Wie geht Ewigkeit?

Ostern im Chorraum von St. Marien in Weinheim.

Ostern ist das höchste und das entscheidende Fest der Christenheit. Denn nur, wenn Jesus Christus tatsächlich von den Toten auferstanden ist, macht der Glaube überhaupt einen Sinn. Doch wie soll man sich dieses ewige Leben konkret vorstellen? Wohin gehen wir? Wie werden wir aussehen?

Werden wir einander noch erkennen? Und was bleibt von unserem irdischen Leben? Viele anspruchsvolle Fragen, die wir zwei jungen katholischen Priestern aus Heidelberg vorgelegt haben. Mit der Bitte um kurze, aber konkrete Antworten. 

Wohin gehen wir, wenn wir gestorben sind? 

Daniel Johann: Wir sind für das Leben bestimmt, nicht für den Tod. Der Tod ist nicht die Auslöschung unseres Seins, sondern ein Übergang. Es wartet nach ihm eine Auferstehung in ein ewiges Leben bei Gott. Dafür sind wir geschaffen, um Gott zu sehen und mit ihm in Freundschaft und Liebe verbunden zu sein. Das ist das Paradies, von dem wir träumen dürfen.

Sebastian Feuerstein: Wir gehen von einer Hand Gottes in die andere. Ich glaube fest daran, dass wir schon hier auf der Erde mit Gott verbunden sind. Daher ist der Tod nur ein Übergang in eine neue Form des Zusammenseins. Die Bibel sagt deutlich, dass jeder Mensch als einmaliges Individuum geschaffen wurde. Ich bin nicht bereit zu glauben, dass diese Einmaligkeit im Nichts endet.

Sebastian FeuerstDie ein vor dem barocken Hochaltar von St. Anna in Heidelberg.

Das ist die Botschaft von Ostern: Jesus war nach der Auferstehung noch immer derselbe, aber in einer neuen Existenzform. Deshalb erkennen ihn die Jünger auch nicht auf Anhieb wieder. Erst als er beim Abendmahl das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf und sie merken, dass es wirklich Jesus ist, mit seinem Leben, mit seinem Charakter, mit seiner Geschichte. Nichts davon konnte der Tod auslöschen.

Aber kommt denn jeder in den Himmel?

Daniel Johann: Christus ist für Sünder in diese Welt gekommen. Er liebt alle, und will alle nach Hause holen. Der Himmel ist keine exklusive Belohnung für die Besten unter uns, sondern er ist für alle da. Aber es gibt hier keinen Automatismus. Denn da der Himmel wesenhaft in der Freundschaft mit Gott besteht, kann er uns nur angeboten werden. Denn die Freundschaft, die Liebe – sie verlangt Freiheit. Man kann zur Liebe nicht gezwungen werden. Gott kann uns den Himmel nicht überstülpen. Er bietet uns sein Heil an, in der Hoffnung, dass auch wir uns in ihn verlieben, ihm vertrauen und uns von ihm heilen lassen. Dann steht uns der Himmel offen. 

Die Auferstehung Christi im Fenster von St. Bruder Klaus in Edingen.

Sebastian Feuerstein: Ich hoffe es zumindest. Nach unserem Tod wird ein Moment kommen, in dem unser ganzes Leben offen daliegt und wir keine Chance mehr haben, irgendetwas zu verbergen. Doch Gott ist nicht kleinlich. Ihn interessiert weniger, was wir falsch gemacht haben, als vielmehr, was für Menschen wir wirklich waren: Ob wir uns ausgestreckt haben nach unserem Schöpfer und unserem Nächsten. In diesem Moment werden vermutlich die meisten von uns ein sehr schlechtes Gewissen bekommen. Weil wir das Bild sehen, dass Gott sich ursprünglich von uns gemacht hatte. Und weil wir erkennen, wie wir eigentlich hätten sein können und handeln sollen.

Es gibt also kein Jüngstes Gericht, vor dem ich meine Taten rechtfertigen muss?

Daniel Johann: Wenn wir Gott gegenüberstehen, von Angesicht zu Angesicht, dann werden wir unser Leben entblößt und ungeschminkt erblicken. Wir werden konfrontiert mit all dem Hässlichen, Boshaften, all dem Neid, all dem Hass, all der Gier in uns. Das ist das Gericht. Aber unser Richter ist nicht nur unendlich gerecht, sondern auch unendlich barmherzig. Keine Sünde ist so groß, dass sie nicht vergeben werden könnte, keine Wunde so tief, dass er sie nicht heilen könnte.

Vikar Daniel Johann wirkt erst seit Kurzem in der Stadtkirche Heidelberg.

Aber wir müssen diese Heilung wollen, sie zulassen. Denn wir können all das Kleinliche und Verletzte und Gemeine in uns nicht mit in den Himmel nehmen, sonst wäre dieser nur eine Fortsetzung irdischer Erbärmlichkeit. Wir müssen erkennen und zugeben können, was krank in uns ist, wir müssen uns heilen lassen. Das ist das Fegefeuer, das alles vernichtet, was mich trennt von Gott. Meine Wut, meine verletzten Gefühle, mein mangelndes Selbstbewusstsein, meine Selbstsucht. 

