Himmel hilf !

Sankt Christophorus ist ein
guter Himmelshelfer
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Auf den ersten Blick sehen sie ziemlich bedrohlich aus. Die Heiligen. Mit ihrem Harnisch, ihren Schwertern und ihren würdevollen Mienen. Dionysius trägt sogar seinen abgeschlagenen Kopf unterm Arm. Das sollen „himmlische Helfer“ sein?

Johannes Brandt, der Leiter der katholischen Stadtkirche Heidelberg, lächelt und nickt: „Die Heiligen sind das Scharnier zwischen unserem irdischen Leben und dem Reich Gottes.“ Das Verbindungsglied also. Weil sie Menschen waren, verstehen sie unsere Sorgen und Nöte. Und können jetzt als Heilige im Himmel bei Gott ein gutes Wort für uns einlegen. Man muss sie nur freundlich darum bitten. Ein kleine Auswahl guter Himmelshelfer. Passend zum katholischen Hochfest Allerheiligen.

Niemand führt sicherer durch die Rushhour als der heilige Christophorus.

Sechs Uhr morgens. Der Wecker klingelt, doch draußen ist es dunkel und kalt. Noch mal kurz umgedreht, plötzlich ist es sieben. Stress, Hektik, Unfallgefahr. Ein Fall für den heiligen Christophorus. Er ist der Schutzpatron des Verkehrs. Ein mächtiger Helfer. Schon äußerlich. Christophorus soll riesengroß gewesen sein. Seine Kraft nutzte er, um Menschen durch einen reißenden Fluss zu tragen.

Josef und Jesus in St. Ludwig
zu Ludwigshafen
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Eines Tages bat ein kleiner Junge um Hilfe. Christophorus setzte das Kind auf seine Schultern, doch bei jedem Schritt wurden der Bub schwerer. Nur mit letzter Kraft gelangte der Riese ans Ufer. Dort sprach das Kind: „Du hast den Schöpfer der Welt getragen“. Wer das schafft, bringt uns auch sicher durch die Rushhour.

Ab acht überschlagen sich die Ereignisse. Die Chefin bombardiert einen mit Aufgaben, das Telefon klingelt, Mails ploppen auf. Jetzt braucht man den heiligen Josef von Nazareth, den Patron der Arbeit. Auf Josef ist immer Verlass. Er ist der stille Anpacker, der einem in jeder Situation zur Seite steht. Treu, zuverlässig – und ohne je ein Wort zu sagen. Keine einzige Silbe überliefert die Bibel vom Ziehvater Jesu. Dafür etliche Träume. Ein stilles Wasser. Mit viel Tiefgang.

„Wir dürfen Gott mit unseren Bitten bestürmen. Aber nicht damit rechnen, dass er jede erfüllt“.

„Glauben hat immer mit Vertrauen zu tun“, findet Pfarrer Johannes Brandt. „Wenn wir ehrlich darauf vertrauen, dass die Heiligen unsere Anliegen vor Gott tragen, dann tun sie es auch.“ Wohlgemerkt: Man kann die Heiligen „anrufen“. Man kann sie um Hilfe bitte. Um Fürsprache. Aber man betet nicht zu ihnen. „Anbetung gebührt einzig und allein Gott“, betont Brandt.

Johannes Brandt leitet die katholische Stadtkirche Heidelberg.

Wobei Soforthilfe nie garantiert ist. „Es geht hier nicht um himmlische Magie“, warnt der Heidelberger Pfarrer. „Die Heiligen sind keine Automaten, in die man oben einen Euro einwirft und unten kommt das Wunschprodukt heraus.“

Zumal Gott ja seine eigenen Pläne mit jedem Menschen hat. Die niemand kennt. „Wir dürfen ihn trotzdem mit unseren Bitten bestürmen“, findet Johannes Brandt. „Aber wir sollten daraus nicht den Fehlschluss ableiten, dass jede erfüllt wird.“ Er selbst, verrrät der Leiter der Heidelberger Stadtkirche, stelle sich den Himmel als recht trubeligen Ort vor. In dem lauter glückliche Heilige um Gott herumwuseln. „Hier steht Franz von Assisi, dort sitzt Hildegard von Bingen. Und irgendwo haben auch meine verstorbenen Eltern ihr Lieblingsplätzchen gefunden.“

Die „Engelszungen“ sind das Spezialgebiet des Heiligen Ambrosius.

