Der evangelischen Kirche in Baden geht das Geld aus. Bis in zwei Jahren muss der Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim daher eine Plan vorlegen, wie er seine Ausgaben dauerhaft um 30 Prozent senken will. Eine Horrornachricht.
„Die Anstrengungen, die wir schon unternommen haben, um unsere Gebäude zu reduzieren, reichen leider nicht aus“, bedauerte Dekanin Monika Lehmann-Etzelmüller bei Synode in der Weinheimer Peterskirche. Jetzt stünden alle Bereiche des kirchlichen Lebens auf den Prüfstand. Auch das Personal.
Jeder evangelische Kirchenbezirk muss seine Ausgaben dauerhaft um 30 Prozent senken.
„Transformation und Reduktion“ nennt die Landeskirche ihr Sparprogramm. Sämtliche Bauvorhaben in Baden sind derzeit gestoppt. „Das hier ist anders, als alles, was uns bisher begegnet ist“, seufzte Monika Lehmann-Etzelmüller. „Und das Vorherige war auch schon schwer.“
Mehr als 10.000 Mitglieder hat der Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim in den letzten zwanzig Jahren verloren. Darunter viele junge Leute. Die verbliebenen Gläubigen sind älter geworden und zahlen entsprechend weniger Kirchensteuer.
„Hinzu kommt ein Relevanzverlust der Kirche in der Öffentlichkeit“, diagnostizierte Oberkirchenrat Matthias Kreplin in der Weinheimer Peterskirche. Er war eigens aus Karlsruhe zur Bezirkssynode angereist. „Alte Selbstverständlichkeiten verschwinden. Unsere Gesellschaft wird pluraler und mobiler. Die Kinder sind nicht mehr automatisch getauft.“
„Es reicht nicht, alles kleiner zu machen. Das kirchliche Leben muss komplett umgebaut werden.“
Auf diese Veränderungen muss die evangelische Kirche in Baden reagieren, befand Kreplin. Nicht nur mit Einsparungen, sondern vor allem mit neuartigen Angeboten und Ideen. Daher der Arbeitstitel: „Strategieprozess 2023: Transformation und Reduktion.“ Dieser Strategieprozess soll explizit nicht nur ein Sparprogramm sein, sondern auch Mut machen zu Experimenten.
„Es reicht nicht, wenn wir alles ein Bisschen kleiner machen“, betonte Matthias Kreplin. Die Gemeinden müssten ihr kirchliche Leben komplett umbauen. „Nicht mehr vom Bestehenden her denken, sondern Neues erschaffen.“
Und das in zügigem Tempo. Im Herbst 2023 muss ein „tragfähiges“ Konzept für den „neuen“ Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim fertig sein. „Wir diskutieren jetzt zwei Jahre lang konzentriert. Dann können wir zehn Jahre lang in Ruhe umsetzen.“
Was, wo und wie ausgegeben wird, entscheidet die Bezirkssynode eigenverantwortlich.
An welchen Stellen eingespart wird, entscheiden die Synodalen aus Ladenburg-Weinheim allein. Die Landeskirche mische sich da nicht ein, versprach der Oberkirchenrat. Der Kirchenbezirk erhält aus Karlsruhe ein Kontingent an Personalstellen und Geld. Was, wo und wie ausgegeben wird, entscheidet die Bezirkssynode eigenverantwortlich. Einzig die evangelischen Kindertagesstätten sind momentan ausgenommen von den Sparüberlegungen. Was aus den Kitas wird, hat die Landessynode noch nicht beschlossen. Man operiert in Karlsruhe derzeit offensichtlich am offenen Herzen.
Die Synodalen in der Weinheimer Peterskirche brauchten eine Weile, um das Gehörte zu verdauen. Haben sie doch gerade erst eine schmerzhafte Reduktion ihrer Kirchen und Gemeindehäuser gestemmt. „Mit der Klimaneutralität unserer Gebäude sind wir noch nicht einmal durch“, berichtete Monika Lehmann-Etzelmüller.
Die Dekanin versteht die Sparvorgaben aus Karlsruhe vor allem als Herausforderung, endlich wirklich neue Wegen zu wagen. Viele Gemeinden nämlich, so ihre Beobachtung, hätten in den letzten Jahren vor allem mit großen Anstrengungen Fundraising betrieben. Um ihre Gebäude durch Spenden erhalten zu können. Jetzt zeige sich, dass „Spendensammeln keine Zukunftsoption ist“.
„Nur Spendensammeln“, sagt die Dekanin, „ist keine Zukunftsoption. Wir müssen wirklich neue Wege wagen.“
So wenig wie die Idee, die Arbeit künftig einfach auf weniger Personal zu verteilen. „Wir müssen endlich entscheiden: Was brauchen wir unbedingt. Und was nicht“, forderte Monika Lehmann-Etzelmüller. „Wie können wir unsere Botschaft in die Gesellschaft hineintragen? Und wie bringen wir unsere Kirche in einen Zustand, in dem wir sie gern an die nächste Generation weitergeben?“
Womit wir beim zweiten Schlüsselbegriff „Transformation“ wären. Viele Pfarrerinnen und Pfarrern verabschieden sich in den kommenden zwei Jahren in den Ruhestand. Etliche werden wohl nicht ersetzt werden. Neue Wege sind daher unerlässlich. „Kooperation mit anderen Institutionen“, lautete das Zauberwort, das Florian Hahnfeldt den Synodalen unermüdlich zurief. Der Politikwissenschaftler begleitet als Prozessberater den Umbau der Badische Landeskirche.
Die Gemeinden sollen sich lösen von der „physischen Präsenz ihres Kirchengebäudes“.
Jedes Format, jedes Angebot, jeder Raum müsse durchleuchtet und hinterfragt werden, befand Hahnfeldt. In jeder Gemeinde. Was ist wirkungsvoll? Was nur Tradition? Wo ist die Kirche präsent? Wo sollte sie es sein? „Wenn an einem Ort das Angebot der Diakonie oder der Religionsunterricht plötzlich Sogwirkung entwickelt, sollte man hierauf den Schwerpunkt setzen“, rief Hahnfeldt den Synodalen zu.
Die Gemeinden müssten sich dringend lösen von „der physischen Präsenz ihres Kirchengebäudes“. Und stattdessen verstärkt nach Akteuren suchen, mit denen sie zusammenarbeiten können. Das kann die Ökumene mit der katholischen Kirche sein. Eine Kooperation mit der politischen Gemeinde. Oder eine Zusammenarbeit mit den Vereinen im Dorf. „Viele Vereinshäuser stehen die Woche über leer. Vielleicht kann man sie ja als evangelisches Gemeindehaus mitnutzen.“