Sebastian Feuerstein: Es geschieht eine Reinigung, doch. Gott führt uns wieder zu der Person zurück, die wir eigentlich sind, wir werden den Sinn von allem erkennen und verstehen. Durch diesen Prozess der Läuterung wird unser eigentliches Wesenskern herausgestellt. Was schwach war, wird stark. Was schwarz war, wird weiß. Was Sünde war, wird Leben. Im Himmel sind wir zwar dieselbe Person, die wir auf der Erde waren. Aber wir sind nicht mehr die gleiche. Das ist das Paradox des Glaubens.

Dann ist die Hölle also leer?

Daniel Johann: Darauf dürfen wir hoffen, dafür bete ich. Aber ich fürchte, dass viele verloren gehen. Das ist der Preis der Freiheit: Damit ich wirklich Ja sagen kann zur Liebe, muss ich auch Nein sagen können, sonst ist das Ja eine Farce. Die Hölle ist die radikale Gottverlassenheit. Es kann sein, dass eine Seele so unfähig zur Vergebung geworden ist, dass sie die Heilung, die Gott ihr anbietet, verweigert. Zum Beispiel weil sie so sehr hasst, dass sie mit einem Himmel, wo auch für den Verhassten Platz ist, nichts zu tun haben will.

Eine Glasmalerei aus dem 19. Jahrhundert im Freiburger Münster.

Oder weil sie sich selbst so sehr ablehnt, dass sie der Liebe Gottes nicht trauen kann. Oder, am allergefährlichsten, weil sie so von hochmütigem Stolz erfüllt ist, dass sie sich ihre Sünden nicht eingestehen kann, und so die angebotene Vergebung verweigert. Wer die Liebe Gottes nicht demütig und frei annehmen kann, ist nicht himmelsfähig. 

Sebastian Feuerstein: Eine spannende Frage. Die Kirche sagt lediglich, dass Menschen, die vorbildhaft und ohne Sünde gelebt haben, mit Sicherheit als Heilige in die ewigen Gemeinschaft mit Gott eingehen. Es gibt aber keinen mir bekannten Fall, in dem die Kirche offiziell sagt: Dieser Mensch war so schlecht, dass er mit Sicherheit in dem ist, was wir Hölle nennen, also im Zustand ewiger Gottesferne. Vielleicht ist es ja so, dass niemand, der Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, dieser absoluten Schönheit widerstehen kann? Aber auf jeden Fall schmerzt diese Läuterung. Sie tut weh. Sehr weh. Extrem weh.

Wie stellen Sie sich das Leben im Himmel denn konkret vor?

Gemälde eines Meisters aus Ferrara in der Pinacoteca Ambrosiana in Mailand.

Daniel Johann: Frei von Angst, frei von Neid und Konkurrenzdenken, frei von Selbstzweifeln. Frei von den Begrenztheiten von Raum und Zeit. Grenzenlose Schönheit und Vielfalt durch die Freundschaft mit Gott und all seinen Geschöpfen. Wir sind im Himmel weiterhin wir selbst, unsere Identität geht nicht verloren, sondern tritt klarer hervor.

Wir erinnern uns an alles, was auf Erden war, aber es belastet uns nicht mehr. Die Auferstandenen im Himmel sind Menschen, mit Leib und Seele. Ihre Heiligkeit ist nicht steril, ihre Ewigkeit keine Stagnation. In ihnen ist Freiheit, Liebe und pulsierendes, grenzenloses, göttliches Leben.

Sebastian Feuerstein: Im Himmel ist ewiger Frieden und unendliche Begegnung mit denen, die wir schon gekannt haben und mit denen, die wir jetzt erst so erkennen, wie Gott sie eigentlich gedacht hat. Befreit und unverstellt. Ich hoffe und glaube, dass wir im Himmel auch den Menschen, die wir in unserem irdischen Leben überhaupt nicht gemocht haben, mit Freude begegnen. Weil alle Taten und Eigenschaften, die uns auf der Erde daran gehindert haben, diesen Menschen näher zu kommen, durch das Gericht Gottes ausgeräumt wurden. Das ist ein völlig neues Verwobensein, ein völlig neues Leben. An der Schönheit des Himmels und Gottes kann man sich in Unendlichkeit nicht sattsehen. Wir werden staunen, staunen, staunen. Darauf freue ich mich. 

Die Gesprächspartner

Vikar Daniel Johann (41). Aufgewachsen in Neckarwestheim. Studium der Physik und Theologie in Freiburg. Längere Aufenthalte in China und den USA (New York). 2019 Priesterweihe in Freiburg. Derzeit Vikar an der Stadtkirche Heidelberg. Wohnt im Pfarrhaus von Heidelberg-Kirchheim.

Pfarrer Sebastian Feuerstein (39). Aufgewachsen in Lauda. Nach dem Abitur Studium der Fächer Latein, Griechisch und Germanistik. 2004 Wechsel ins Priesterseminar nach Freiburg. 2012 Priesterweihe in Freiburg, danach Vikar am Bodensee. 2016 zusätzlich Referendariat zum Gymnasiallehrer für Religion. Derzeit katholischer Religionslehrer am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Sandhausen und Prozesskoordinator für die „Kirchenentwicklung 2030“ an der Bergstraße. Wohnt im Pfarrhaus der Jesuitenkirche in Heidelberg. 

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