Zehn Uhr. Konferenz. Knifflig. Wegen dieser beiden Neuen, die immer alles besser wissen. Um mit ihnen klarzukommen, braucht man Engelszungen. Das Spezialgebiet des Heiligen Ambrosius. Er gehört zu den vier großen Kirchenvätern und konnte exzellent reden. Weil ihm, als er noch Kind war, ein Bienenschwarm in den Mund geflogen ist. Die Tiere stachen Ambrosius allerdings nicht, sondern sie träufelten ihm Honig in den Mund. Wodurch er zum charismatischen Redner wurde. Ambrosius rettet jedes Betriebsklima.

Der heilige Ambrosius rettet
jedes Betriebsklima
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12.30 Uhr. Mittagessen. Mit einem Kollegen, der dringend darum gebeten hat. Flüsternd berichtet er nun, dass er brisanten Informationen erhalten hat. Topsecret. Mit solch heißen Eisen kennt sich der heilige Johannes Nepomuk aus. Er ist der Patron der Diskretion. Zu Lebzeiten war Johannes Nepomuk Priester und Beichtvater der tschechischen Königin. Was ihm nicht gut bekommen ist. Der König nämlich wollte partout wissen, was seine Frau im Beichtstuhl so erzählt. Johannes Nepomuk schwieg. Eisern. Selbst unter der Folter. Schließlich ließ ihn der König von der Moldaubrücke stürzen.

Wer viel am Computer sitzt, sollte unbedingt die Heilige Lucia kennen.

Ungefähr 6700 Heilige und 7400 Märtyrer verzeichnet das „Martyrologium Romanum“, der römische Heiligenkalender. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Der erste Heilige des Christentums war Stephanus, der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens gesteinigt wurde. Vielleicht hilft er deshalb zuverlässig gegen Kopfschmerzen.

„Zur Gemeinschaft der Heiligen gehören aber auch unzählige Verstorbenen, die in keinem offizielles Verzeichnis stehen“, betont Johannes Brandt. Der Apostel Paulus geht sogar noch weiter. Für ihn ist jeder heilig, der an Gott glaubt. „Damit ist aber immer auch ein Auftrag verbunden“, findet Pfarrer Brandt. „Wie die kanonisierten Heiligen sollen auch wir durchsichtig werden für Gottes Wirken in der Welt.“

Der heilige Nepomuk ist
der Patron der Diskretion

14 Uhr. Wieder am Computer. Langsam werden die Augen müde. Gut, dass es die heilige Lucia gibt. Sie ist die Patronin des Lichts und der Augenleiden. Aus einem garstigen Grund. Weil Lucia ihr Leben Gott weihen wollte, gab sie ihrem heidnischen Verehrer den Laufpass. Der Abgewiesene denunzierte die junge Frau bei den Christenverfolgern des römischen Kaisers. Man brannte Lucia grausam die Augen aus. Das hat sie nicht überlebt.

Augustinus ist der himmlische Superstar. Er hilft bei öffentlichen Auftritten jeder Art.

17.30 Uhr. Kurzreferat mit Konferenzraum. Mit Live-Übertragung im Chat. Lampenfieber, feuchte Händen. Jetzt kann nur noch der himmlische Superstar helfen: Der heilige Augustinus. Obwohl streng christlich erzogen, fühlte er sich als junger Mann eher zu weltlichen Freuden hingezogen. Augustinus studierte Rhetorik und machte in Rom Karriere. Auch privat ließ er nichts anbrennen. Der spätere Heilige feierte gern, hatte Freundinnen und einen unehelichen Sohn.

Der Heilige Petrus auf
seinem Thron in Rom
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Dann die Bekehrung. Im Garten hörte Augustinus plötzlich eine Kinderstimme: Er solle die Bibel aufschlagen. Augustinus landete bei den Paulus-Briefen. Sie faszinierten ihn so, dass er allen weltlichen Dingen den Rücken kehrte und zum Kirchenlehrer wurde. Heute hilft der Heilige zuverlässig bei öffentlichen Auftritten jeder Art.

