfarrerin Schmidt unterwegs bei den Bauern …

„Nirgendwo in der Bibel steht, dass man das Wort Gottes nur in einer Kirche verkünden darf“, überlegt Angelika Schmidt im Kleinen Odenwald. Man könne auch im Sattel eines Traktors predigen. Zum Beispiel beim Kerwe-Umzug, den ganz selbstverständlich die Pfarrerin mit dem Bulldog anführt. Das nächste Traktor-Event steht schon in den Startlöchern: „Weil die Landwirte im Augenblick viel Kraft, Unterstützung und Gottes Segen brauchen, feiern wir am 2. Februar 2024 einen ökumenischen Gottesdienst beim Landhandel Barth in Aglasterhausen.“ Mit Parteipolitik habe das nicht das Geringste zu tun, betont die Pfarrerin. Es gehe vielmehr darum, die Menschen zu unterstützen und zu segnen, die unser Land bestellen.

… im Kleinen Odenwald.

„Ein Gottesdienst muss stets Geben und Nehmen zugleich sein“, erklärt Schmidt. „Ich möchte wissen, wie es den Landwirten geht. Und die Landwirte interessiert es vielleicht, was die Bibel über das Säen und das Ernten zu sagen hat.“ Dasselbe gelte natürlich auch für die Beschäftigten der Pflegedienste, für die Wirte, die Erzieherinnen im Kindergarten … Angelika Schmidt hat für den Sommer ein volles Programm.

Plötzlich hörte der Pfarrer eine innere Stimme. Sie sagte: „Mach es wie König David. Tanze!

Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte Christian König gedacht, dass ein Techno-Gottesdienst so viel Arbeit macht. „Lichtinstallation, Musikanlage, Getränke, Garderobe – das hörte überhaupt nicht mehr auf“, erinnert sich der Studentenpfarrer. Und dazu noch die Sorge, dass man am Freitag Abend in der Heidelberger Altstadt mit Freibier womöglich unliebsame „Laufkundschaft“ anlockt – und sie dann nicht mehr los wird.

„Church raves“ sind angesagt, machen aber auch viel Arbeit.

„Manchmal war ich schon nahe dran, einfach aufzugeben“, gesteht Pfarrer König. Doch dann habe eine Stimme zu ihm gesagt: „Denk an König David! Tanze!“ Und tatsächlich meldete sich plötzlich ein Student, der eine professionelle Musik- und Lichtanlage besaß. Und ein anderer, der sich sein Theologiestudium als Türsteher in einem Club verdiente, und unerwünschte Gaffer problemlos und höflich hinauskatapultierte. Und die Kleiderboutiquen der Altstadt schenkten den Studenten 500 Bügel für die Garderobe …

Angelika Schmidt hat neuerdings immer einen Talar bei sich. „Damit ich als Pfarrerin erkennbar bin.“

Ein Gottesdienst im Wohnmobilpark, einer im Wildgehege, einer im Altenpflegeheim und einer im Speiserestaurant – die Liste der evangelischen Andachten an ungewöhnlichen Orten im Kleinen Oden- wald ist jetzt schon lang. „Wir werden einen großen Tauftag am See haben“, verrät Angelika Schmidt. Mit gewaltigem Andrang, denn wegen Corona sind viele Kinder noch nicht getauft worden, formuliert Schmidt. Sie hat neuerdings immer ihren Talar bei sich. „Damit ich als Pfarrerin erkennbar bin.“

Die Kirchengebäude im kleinen Odenwald sollen während des Event-Sommers natürlich auch nicht verwaisen. Jeden Freitag gibt es in Michelbach einen neuartigen Feierabendgottesdienst mit moderner Musik. „Das ist unser Regionalgottesdienst“, sagt Angelika Schmidt. Die drei Pfarrer des Kleinen Odenwaldes wollen die Kindergärten einladen, regelmäßig in der Kirche vorbeizuschauen, um biblische Geschichten zu hören, zu singen und zu tanzen. Wie König David vor der Bundeslade.

Das evangelische Pfarrerteam vom Kleinen Odenwald: v.r. Angelika Schmidt, Lisa Stapper, Samuel Goerke.

„Es gibt jetzt auch eine Band mit Grundschulkindern, die jede Woche in der Kirche probt“, erzählt Pfarrerin Schmidt. Sie beobachte mit großer Freude, wie unbefangen und interessiert Kinder, die zuvor keinerlei Berührung mit dem christlichen Glauben hatten, das uralte Gotteshaus erkunden. „Sie stehen dann mit offenem Mund vor dem Kreuz und fragen: Was ist denn das?“

Wie wird aus einem Rave ein Gottesdienst?

Wie wird aus einem Rave ein Gottesdienst? Diese Frage hat Christian König wochenlang umgetrieben. Dabei lag die Antwort eigentlich auf der Hand: Indem man vor dem Tanzen das Abendmahl feiert. Mit einer Predigt über David, den König der Tänzer. „Der gesamte Gottesdienst wurde von den Studierenden selbst gestaltet“, berichtet der Hochschulpfarrer. Darauf habe er ebenso bestanden wie darauf, dass keine Manuskripte oder Spickzettel mitgebracht werden durften. Alle sollten frei sprechen. „Natürlich habe ich im Vorfeld intensiv als Coach zur Verfügung gestanden“, berichtet König. Aber der Gottesdienst selbst sei ausschließlich von Studenten für Studenten gestaltet worden. Mit Musik von Pink und mehr als 60 Teilnehmern beim Abendmahl. 

Als der letzte Gast in den frühen Morgenstunden die Peterskirche verließ, hatten die Garderoben-Studies mehr als 500 Besucher gezählt. Unter ihnen auch zwei ältere Ehepaare. Sie seien, so wird erzählt, sehr angetan gewesen von dem Treiben. Nur die Musikhabe nicht so ganz ihren Geschmack getroffen.

Die Kirche der Zukunft wird eine Kirche der Kontakte sein

Die Kirche der Zukunft, glaubt Angelika Schmidt, muss eine Kirche der Kontakte sein. Sie muss präsent sein bei allen Vereinen und allen Veranstaltungen. „Und jedes Mal auch eine kleine Andacht anbieten.“ Ein Vorschlag, der sicherlich nicht überall mit Begeisterung angenommen wird. Aber da brauche es eben Geduld und Fingerspitzengefühl. „Man muss mit den Leuten reden, reden und noch mal reden.“ Ihr großer Traum für diesen Sommer, sagt Angelika Schmidt, sei ein Gottesdienst am Anglerteich. „Das ist ein kleiner, schöner und sehr beliebter Ausflugsort für Spaziergänger.“ Und Angeln passt thematisch einfach perfekt zur Kirche. „Jesus war ja auch immer unter Fischern.“

Die Kinderband bei einer Probe in der Kirche von Unterschwarzach.

Die evangelische Studierendengemeinde von Heidelberg trifft sich traditionell am Mittwochabend in der ESG in der Plöck. „Das war bislang kein fester Kreis, sondern man kam, wenn man Zeit und Lust hatte“, berichtet Studierendenpfarrer König. Seit dem Technogottesdienst hat sich das geändert. „Ich habe das Gefühl, die Studierenden kommen häufiger und regelmäßiger, und sie bringen auch Freunde mit.“

Ein zweiter Technogottesdienst in der Peterskirche ist vorläufig allerdings nicht geplant. „Ich finde es viel cooler, wenn wir uns für das Sommersemester etwas ganz Neues überlegen“, sagt Christian König. Sein Traum: Ein Universitäts-Gottesdienst in der Thingstätte auf dem Heiligenberg.

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