Ein Wegweiser zum Paradies

Das Paradies von
Johannes Schreiter
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Zur Mittagszeit, wenn die Sonne direkt auf das Fenster scheint, durchflutet eine Orgie aus Gelb und Gold die Heidelberger Peterskirche. Gebannt tritt man näher und registriert Pfeile inmitten des Strahlens. Sie zielen auf ein Quadrat in Weiß, der Symbolfarbe Gottes. „Das Himmlische Jerusalem“ nennt Johannes Schreiter sein jüngstes Bleiglaskunstwerk in der evangelischen Universitätskirche.

Das Südfenster gilt als Schreiters bislang schönstes Werk. MLP-Gründer Manfred Lautenschläger hat es gestiftet. Am Palmsonntag 2011 wurde das „Himmlische Jerusalem“ mit einem Festgottesdienst eingeweiht.

Eine Stadt aus reinem Gold, eingehüllt in gleißendes Licht hat der Prophet Johannes in seiner geheimen Offenbarung gesehen. Das himmlische Jerusalem hat die Form eines Würfels und ist von einer Mauer aus Edelsteinen eingefasst. In der Mitte der Stadt thront Gott.

Das himmlische Jerusalem steht auf verbrannter Erde.

Professor Sundermeier holte
Schreiter zurück
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Quadrate und Edelsteine findet man auch in Schreiters Vision vom Paradies. Sein himmlisches Jerusalem schwebt jedoch nicht auf Wolken, sondern es steht auf schwarzer, verbrannter Erde, die von tiefen Rissen durchzogen ist. „Jerusalem ist nicht nur ein Ort, es ist eine Botschaft: In dieser Stadt sollen alle Völker ihre besten Gaben einbringen“, interpretierte Professor Theo Sundermeier. „Doch nicht einmal zwei Völker können sich heute auf eine friedliche Lebensgemeinschaft in Jerusalem einigen.“

Professor Theo Sundermeier, ehemals Dekan der Theologischen Fakultät, ist seit Jahrzehnten mit Johannes Schreiter befreundet und war 2005 der Laudator, als die Ruperto Carola dem Künstler die Ehrendoktorwürde verlieh. Viele Heidelberger sahen in dem Titel eine Wiedergutmachung für die Abfuhr, die Johannes Schreiter 1986 hinnehmen musste. Er hatte damals einen provokanten Fensterzyklus für die Heiliggeistkirche entworfen, der in der Stadt für erbitterte Diskussionen sorgte. Die Schreiterentwürfe wurden abgelehnt. Der „Heidelberger Fensterstreit“ sorgte überregional für Schlagzeilen.

Der starke Pfeil symbolisiert die Kraft der Gebete.

Hochzeit in der Peterskirche:
Barbara und Johannes Schreiter.

Ein Vierteljahrhundert später ist Johannes Schreiter, inzwischen 81 Jahre alt, nicht mehr der zornige Weltverbesserer. Der Künstler, der im hessischen Langen lebt, hat schweres Leid erlebt und zum Glauben gefunden. Sein neues Fenster bleibt daher nicht stehen bei den Brandchiffren, die die Bedrohung unserer Welt symbolisieren. Es fungiert vielmehr als Wegweiser zum Paradies: Der starke Pfeil, der das gotische Maßwerk förmlich zu durchbrechen scheint, symbolisiere die Kraft der Gebete, sagte Theo Sundermeier. „Sie führen uns durch das Grau aller Zweifel hindurch.“

Professor
Helmut Schwier
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Drei weitere Entwürfe liegen vor, aber es fehlen die Sponsoren.

Das „Himmlische Jerusalem“ ist das sechste Fenster des Schreiter-Zyklus, der die Peterskirche zum Gesamtkunstwerk machen soll. 2006 bei der Renovierung der Universitätskirche wurden die ersten vier Fenster eingebaut. Vor einem halben Jahr folgte das Heilig-Geist-Fenster.

„Drei weitere Entwürfe liegen zwar vor, können aber derzeit leider nicht realisiert werden“, bedauert Professor Helmut Schwier, der Universitätsprediger. Es fehlt an Sponsoren. 60.000 Euro kostet das große Nordfenster, das sich mit der Taufe beschäftigt. Die beiden kleinen Südostfenster vor dem Altarraum sind günstiger.

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