„Heilige haben etwas Faszinierendes. Sie tun uns gut.“

Und sollte der Vortrag trotzdem mit einer Blamage enden, tröstet immer noch der Heilige Petrus. Er hat in seinem Leben mehrmals grandios versagt. Sich aber immer wieder tapfer aus seiner Scham herausgerappelt. Und weitergemacht. Heute bewacht Petrus die Pforten des Himmels. Wenn es darum geht, Gott um gutes Wetter für eine Unternehmung zu bitten, gibt es keinen besseren Fürsprecher als Petrus.

„Ich finde es faszinierend, sich mit den Lebensgeschichten der Heiligen zu beschäftigen und zu sehen, wie sie ihren Glauben gelebt haben“, sagt Johannes Brandt. Wenn er auf die verschiedenen Heiligen schauen, erkenne er unterschiedliche Profile und unterschiedliche Weisen, den Ruf Gottes zu leben. „Das hat etwas Faszinierendes, etwas Anstiftendes. Das tut uns gut.“ Zumal die Lebensgeschichten so bunt und vielfältig sind.

Erstaunlich viele Heilige sind erst spät zum Glauben gekommen.

St. Dionys kennt sich
aus mit Kopfweh
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Erstaunlich viele Heilige sind ja selbst erst spät zum Glauben gekommen, überlegt der Leiter der katholischen Stadtkirche von Heidelberg. Teresa von Avila beispielsweise, Ignatius von Loyola oder Edith Stein. Alles „Leuchtzeichen“, die an unsere „Lichtseiten“ appellierten. Brandt: “Wenn ich am Ende sagen könnte: Durch die Kraft des Glaubens bin ich in gelassener Weise durch das Leben gegangen, wäre ich sehr zufrieden.“ Wobei diese „Gelassenheit“ nichts mit Bequemlichkeit zu tun hat. Sondern mit Perspektive. „Ich weiß, dass das Hier und Jetzt nicht alles ist, sondern dass ich unterwegs bin zu einem größeren Ziel: Bei Gott anzukommen.“

19 Uhr. Auf dem Heimweg. Endlich. Doch die Gedanken kreisen noch. Weil es dieses blöde Missverständnis mit der Kollegin gegeben hat. Das rumort jetzt im Kopf herum. Da kann nur Hubertus Abhilfe schaffen. Kein anderer Heiliger wird so missverstanden wie er. Hubertus war ein heidnischer Jäger, der auch am Karfreitag munter auf die Pirsch ging. Im tiefen Wald stieß er auf einen prächtigen Hirsch und legte an. Da erschien plötzlich zwischen den Geweihsprossen des Hirsches ein strahlendes, fluoreszierendes Kreuz. Hubertus ließ sein Gewehr sinken, fiel auf die Knie und wurde Christ. Er hat nie wieder Jagd auf Tiere gemacht. Und wird trotzdem von den Jägern als ihr Schutzheiliger verehrt.

Eine tapfere Bauernmagd sorgt dafür, dass alle ihren Feierabend genießen.

Sankt Hubertus wird
chronisch missverstanden
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20 Uhr. Feierabend. Die Stunde der Heiligen Notburga von Tirol. Die Tochter eines Hutmachers lebte im 13. Jahrhundert als Dienstmagd bei einem Bauern. Er hatte dem Mädchen erlaubt, immer am Samstag die Arbeit früher zu beenden, damit es die Abendmesse besuchen konnte. Eines Tages drohte das Wetter umzuschlagen. Weshalb der Bauer verlangte, dass Notburga weiterarbeiten sollte.

Doch die Heilige dachte nicht daran. Gott ging vor. Als die Glocken zur Vesper läutete, warf Notburga kurzerhand ihre Sichel in die Luft und rief: „Feierabend!“ Worauf ein Sonnenstrahl vom Himmel herabfiel. Er traf genau auf Notburgas Sichel, die einfach in der Luft hängen blieb. Wer weiß, vielleicht klappt das ja auch mit der Computermaus. Man muss nur die heilige Notburga nett genug um ihre Fürsprache bitten.

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