Ein rauschendes Fest, das niemals endet

Ostern feiert die Auferstehung Jesu von den Toten. Doch soll das konkret funktioniert haben?

Weihnachten muss sich im Ranking der christlichen Feste für immer mit Platz zwei begnügen. Denn ohne die Auferstehung Jesu an Ostern hätte die Geburt des Gottessohnes keinen Sinn gemacht. Doch wie hat man sich das ewige Leben vorzustellen? Fragen an Pater Benedikt Pahl, den Prior der Abtei Neuburg in Heidelberg, und an Folkhard Krall, den evangelischen Dekan von Mosbach.

Wir gehen in ein ewiges Leben bei Jesus Christus. Davon bin ich fest überzeugt. Ich trage als Priester ja viele Menschen zu Grabe. Das könnte ich niemals tun ohne den festen Glauben, dass sie für immer bei Christus aufgehoben sind. Das ewige Leben im Himmel wird eine Liebesbeziehung sein, die eine vollkommen andere Qualität hat als jede Begegnung in unserem jetzigen Dasein. Weil wir durch das Zusammensein mit Gott zur Vollendung gelangen. Das ist das Ziel unseres Lebens.

Bleibt denn etwas übrig von unseren irdischen Erfahrungen, wenn wir im Himmel sind?

Pater Dr. Benedikt Pahl ist der Prior von Benediktiner-Abtei Neuburg in Heidelberg.

Natürlich. Alles. Unser Wesen, unsere Identität, unsere Biographie. Allerdings werden wir verändert darauf blicken. Es gibt ein Bild, das mir sehr wichtig ist: Die Metamorphose von der Raupe in einen Schmetterling. Hier auf der Erde sind wir alle „Raupen“, recht hübsch anzusehen, munter und wendig. Im Himmel jedoch werden wir zu „Schmetterlingen“. Zu federleichten, schillernden, bildschönen Kunstwerken Gottes. Das ist ein Vergleich, den schon die Kinder in der Kita verstehen. Wir brauchen solche Vorstellungen, weil die wichtigsten Glaubensinhalte Geheimnisse sind. Niemand war dabei, als Jesus Christus von den Toten auferstanden ist.

Aber Jesus ist doch danach etlichen Menschen begegnet. Maria vom Magdala, den Emmaus-Jüngern … Sie alle haben den Auferstandenen zuerst nicht erkannt. Warum?

Weil Christus den Prozess der Auferweckung bereits durchlaufen hatte. Gott hat Jesus verwandelt, wie er auch uns verwandeln wird. Diese ersten Begegnungen nach Ostern sagen viel darüber aus, wie hilflos wir alle vor diesem Mysterium stehen.

Im Frühling ist Stift Neuburg ein Traum.

Sowohl Maria Magdalena als auch die „Emmaus-Jünger“ und Thomas haben sehr lange gebraucht, bis sie begriffen haben, wer da vor ihnen steht. Dass es tatsächlich Jesus ist.

Weil es auf Erden keine Analogie zu dem gibt, was an Ostern passiert ist. Nichts, woran unser Verstand anknüpfen könnte. In der Bibel steht an dieser Stelle: Jesus legte den Jüngern die Schrift aus. Das heißt, er feierte mit ihnen Gottesdienst. Und erst dadurch konnten die Jünger das Mysterium akzeptieren. Sofort wurden sie von neuer Kraft durchströmt.

Wird es ein Jüngstes Gericht geben, vor dem wir uns verantworten müssen?

Auferstehung in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg.

Mir ist der Gedanke der Erlösung sehr wichtig. Wenn ich erlöst werde, dann werde ich frei von allem, was mich bedrückt. Oft ist es ja so, dass wir uns selbst unfrei gemacht haben, durch das, was wir uns in irgendeiner Weise auferlegt haben.

Ich nenne das ungern „Schuld“. Das vielbeschworene „Jüngste Gericht“ ist nichts anderes als die Erlösung von dieser Bürde, die uns niederdrückt. Gott macht uns frei davon.

Und was ist mit all den Dummheiten, die wir im Leben gemacht habe?

Die Bibel nennt das unsere „Wunden“. Wie die Wundmale Christi bleiben auch unsere „Wunden“ für immer sichtbar, denn sie gehören zu unserer Person. Daran erkennt man uns. Ich möchte gar nicht, dass alles, was in meinem Leben geschehen ist, weggewischt wird. Tabula rasa. Ich möchte die Person bleiben, die ich war und dazu gehören auch meine Dummheiten. Zumal im Himmel keine Wunde mehr schmerzt und die Liebe nie an ein Ende gelangt. In der Ewigkeit sind wir frei und mutig, gelöst und strahlend.

Treffen wir denn die Menschen, die wir geliebt haben, wieder?

Wenn Christus verspricht, dass das ewige Leben ein Leben in Fülle sein wird, dann kann es ja kein reduziertes Leben sein. Es gibt dieses wunderbare Bild von der rauschenden Hochzeit mit den er- lesensten Weinen. Ich bitte Sie, wenn das keine Aussicht ist! Schließlich leben wir in der Pfalz.

