„Ich spüre religiöses Potential in dieser Stadt“

Jubiläum: Mannheims Dekan Karl Jung ist seit 30 Jahren Priester

Liebe auf den ersten Blick war es nicht, was der katholische Dekan Karl Jung empfand, als er vor zwölf Jahren nach Mannheim kam. Eher Erstaunen. Eben noch hatte Jung im idyllischen Hochschwarzwald Priesteranwärter auf ihren Beruf vorbereitet. Jetzt lebte er in einer Multikulti-Stadt, die zu laut war, um bei offenem Fenster zu schlafen.

„Ich kannte Mannheim überhaupt nicht“, erinnert sich Dekan Jung. „Aber ich habe mich in der großstädtischen Atmosphäre bald wohlgefühlt.“ Inzwischen ist Jung zu einer festen Größe der Quadratestadt avanciert und steuert seine dritte Amtszeit als Dekan an. Am Pfingstsonntag 2017 feiert Karl Jung in der Jesuitenkirche sein 30-jähriges Priesterjubiläum.

„2020 werden weniger als die Hälfte der Mannheimer Christen sein“

Studienkollegen: Erzbischof Georg Gänswein und Karl Jung wohnten in einer WG

Die katholische Kirche durchlebt derzeit eine schwierige Phase. Der Priestermangel hat dramatische Ausmaße angenommen. Pastoral- und Gemeindereferenten wachsen nur noch bescheiden nach. Die Zahl der Gläubigen sinkt stetig. 2005, als Karl Jung nach Mannheim kam, zählte die Stadt über 100 000 Katholiken. Heute sind es nur noch knapp 90 000. „Die Prognosen gehen davon aus, dass 2020 weniger als die Hälfte der Mannheimer Christen sein werden“, sagt Jung.

Er will deshalb die katholischen Kräfte radikal bündeln. „Stadtkirche Mannheim“ heißt das ehrgeizige Ziel, das 90 000 Katholiken in einer einzigen Seelsorgeeinheit zusammenfassen soll. Bislang hat das Stadtkircheprojekt noch kein grünes Licht vom Erzbischof in Freiburg, doch das bringt Dekan Jung nicht aus der Ruhe. Es gibt ja keine Alternative, findet er. „Wir müssen die Verwaltung konzentrieren und an die Kaufleute übergeben, damit die Priester und Seelsorger frei sind für die Pastoral.“

Taizé-Gründer Frère Roger Schutz gab den Anstoß für Jungs Berufung

In einer säkularen Stadtgesellschaft heißt das auch: Rausgehen auf die Straße, Präsenz zeigen im öffentlichen Raum, mit Menschen in außerkirchlichen Zusammenhängen ins Gespräch kommen. In Mannheim gibt es einen katholischen Pastoralreferenten, der sich nur um die Neubaugebiete auf den Konversionsflächen kümmert, einen Flüchtlingsbeauftragten und den einzigen Jugendpfarrer in Vollzeit der Erzdiözese Freiburg. Jung: „Ich spüre in dieser Stadt ein großes religiöses Potential, da wollen wir andocken.“

„Die tiefe Spiritualität von Taizé hat mich fasziniert“

In Baden-Baden wurde Karl Jung 1959 geboren, als ältester von drei Brüdern. Die Freude am Evangelium wurde früh geweckt von „Kaplänen, die mich begeistert haben“. Endgültig übergesprungen ist der Funke Gottes im französischen Taizé. „Die tiefe Spiritualität der Gemeinschaft hat mich so fasziniert, dass ich ihr sogar beitreten wollte.“ Frère Roger, der charismatische Gründer von Taizé, erkannte in dem jungen Deutschen eine andere Berufung. „Auf Englisch sagte er zu mir: Es ist besser, wenn du Priester wirst.“ Stille. „Dieses Wort hat mir viel bedeutet.“

Der Förderer: Alt-Erzbischof Robert Zollitsch öffnete Karl Jung manche Tür

Im Herbst 1979 trat der Abiturient Jung ins Freiburger Priesterseminar ein, zusammen mit über 130 jungen Männern. Einer seiner Mitstudenten hieß Georg Gänswein. Heute ist er Kurien-Erzbischof in Rom, Jung hält den Kontakt. Am 31. Mai 1987 wurde Karl Jung zum Priester geweiht. 1990 übersiedelte er sowohl als Dozent am Priesterseminar wie auch als Gemeindepfarrer nach St. Peter im Schwarzwald. „Das waren 14 schöne Jahre“, erinnert sich der Dekan. Tagsüber segnete Jung Feldkreuze und sorgte für die Seelen der Bauernfamilien. Am Abend diskutierte er im Seminar mit Studenten, Bischöfen und Professoren.

Jung geht direkt auf Menschen zu, kickt gut und feiert gern

2004 schickte Erzbischof Zollitsch Pfarrer Jung auf die Führungsakademie nach Karlsruhe. Als ersten Priester der Erzdiözese Freiburg. Seit 1. Oktober 2005 ist Karl Jung der Dekan von Mannheim.

Unvergessen: Der sommerlich-leichte Katholikentag 2012 in der Quadratestadt

Der Baden-Badener hat sich in der Kurpfalz-Metropole perfekt eingelebt. Jung geht direkt auf Menschen zu, kickt gut und feiert gern. Mehr braucht’s  nicht in Mannheim. 2010 erhielt Karl Jung den Bloomaulorden, die höchste Bürgermedaille der Quadratestadt.

Womit wir beim 16. Mai 2012 angekommen wären, dem bisherigen Höhepunkt der Laufbahn des Karl Jung. Bei strahlendem Sonnenschein öffnete der Deutsche Katholikentag in Mannheim seine Tore und verwandelte in die Quadratestadt in ein katholisches San Francisco. Nie war Mannheim so leicht, so fröhlich und so fromm. Schwer, da noch was draufzusetzen. Karl Jung versucht es dennoch tapfer. Am 8. und 9. Juli 2017 beispielsweise lädt Mannheim zu einem lokalen ökumenischen Kirchentag.

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