■ Pater Dr. Benedikt Pahl OSB ist Prior der Benediktinerabtei Neuburg bei Heidelberg. Der gebürtige Hamburger wirkte als Religionslehrer am Heidelberg College und kümmert sich bis heute als Seelsorger um die Katholiken in Ziegelhausen und Peterstal. Die Amtszeit des 68-Jährigen endet 2026, pünktlich zum 100. Geburtstag der Abtei Neuburg.

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Folkhard Krall ist der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Mosbach.

Wir gehen nirgendwo mehr hin. Der Tod ist das Ende von all unserem Tun und unserer Möglichkeit, die Welt zu gestalten. Die Frage, die sich daran allerdings anschließt, lautet: Gibt es einen Gott, der mich liebt und als Person so wertvoll und bedeutend findet, dass er mich erhalten will? Mehr noch: Dass er mir sogar anbietet, nach dem Ende meines irdischen Lebens noch einmal eine neue Existenz zu beginnen? Die ganze Antwort lautet also: Wir gehen dorthin, wohin Gott uns führt, wenn er uns aus dem Tod herauszieht.

Freuen Sie sich denn auf den Himmel? 

Wir erleben unser Menschsein ja zu allergrößten Teilen als etwas Aktives. Wir bestimmen, was wir tun, wohin wir gehen, wen wir lieben. Und wir mögen es gar nicht, wenn wir ganz auf Hilfe von jemandem angewiesen sind. Daher glaube ich, dass wir uns an diese neue Situation erst gewöhnen müssen.

Die schöne gotische Stiftskirche von Mosbach.

Und wir müssen das Gericht überstehen. Oder nicht?

Spannend, dass Sie die Vorstellung eines Gerichts mit dieser Erfahrung verbinden, sein Leben nicht mehr selbst zu sichern. Niemand von uns schafft es, sein Leben ohne Schuld, ohne Fehler, ohne Verletzung zu leben. Und wenn ich das dann selbst nicht mehr zurechtbiegen kann? Bei Gott ist Gericht untrennbar mit Liebe verbunden. Liebe wirft nicht vor, sondern Liebe überwindet. Auch die Sünde, die Schuld, das Versagen und sogar die Scham, die mir auf die Seele drückt. Die Theologie nennt das „Erlösung“.

Aber was ist mit Tätern, die bewusst gequält, gefoltert, getötet haben?

Das ist eine Frage, die ich gern an Gott stellen würde: Gibt es tatsächlich ein Leben, das Du nicht mehr lieben willst? Gibt es Seelen, die für immer in Schuld, Tod und Versagen bleiben? Ich kann mir das nicht vorstellen. Denn das würde ja bedeuten, dass Gott gescheitert ist. Dass er zulassen muss, dass es einen Bereich gibt, auf den er keinen Zugriff hat. Das halte ich für ausgeschlossen.

Also keine Hölle? 

Der Mosbacher Markt: Gotik mit Fachwerk.

Nein, keine Hölle.

Auch kein Fegefeuer?
Nein, auch kein Fegefeuer.

Aber das ist alles Spekulation. Das einzige, was wir wirklich wissen, ist wie Jesus gehandelt hat. Er stand grundsätzlich auf der Seite der Opfer, blieb aber den Tätern trotzdem immer nah. Das römische Zollsystem beispielsweise hat viel Elend, Armut und Zerstörung bewirkt. Dennoch hat sich Jesus zu dem Zöllner gesetzt. Und durch diese Zuwendung begann für den Zöllner eine neue Geschichte.

Für mich heißt das: Wenn Gottes Handeln ein verwerfendes Handeln wäre, würde er dadurch seine Möglichkeiten begrenzen. Allerdings muss ich zugeben, dass es für mich eine fürchterliche Vorstellung ist, dass ein Kind, das in Theresienstadt ermordet wurde, seinen Aufsehern im Himmel wieder begegnen muss.

Erkennen wir uns überhaupt im Himmel? Ohne unsere irdische Gestalt? 

Die Auferstehung Christi, gemalt von Otto Dix, 1949.

Ich denke schon. Dafür steht ja die Erzählung von den Emmaus-Jüngern. Sie wandern und reden stundenlang mit dem Auferstandenen, aber sie erkennen ihn zuerst nicht. Erst, als er das Brot bricht, so wie früher, gehen ihnen die Augen auf. Für mich heißt das: Durch Tod und Auferstehung verändert sich etwas bei Jesus. Aber seine Persönlichkeit wirkt auf seine Freunde so vertraut, dass sie sich sofort wieder als Teil seiner Geschichte erkennen. So wird das auch bei uns sein.

Das klingt ja fast erstrebenswert? 

Ostern ist ein Anfang! Ein unglaubliches Geschenk Gottes, das uns Freiheit und Entlastung gibt. Wir müssen nicht alles Glück und alles Heil in unserem kurzen Dasein auf dieser Welt erreichen. Sondern wir können uns darauf einstellen, dass Gott in Ewigkeit für uns sorgt.

Das macht unsere Hände frei und öffnet unsere Taschen und Herzen für Menschen, die unserer Hilfe bedürfen.

■ Folkhard Krall ist 62 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Der evangelische Theologe leitet seit 2013 den Kirchenbezirk Mosbach. Zuvor wirkte der gebürtige Mannheimer in Lahr. Zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls Pfarrerin ist.

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